· Fachbeitrag · Immobilienrecht
Das Grundbuch lesen und verstehen
von RA Dr. Jochen Blöse, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, MBA, Mediator (CfM), Köln
| Das Grundbuch ist ein amtliches öffentliches Verzeichnis von Grundstücken, in dem die Eigentumsverhältnisse, das Grundstück betreffende Rechte und bestehende Belastungen erfasst werden. Zuständig für die Führung der Grundbücher sind die Amtsgerichte, in deren Bezirk die ins Grundbuch einzutragenden Grundstücke liegen. Wesentliche Rechtsgrundlage ist die Grundbuchordnung. |
1. Grundsätzlicher Aufbau einer Grundbucheintragung
Eine Grundbucheintragung, d.h. ein sogenanntes Grundbuchbuchblatt, besteht aus einem Deckblatt, dem Bestandsverzeichnis sowie den eigentlichen Eintragungen, die sich je nach Inhalt in den drei verschiedenen Abteilungen des Grundbuchs finden. Das Deckblatt enthält die Bezeichnung des Amtsgerichts, bei dem das Grundbuch geführt wird, die Mitteilung, um welches konkrete Grundbuch es sich handelt, also die regionale Eingrenzung innerhalb des Amtsgerichtsbezirks und schließlich die Blatt-Nummer. Dem Deckblatt folgt ein Bestandsverzeichnis. Diesem schließen sich drei Abteilungen an.
1.1 Bestandsverzeichnis
Die ersten eigentlichen Eintragungen finden sich gleich hinter dem Deckblatt, im sogenannten Bestandsverzeichnis. Ein Muster hierfür findet sich in der folgenden Abbildung:
In der ersten Spalte des Bestandsverzeichnisses ist die nummerisch aufsteigende Nummer genannt, die jedem einzelnen Grundstück, das in einem Grundstückblatt verzeichnet ist, zugewiesen wird. In der zweiten Spalte werden die bisherigen laufenden Nummern benannt. Hintergrund ist, dass die Möglichkeit besteht, dass sich eine Veränderung der eingetragenen Grundstücke, z.B. durch Zusammenlegung ergibt. Das durch eine Zusammenlegung entstandene neue Grundstück erhält eine eigene laufende Nummer in Spalte 1, während die laufenden Nummern der bisherigen Grundstücke in Spalte 2 angegeben werden.
Die dritte Spalte des Bestandsverzeichnisses gliedert sich in eine Reihe von Unterspalten. Unter a wird die Gemarkung, d.h. der Vermessungsbezirk angegeben, in dem das Grundstück liegt. In Spalte b wird die konkrete Lage innerhalb der Gemarkung angegeben. Die Vermessungsbezirke sind in Flure und diese wiederum in Flurstücke unterteilt. Die Nummer der Flur und die Nummer des Flurstücks sind in der Spalte 3 b im Bestandsverzeichnis genannt. In der Spalte c/d finden sich ggf. Angaben zum Liegenschaftsbuch. Das sogenannte automatisierte Liegenschaftsbuch stellt die Fortführung des früheren Katasterbuches dar und enthält dessen Inhalt in digitalisierter Form.
Die letzte Unterspalte der Spalte 3, die Spalte e, beschreibt schließlich die sogenannte Wirtschaftsart und die Lage des Grundstücks. Unter Wirtschaftsart versteht man die Nutzung des Grundstücks. Die häufige Eintragung „Hof- und Gebäudefläche“ bedeutet, dass das Grundstück bebaut ist und neben der Bebauung Freiflächen bestehen. Insofern gleichbedeutend ist auch die ebenfalls häufig anzutreffende Eintragung „Gebäude- und Freifläche“. Unter Lage ist schließlich die postalische Anschrift des Grundstücks zu verstehen.
Die abschließende vierte Spalte des Bestandsverzeichnisses dient der Angabe der Größe des Grundstücks. Diese erfolgt in Hektar, Ar und Quadratmeter. Sowohl für das Bestandsverzeichnis als auch für sämtliche anderen Eintragungen im Grundbuch gilt, dass die Löschung einer Eintragung dadurch kenntlich gemacht wird, dass der fragliche Eintrag unterstrichen wird. Diese Unterstreichungen wurden in den händisch geführten Grundbüchern in roter Farbe vorgenommen. Im elektronisch geführten Grundbuch werden die Unterstreichungen regelmäßig schwarz dargestellt. So erklärt sich die Formulierung auf dem Deckblatt „in dem Blatt enthaltene Rötungen sind schwarz sichtbar“.
