· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht/Gesetzentwurf
Die neue „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“: Eine Mischung aus GmbH und Stiftung
von RA Dr. Jochen Blöse MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
| Eine Gruppe von Hochschullehrenden hat im Juni 2020 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nunmehr überarbeitet und in den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer GmbH mit gebundenem Vermögen fortgeschrieben wurde. Zentrales Merkmal dieser GmbH-Variante soll ein Asset- und Shareholder-lock sein: Kapital und Gewinn der Gesellschaft werden in ihr gebunden, eine aus Profitgründen erfolgende Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und der Eintritt von Kapitalgesellschaften als Gesellschafter werden ausgeschlossen und nachträgliche Änderungen hieran untersagt. |
1. Hintergrund
Seit einigen Jahren wird als Ziel unternehmerischen Handelns nicht nur der Erwerbszweck im Interesse des Unternehmens selbst sowie seiner Inhaber und damit verbunden die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen sowie insgesamt ein wirtschaftlicher Beitrag in Form von Steuern zum Wohl des Gemeinwesens verstanden. Stattdessen tritt, mal diffuser, mal konkreter, die Übernahme sozialer Verantwortung als Ziel unternehmerischen Handelns in den Fokus.
Corporate Social Responsibility (CSR) ist der Oberbegriff, unter den von der Förderung von Kunst und Künstlern über Umweltschutzaktionen bis hin zu Hilfstätigkeiten in Kindergärten und Seniorenheimen nahezu alles gefasst werden kann, was im weitesten Sinne als Übernahme sozialer Verantwortung betrachtet werden kann. Im Juni 2020 hat eine Gruppe von Rechtswissenschaftlern einen Gesetzentwurf für eine „GmbH in Verantwortungseigentum“ vorgelegt, der nunmehr überarbeitet und in den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer „GmbH mit gebundenem Vermögen“ fortgeschrieben wurde.
2. Grundgedanke
Der Grundgedanke der Einführung einer GmbH mit gebundenem Vermögen liegt nach den Worten der Autoren darin, eine Rechtsformvariante anzubieten, die es den Gesellschaftern erlaubt, das Gesellschaftsvermögen dauerhaft zu binden und damit ein glaubwürdiges Signal für langfristig orientiertes Unternehmertum zu setzen (Sanders/Dauner-Lieb/Kempny/Möslein/Veil, GmbHR 2021, 285, 285).
Der dadurch angesprochene Unternehmer ist nach den Überlegungen der Entwurfsverfasser ein solcher, der sich als Treuhänder versteht, der das Unternehmen zwar leitet und entwickelt, es aber nicht als persönliches Vermögen betrachtet, sondern dieses für die nächste Generation hält (Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit gebundenem Vermögen, II., 1.; der Gesetzentwurf kann unter www.iww.de/s5262 eingesehen werden).
2.1 Kritik an der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
Schon der Ausgangsvorschlag aus dem Jahr 2020 sah sich ganz erheblicher Kritik ausgesetzt. Teilweise wurde eine solche Gesellschaft als Fremdkörper im Recht der Körperschaften betrachtet (Habersack, GmbHR 2020, 992), andere warnten vor der Einführung einer solchen Form der GmbH entschieden und bezeichneten eine Umsetzung der Idee als völlig verantwortungslos (Arnold/Burgard/Roth/Weitemeyer, NZG 2020, 1321, 1328).
2.2 Erwartungen an die Einführung der neuen Gesellschaftsform
Teilweise wurde unterstützend für eine solche Gesetzgebungsinitiative ins Feld geführt, dass der Rechtsstandort Deutschland an Attraktivität gewänne, wenn der Gesetzgeber ein klares Bekenntnis zum gesellschaftsrechtlich ausgestalteten Verantwortungseigentum abgeben würde (Servatius, NZG 2021, 569). Die FAZ zitiert den Gründer der Stiftung Verantwortungseigentum dahingehend, dass insbesondere Start-ups von einer solchen neuen GmbH-Variante profitieren könnten (Erleichterungen für Start-ups in neuer Rechtsform, FAZ vom 21.2.21).
