· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht
Das unendliche Ringen um die „Europa-GmbH“
von RA Dr. Jochen Blöse, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, MBA, Mediator (CfM), Köln
| Schon seit geraumer Zeit besteht auf europäischer Ebene das Bemühen der Societas Europaea (SE), der europäischen Aktiengesellschaft, eine kleine Schwester an die Seite zu stellen. Politischer Hintergrund dazu ist, dass in der sogenannten Lissabon-Strategie der EU als eines der zentralen Ziele die Schaffung eines optimalen Umfelds für kleine und mittlere Unternehmen definiert worden ist. |
1. Hintergrund
Die europäische Kommission hatte im Jahr 2008 einen Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea - SPE) unterbreitet. Die Umsetzung dieses Vorschlags scheiterte jedoch, da die Mitgliedsstaaten sich nicht einigen konnten. Seit 2014 wird nunmehr ein alternativer Vorschlag der Kommission diskutiert, der ausgehend von einer Neufassung der 12. Ein-Personen-Gesellschafts-Richtlinie (2009/102/EG) die Schaffung einer Societas Unius Personae (SUP) vorsieht.
2. Rechtsrahmen der SUP
Bei dem SUP-Projekt handelt es sich im Vergleich zu der SPE um ein deutlich weniger ambitioniertes Vorhaben. Anders als für die SPE vorgesehen und für die SE umgesetzt, soll keine einheitliche - sogenannte supranationale - Rechtsform geschaffen werden, sondern es soll lediglich eine Harmonisierung der nationalen Rechtsformen, also in Deutschland der GmbH, erreicht werden. Anwendbar sein soll der europäische Rechtsrahmen auf Ein-Personen-Gesellschaften, wobei es jedem Mitgliedstaat überlassen sein soll, ob er die europarechtlichen Regelungen über die SUP für alle Ein-Personen-GmbH anwendet oder ob es weiterhin die Möglichkeit geben soll, solche Gesellschaften auch nach den bestehenden nationalen gesetzlichen Regelungen zu errichten.
Unabhängig davon, für welche Variante sich ein Mitgliedstaat entscheidet, bleiben die nationalen gesetzlichen Regelungen immer insoweit anwendbar, als die Richtlinie selbst keine Bestimmungen enthält.
3. Grundstruktur einer SUP
Hinsichtlich der in Deutschland auch im Zusammenhang mit der GmbH-Novelle durch das MoMiG intensiv diskutierte Frage nach einem Mindeststammkapital, die in Deutschland bekanntlich mit der Einführung der GmbH-Unterform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) endete, sieht die Richtlinie vor, dass lediglich ein Mindestkapital von 1,00 EUR aufzubringen ist.
Während bei der UG (haftungsbeschränkt) bis zur Erreichung des vollen Stammkapitals einer „normalen“ GmbH eine Zwangsthesaurierung in Höhe von 25 % des Jahresüberschusses zu erfolgen hat, ist bei der SUP eine Ausschüttung in Abhängigkeit von einem Bilanztest und einer vom Leitungsorgan - in Deutschland also dem Geschäftsführer - erstellten Solvenzbescheinigung vorgesehen.
Hinsichtlich der Innenverfassung der Gesellschaft enthält die Richtlinie einige Erleichterungen gegenüber den formalen Erfordernissen nach deutschem Recht. So bedarf es zur Beschlussfassung des Alleingesellschafters keiner Gesellschafterversammlung und an die Beschlussfassung dürfen mit Ausnahme des Schriftlichkeitserfordernisses keine weiteren formalen Anforderungen gestellt werden, insbesondere nicht bzgl. Ort und Zeitpunkt der Beschlussfassung.
In die alleinige Kompetenz des Alleingesellschafters fallen die Entscheidungen in besonders bedeutsamen Angelegenheiten, wie Kapital- und Strukturmaßnahmen. Dies stellt allerdings keine Unterschiedlichkeit zum deutschen Recht dar, da auch bei der GmbH solche Beschlussgegenstände in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung fallen.
Beachten Sie | Auch hinsichtlich der Stellung des Leitungsorgans besteht weitgehende Ähnlichkeit mit der Situation eines Geschäftsführers einer GmbH, so ist dieser der gesetzliche Vertreter der SUP. Er unterliegt jedoch den Weisungen des Alleingesellschafters und kann von diesem jederzeit abberufen werden.
Eine gewisse Vergleichbarkeit besitzt der Vorschlag für eine SUP mit der UG (haftungsbeschränkt) auch bzgl. der Gründungsvoraussetzungen. Allerdings wird die erstrebte Beschleunigung der Gründung hier mit der aus dem europäischen Recht bekannten Detailverliebtheit geregelt. So wird eine Online-Registrierung der Gesellschaft vorgesehen und exakt vorgegeben, in welchem Zeitrahmen eine solche abschließbar sein muss. Ob in jedem Mitgliedstaat die organisatorischen Voraussetzungen dafür bereits vorliegen, dass tatsächlich innerhalb von drei Arbeitstagen eine Online-Registrierung abgeschlossen werden kann, darf im Hinblick auf die Erfahrungen, die in Deutschland im Zusammenhang mit dem EHUG (Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister)gemacht wurden, bezweifelt werden.
4. Ausblick
Im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen mit der Einführung europarechtlicher Bestimmungen im Gesellschaftsrecht (insbesondere der Schaffung originär europarechtlicher Rechtsformen) darf auch hinsichtlich eines „abgespeckten“ Projektes wie der SUP eine zeitnahe Umsetzung bezweifelt werden.