1.2 Abteilung I
In Abteilung I des Grundbuchs finden sich die Angaben über die Eigentumsverhältnisse. Auch in Abteilung I wird in der ersten Spalte die laufende Nummer der jeweiligen Eintragung wiedergegeben. In der Spalte 2 wird dann der Eigentümer bezeichnet. In Spalte 3 werden die Grundstücke, auf die sich die Eigentümerstellung der in Spalte 2 benannten Person bezieht, mit ihrer laufenden Nummer aus dem Bestandsverzeichnis eingetragen. Spalte 4 gibt schließlich an, auf welcher Grundlage die Eintragung erfolgte. Der häufigste Vermerk in dieser Spalte lautet „aufgrund Auflassung vom: ...“. Bei der Auflassung handelt es sich nach § 925 BGB um die sogenannte dingliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers eines Grundstücks über die Übereignung des Grundstücks. Die nachfolgende Abbildung zeigt typische Eintragungen in Abteilung I:
1.3 Abteilung II
In Abteilung II des Grundbuchs werden Lasten, Verfügungsbeschränkungen sowie Vormerkungen und Widersprüche eingetragen. Die Eintragungen, die hier vorzunehmen sind, sind sehr vielfältig. Es handelt sich im Einzelnen um: Dienstbarkeiten, Reallasten, Vermerke, Vormerkungen, Vorkaufsrechte, Widersprüche, Rangänderungen/Rangvorbehalte, Erbbaurecht. Einige der möglichen Eintragungen finden sich in der folgenden Abbildung:
Die Eintragung zur laufenden Nr. 1 ist eine sogenannte Grunddienstbarkeit i.S. der §§ 1018 ff. BGB. Grunddienstbarkeiten zeichnen sich durch ihre Objektbezogenheit, ihre Vererblichkeit und ihre Veräußerbarkeit aus. Sie gelten zulasten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks.
Hinweis | Häufige Beispiele sind Wege- und Leitungsrechte, Gewerbeverbote - ein solches findet sich unter der laufenden Nr. 1 der vorstehenden Abbildung - sowie die Übernahme von baurechtlichen Abstandsflächen.
Ebenfalls einzutragen sind die sogenannten beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten nach den §§ 1090 ff. BGB. Sie unterscheiden sich von den Grunddienstbarkeiten dadurch, dass sie personenbezogen und nicht vererblich oder veräußerbar sind. Zu nennen sind hier Wohnungs- und Nutzungsrechte.
Eine Dienstbarkeit stellt schließlich auch der Nießbrauch nach §§ 1030 ff. BGB dar. Es handelt sich dabei um eine persönliche Dienstbarkeit besonderer Art, durch die - sehr vereinfacht gesagt - der Nießbrauchberechtigte eine Rechtsstellung beinahe wie ein Eigentümer erhält. D.h., er ist zum Besitz der Sache berechtigt und kann die Nutzungen ziehen, z.B. das Grundstück vermieten. Umgekehrt hat er aber auch die Verpflichtung, die mit dem Nießbrauch belastete Sache zu erhalten und die auf ihr ruhenden öffentlichen Lasten zu tragen.
In Abteilung II einzutragen sind weiter die Reallasten. Diese sind weiter zu differenzieren in einerseits die dingliche und andererseits die persönliche Reallast. Eine dingliche Reallast kann z.B. in der Verpflichtung zur Deckung der Kosten für Lieferung von Wasser, Strom, Gas, Wärme usw. bestehen. Eine persönliche Reallast kann z.B. in der Erbringung von Pflegeleistungen oder der Zahlung einer Leibrente liegen.
Auch Vermerke sind in Abteilung II aufzunehmen. Als besonders wichtige Eintragungen dieser Art sind zu nennen der Testamentsvollstreckervermerk, der Zwangsvollstreckungsvermerk und der Insolvenzvermerk.
Ebenfalls in Abteilung II finden sich die Vormerkungen. Als Vormerkung bezeichnet man den Hinweis auf eine zukünftige Rechtsänderung, also z. B. die Auflassungsvormerkung, die auf den zukünftigen Eigentumsübergang hinweist, und die Löschungsvormerkung, die eine zukünftige Änderung der Eintragungen in den Abteilungen II und III ankündigt. Nicht zu verwechseln mit der Vormerkung ist der Widerspruch, der sich darauf bezieht, dass eine Person, die Rechte an dem Grundstück behauptet, die Richtigkeit des Grundstückes anzweifelt.
PRAXISHINWEIS | Zur Abgrenzung von Vormerkung und Widerspruch gilt der folgende Merksatz: Die Vormerkung kündigt an, der Widerspruch protestiert. Abschließend soll von den in Abteilung II möglichen Eintragungen das Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff. BGB) genannt werden. |
1.4 Abteilung III
Die Abteilung III des Grundbuchs ist schließlich der Ort, an dem die sogenannten Grundpfandrechte eingetragen werden. Ein Beispiel findet sich in der nachfolgenden Abbildung:
Grundpfandrecht ist der Oberbegriff zu einerseits Hypotheken und andererseits Grundschulden. Beides sind Instrumente mit denen Substanz bzw. die Ertragskraft eines Grundstücks einer Person, dem Grundpfandgläubiger, zur Befriedigung zur Verfügung gestellt werden.