2.3 Kritik an der überarbeiteten Version
Auch der überarbeitete Gesetzentwurf stieß auf deutliche Kritik. So wurde ihm attestiert, dass er für die Zielsetzung eines nachhaltigen, verantwortlichen Unternehmertums weder geeignet noch erforderlich sei (Plöger/Weitemeyer, BB, Heft 15/21, I).
3. Der Gesetzentwurf im Überblick
Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen soll rechtstechnisch in einem neuen Abschnitt 6 des GmbHG normiert werden, der die Vorschriften 77a bis 77p enthalten soll. Der bisherige Abschnitt 6 des GmbHG würde dann zu Abschnitt 7 werden. Die vorgenannten neuen Bestimmungen des GmbHG sollen im Wesentlichen die folgenden Regelungsgegenstände beinhalten.
3.1 Gesellschaftszweck
Gesellschaftszweck kann sowohl ein erwerbswirtschaftlicher als auch ein gemeinnütziger sein (§ 77a Abs. 1 S. 2 GmbHG-E). Damit soll klargestellt werden, dass es nicht darum geht, dass ein besonders förderungswürdiger Zweck verfolgt werden muss, sondern vielmehr ‒ nur ‒ eine private Gewinnerzielungsabsicht nicht Ziel des unternehmerischen Handelns sein darf (Sanders/Dauner-Lieb/Kempny/Möslein/Veil, GmbHR 2021, 285, 286).
3.2 Gesellschafter
Gesellschafter können nur natürliche Personen, andere Gesellschaften mit gebundenem Vermögen oder Rechtsträger sein, deren Vermögen in gleicher Weise gesetzlich dauerhaft gebunden ist. Mit Letzteren sind insbesondere Stiftungen und ausländische Rechtsformen gemeint, die über eine vergleichbare Vermögensbindung verfügen (Gesetzentwurf, IV., 2., c aa). Gesellschafter können weiterhin Personengesellschaften sein, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind.
3.3 Weitere zentrale Vorschriften
Zu den zentralen Vorschriften, mit denen die Vermögensbindung umgesetzt wird, gehören die §§ 77f bis h und 77l GmbHG-E.
Nach § 77f Abs. 2 GmbHG-E haben die Gesellschafter keinen Anspruch auf den Jahresüberschuss und die Auszahlung eines Gewinnvortrags. Der Jahresüberschuss steht vielmehr ausdrücklich der Gesellschaft selbst zu.
Nach § 77g Abs. 2 GmbHG-E gilt insofern eine strikte Vermögensbindung, als dass das Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf. Die beiden vorgenannten Vorschriften werden durch die Regelung in § 77h GmbHG-E abgesichert, nach dessen Abs. 1 ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft besteht, wenn Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden oder das Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter ausgezahlt wird. Zugleich wird in Abs. 2 des § 77h GmbHG-E ein Schadenersatzanspruch gegen die Geschäftsführer normiert, indem die entsprechende Geltung des § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG angeordnet wird, wenn entgegen §§ 77f und 77g GmbHG-E Zahlungen an die Gesellschafter erfolgen.
Um die Vermögensbindung auch nach Auflösung der Gesellschaft abzusichern, bestimmt § 77l GmbHG-E, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht unter den Gesellschaftern zu verteilen ist, sondern einer im Gesellschaftsvertrag zu benennenden anderen Gesellschaft mit gebundenem Vermögen oder einer Körperschaft mit vergleichbarer Vermögensbindung zusteht.
3.4 Pflicht einer Berichterstattung mit Prüfpflicht
Um zu gewährleisten, dass die Vermögensbindung tatsächlich umgesetzt wird, haben die Geschäftsführer gemäß § 77j Abs. 1 GmbHG-E über die Einhaltung der Vermögensbindung einen Bericht zu erstatten, der nach § 77j Abs. 2 GmbHG-E von einem Wirtschaftsprüfer zu überprüfen ist, der nicht der Abschlussprüfer der Gesellschaft sein darf. Dieser Prüfer hat schriftlich Bericht zu erstatten.
