· Fachbeitrag · Zuwendungen und ihre Grenzen
Geschenke, Geschäftsessen und Co. - Die Gratwanderung der Bestechlichkeit
von RA Dr. Björn Demuth und RA Dr. Daniel Kaiser, beide CMS Deutschland
| Unter Geschäftsleuten ist es auch trotz der heute häufig sehr strengen Compliance-Vorgaben durchaus noch üblich, kleine Freundschafts-Geschenke zu machen und Einladungen zu Geschäftsessen oder Events auszusprechen. Das schafft eine positive Grundstimmung für Geschäftsabschlüsse. Nur wo persönliches Vertrauen und Wertschätzung besteht, kann erfolgreiche Zusammenarbeit gedeihen. Hier gibt es aber auch Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Übermäßige oder gar heimlich gewährte Zuwendungen können nämlich strafbar sein. |
1. Hintergrund
Gerade in der Weihnachtszeit stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Zuwendungen gemacht werden können. Bei der Zuwendung zu üppiger Geschenke oder Geschäftsessen drohen sowohl strafrechtliche als auch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Für den zuwendenden und den empfangenden Arbeitnehmer besteht die Gefahr, sich wegen Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB) strafbar zu machen und vom Arbeitgeber gekündigt zu werden. Das gleiche Risiko besteht für den Geschäftspartner. Ein besonders großes Strafbarkeitsrisiko besteht bei Zuwendungen an Amtsträger (§§ 331 ff. StGB).
2. Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr
Für den rein geschäftlichen Bereich - also ohne Beteiligung eines Amtsträgers - richtet sich die Frage des Vorliegens einer Bestechung oder einer Bestechlichkeit nach § 299 StGB. Danach macht sich strafbar, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Geschützt wird damit in erster Linie der freie Wettbewerb.
Seit einer Gesetzesänderung im November 2015 schützt § 299 StGB nunmehr auch das Vermögen des Geschäftsherren (sogenanntes Geschäftsherrenmodell). Strafbar macht sich nun nämlich auch, wer ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, damit er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornimmt oder unterlässt und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt. Damit werden auch Vorteilsnahmen erfasst, die zwar nicht einen Mitbewerber schädigen, wohl aber das Unternehmen selbst. Beispielsweise wäre es unter Umständen strafbar, wenn ein Bankangestellter aufgrund einer Schenkung die Bonitätsprüfung im Zusammenhang mit einer Darlehensbewertung nicht pflichtgemäß durchführt.
Täter kann jeder Angestellte oder Beauftragte des Unternehmens sein. Erfasst sind auch Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, nicht aber der Betriebsinhaber selbst, also ein eingetragener Kaufmann.
Vorteile sind nicht nur Geldbeträge, sondern jegliche Vorteile, zum Beispiel auch Gegenstände, Dienstleistungen oder die Möglichkeit, dass etwa Kinder einen Praktikumsplatz erlangen sollen. Bereits der böse Anschein soll unterbunden werden, wobei die Heimlichkeit der Zuwendung nur ein Indiz für die Unzulässigkeit darstellt. Letztendlich entscheidend ist, dass der Begünstigte auf die Zuwendung keinen Rechtsanspruch hat, somit dessen Zuwendung die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers objektiv verbessert. Eine Wertgrenze gibt es insoweit nicht. Vielmehr muss die Gegenleistung entweder für die Bevorzugung oder eine Handlungsvornahme bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen gewährt werden (sogenannte Unrechtsvereinbarung). Gerade an diesem Merkmal scheitern die Gelegenheitsgeschenke und Aufmerksamkeiten, die in der bloßen Absicht erbracht werden, die geschäftlichen Kontakte zu pflegen. Erfolgt eine Zuwendung aber in zeitlicher Nähe zu einem Geschäftsabschluss oder im Anschluss daran, ist unter Umständen bereits ein böser Schein gesetzt und eine strafrechtliche Verfolgung nicht fernliegend.
3. Sozialadäquanz - Bestimmung von Wertgrenzen
Richtern und dem Gesetzgeber ist jedoch bewusst, dass nicht jede Zuwendung strafbar sein kann. Zulässig sind deshalb Zuwendungen, die dem sozial Üblichen entsprechen, also sozialadäquat sind. Darunter fallen Zuwendungen, die lediglich dem allgemeinen Wohlwollen des Gegenübers dienen oder kleinere Aufmerksamkeiten darstellen und von ihrer Bedeutung nicht dazu geeignet erscheinen, eine Gegenleistung für zukünftige oder erbrachte unlautere Bevorzugungen des Schenkers darzustellen.