Die große Bedeutung der Grundpfandrechte liegt in ihrer besonderen Eignung als Kreditsicherheit. Der Unterschied zwischen den beiden Arten von Grundpfandrechten liegt in der Akzessorietät, die die Hypothek, nicht aber die Grundschuld betrifft. Akzessorietät bedeutet, dass eine Hypothek untrennbar mit der Forderung, zu deren Besicherung sie eingeräumt wurde, verbunden ist.
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A ist Eigentümer eines Grundstücks und hat zum Zweck der Errichtung eines Gebäudes auf diesem Grundstück ein Darlehen in Höhe von 500.000 EUR aufgenommen. Der Darlehensrückzahlungsanspruch der darlehensgebenden Bank ist durch eine Hypothek auf dem Grundstück besichert. Zahlt A nun das Darlehen vollständig zurück, so erlischt die Hypothek. |
Es gilt jedoch im Grundbuchrecht der Antragsgrundsatz, d.h., prinzipiell werden sämtliche Eintragungen im Grundbuch nur auf Antrag vorgenommen. Wird der Antrag auf Löschung der nach Darlehensrückzahlung nicht mehr existenten Hypothek aber nicht gestellt, so verbleibt diese im Grundbuch. Allerdings handelt es sich dann tatsächlich nicht mehr um eine Hypothek, sondern um eine verdeckte Eigentümergrundschuld.
Grundschuld deshalb, weil eine solche unabhängig von einer zugrunde liegenden, d.h. zu besichernden Forderung, entsteht. Für das vorhergehende Beispiel bedeutet dies, dass auch dann, wenn A das Darlehen vollständig zurückgezahlt hat, die Grundschuld in voller Höhe wirksam bestehen bleibt. Allerdings hat der Grundstückseigentümer bzw. - wenn dieser nicht zugleich Schuldner der besicherten Forderung ist - dieser Schuldner aus der Sicherungsabrede einen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung.
Neben dem Betrag des Grundpfandrechts werden auch regelmäßig Zinsen mit eingetragen. Häufig erstaunt dabei die Höhe dieser Zinsen. Der im Grundbuch eingetragene Zins ist aber nicht etwa mit dem Darlehenszins gleichzusetzen, sondern er dient vielmehr dazu, eine höhere Forderung mit abzusichern; will sagen: Im Falle der Zwangsvollstreckung erhöht der Zins des Grundpfandrechts den Gesamtbetrag, den der Grundpfandgläubiger im Fall einer Zwangsvollstreckung erhält.
Hinweis | Ein Interesse daran, einen solch höheren Betrag zu erhalten, ergibt sich daraus, dass der Darlehensgeber ein über den Darlehensrückzahlungsanspruch als solchen hinausgehendes Risiko mit absichern möchte, das sich z.B. aus den von ihm zunächst aufzubringenden Kosten der zwangsweisen Verwertung des Grundstücks ergibt.
Eine solche Verwertung kann auf zwei Arten erfolgen. Dies sind die Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung. Der Unterschied liegt darin, dass bei der Zwangsverwaltung die Ertragskraft des Grundstücks zur Befriedigung des Gläubigers eingesetzt wird, während bei der Zwangsversteigerung auf die Substanz des Grundstücks zugegriffen wird.
Während der Zwangsverwalter also versucht, durch eine entgeltliche Nutzungsüberlassung des Grundstücks Einkünfte zu erzielen, wird bei der Zwangsversteigerung, die vom zuständigen Amtsgericht durchgeführt wird, die Substanz, d.h. das Eigentum des Grundstücks im Wege der Versteigerung verwertet und der Verwertungserlös dem Gläubiger zur Verfügung gestellt.
2. Einsicht in das Grundbuch
Anders als z.B. beim Handelsregister ist das Grundbuch nicht frei und für jedermann einsehbar. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 BGB ist vielmehr ein berechtigtes Interesse darzulegen. Ein solches kann z.B.
- für den Darlehensgeber des Eigentümers bestehen, wenn das Darlehen im vorstehend genannten Sinne grundpfandrechtlich abgesichert werden soll,
- für den Gläubiger, der gegen den Grundstückseigentümer eine durchsetzbare Forderung hat, hinsichtlich derer er in das Grundstück vollstrecken möchte,
- aber auch für den Grundstücksangrenzer, der ermitteln möchte, wer Eigentümer des Nachbargrundstücks ist.