Der Bericht der Geschäftsführung sowie der Prüfbericht sind nach § 77j Abs. 4 GmbHG-E einer im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft bestimmten unabhängigen rechtsfähigen Einrichtung, die den Prinzipien des treuhänderischen Unternehmertums verpflichtet ist, zuzuleiten. Ergibt sich, dass die Vermögensbindung nicht eingehalten wurde, kann diese Einrichtung Auflösungsklage gegen die Gesellschaft erheben.
3.5 Umwandlungsvorschriften
Vergleichsweise umfängliche Bestimmungen enthält der Gesetzentwurf in seinen §§ 77n bis 77p GmbH-E zu Umwandlungsvorgängen, an denen eine GmbH mit gebundenem Vermögen beteiligt ist. Ziel ist es dabei zu verhindern, dass im Umwandlungswege das Vermögen einer GmbH mit gebundenem Vermögen auf einen Rechtsträger übertragen wird, der nicht seinerseits denselben Bindungen unterworfen ist.
3.6 Keine Regelung zu Steuervergünstigungen
Keine Regelungen enthält der Gesetzentwurf zu etwaigen Steuervergünstigungen i. S. d. §§ 51 ff. AO.
Beachten Sie | Es ist gerade nicht gewollt, dass eine GmbH mit gebundenem Vermögen aus steuerlichen Gründen gewählt wird. Es soll vielmehr jegliche steuerliche Motivation ausgeschlossen werden, da es nur solche GmbHs mit gebundenem Vermögen geben soll, mit denen „verschiedene legale Zwecke langfristig ohne private Gewinnerzielungsabsicht verfolgt werden“ und deren Gesellschafter „wirklich hinter dem Konzept stehen“ (Sanders/Dauner-Lieb/Kempny/Möslein/Veil, GmbHR 2021, 285, 285 f. und 287).
4. Verhältnis zur Stiftung
In der Diskussion über den Gesetzentwurf wird insbesondere auch das Verhältnis der GmbH mit gebundenem Vermögen zur Stiftung erörtert. Auch hier werden strikt unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während einerseits Nachteile des Stiftungsrechts für den diskutierten Anwendungsbereich betont werden (Servatius, NZG 2021, 569, 570), werden andererseits die Vorzüge der Stiftung herausgestellt (Plöger/Weitemeyer, BB, Heft 15/21, I.).
Ob das nach wie vor eher sperrige Stiftungsrecht, dessen jüngste Novellierung teilweise ebenfalls heftig kritisiert wird (Burgard, GmbHR 2021, R 244: „… handwerklich schlecht gemachte, obrigkeitsstaatliche, regelungswütige und unambitionierte Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts …“), tatsächlich die bessere Grundlage zur Erreichung des angedachten Regelungsziels ist, kann in der Tat bezweifelt werden.
Fakt ist jedenfalls, dass die Stiftung ein praxiserprobter Rechtsträger zur Umsetzung ganz unterschiedlicher Konzepte ist. Warum sie nicht auch zur Gestaltung der im Zusammenhang mit der GmbH mit gebundenem Vermögen diskutierten Fragestellungen herangezogen werden können sollte, erschließt sich nicht.
Ob es daher tatsächlich notwendig ist, „der Palette des Gesellschaftsrechts eine weitere Farbe“ hinzuzufügen (Sander/Dauner-Lieb/Kempny/Möslein/Veil, GmbHR 2021, 285, 290), darf hinterfragt werden.
Weiterführender Hinweis
- Mehr zu dem Gesetzentwurf und ihren Verfassern erfahren Sie unter https://www.gesellschaft-mit-gebundenem-vermoegen.de