Beachten Sie | Solche „unbedenklichen Geschenke“ werden anerkannt, wenn diese der Höflichkeit oder Gefälligkeit entsprechen und nicht der Eindruck entsteht, dass die Annahme des Geschenks zu einer Verpflichtung oder Beeinflussung der Dienstpflichten führt.
Starre Grenzen finden sich hierzu nicht. Abzustellen ist auf die konkrete Position des Empfängers. So kann bei einer Aufmerksamkeit in Höhe von 50 EUR an einen einfachen Angestellten mit einem Monatseinkommen von 2.000 EUR eine Beeinflussung gegeben sein, während ein „Geschenk“ von 500 EUR an ein Dax-Vorstandsmitglied noch unbedenklich sein kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Angestellte in einer Position ist, in der er auf die Entscheidungen über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen Einfluss zu nehmen vermag und ob gerade konkrete Geschäftsaufträge im Raume stehen.
Der Eindruck einer Bestechlichkeit kann dann entstehen, wenn der begünstigte Angestellte durch die Annahme des Geschenks aus dem Blickwinkel eines objektiven Betrachters in einen Interessenkonflikt geraten oder seine Urteilsfähigkeit beeinträchtigt werden kann. Zudem ist zu fragen, ob der Leistende die Schenkung auch dann vorgenommen hätte, wenn er die Aufwendung aus eigenen finanziellen Mitteln hätte aufbringen müssen. Indiz für die Üblichkeit kann auch sein, dass das Geschenk in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Empfängers steht. Wird beispielsweise ein teures Fachbuch zugewendet, das berufstypisches Know-how vermittelt, ist eine Bestechungswirkung eher fernliegend, während Zuwendungen für den rein privaten Bereich immer kritisch zu hinterfragen sind.
Auch wenn es keine klare gesetzliche Größenordnung gibt, ab welchem Wert Geschenke oder Incentives wie Geschäftsessen oder Einladungen bedenklich werden, so leistet doch das Einkommensteuerrecht eine gewisse Hilfestellung. Danach sind Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, bis zu einer Höhe von (üblicherweise netto) 35 EUR abzugsfähig. Unterstellt man nun, dass die Summe aller nationalen Gesetze eine Einheit bildet (sogenannter Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung), kann daraus geschlossen werden, dass der Gesetzgeber Zuwendungen bis netto 35 EUR noch für akzeptabel erachtet. Das Gleiche sollte daher auch im Strafrecht gelten. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass Beträge ab 36 EUR zwingend strafwürdiges Verhalten darstellen. Jedoch ist bei höheren Zuwendungen eine kritischere Betrachtung zu empfehlen.
Auch wenn die Heimlichkeit der Zuwendung keine gesetzliche Voraussetzung ist, so gelten Bestechungsdelikte doch als heimliche Taten. Deshalb ist sowohl der Geber- als auch der Nehmerseite zu empfehlen, Zuwendungen stets mit der Geschäftsführung oder der Compliance-Abteilung abzustimmen und entsprechend gewährte oder empfangene Zuwendungen zu melden. Viele große Unternehmen haben zur Vermeidung von Unklarheiten bereits klare Compliance-Regelungen im Betrieb aufgestellt. Diese sollten vor jeder Annahme geprüft werden. Ein Verstoß hiergegen spielt für die arbeitsrechtlichen Konsequenzen in jedem Fall eine Rolle, auch wenn keine Strafbarkeit begründet würde.
4. Zuwendungen an Amtsträger
Noch strenger ist das Gesetz bei Zuwendungen an Amtsträger. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Wegen Vorteilsnahme wird ein Amtsträger, ein europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter bestraft, wenn er für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt (§ 331 StGB). Ein Wettbewerbsvorteil ist hier nicht Voraussetzung. Geschützt wird insbesondere das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Nichtkäuflichkeit von Diensthandlungen und die Sachlichkeit von Entscheidungen der Amtsträger. Deshalb ist anzuraten, Amtsträgern oder Bediensteten in öffentlichen Unternehmen überhaupt keine Geschenke zuzuwenden, allenfalls nach Abstimmung mit dessen Vorgesetzten.
FAZIT | Gegen die gängige Praxis, kleinere Geschenke zu bestimmten Anlässen zu machen, ist aus strafrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Um bereits den Anschein einer etwaigen Bestechung oder Bestechlichkeit zu vermeiden, sollten sich Angestellte auf Geber- wie auf Nehmerseite aber an der steuerlichen Wertgrenze von 35 EUR und den unternehmensinternen Compliance-Regelungen orientieren. |