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  • · Fachbeitrag · Vermögensberatung

    Rente aus dem Versorgungswerk: So lassen sich Ein- und Auszahlungen optimieren

    von Dipl.-FinW. Marvin Gummels, Hage

    | Die Angehörigen eines berufsständischen Versorgungswerks haben an dieses monatliche Beiträge zu entrichten. Im Gegenzug erhalten sie später eine lebenslange Rente. Dabei lässt sich in der Ein- bzw. Auszahlungsphase sparen und gestaltend eingreifen. |

    1. Einzahlungsphase: Grundsätze zum Sonderausgabenabzug

    Die an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlten Beiträge für die spätere Versorgungsrente lassen sich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Sonderausgabe von der Einkommensteuer absetzen. Während bis einschließlich 2022 gemäß § 10 Abs. 3 EStG nur ein anteiliger Abzug möglich war (im Jahr 2022 z. B. nur 94 % der geleisteten Beiträge), lassen sich seit dem Jahr 2023 die Beiträge zu 100 % absetzen. Es ist lediglich ein Höchstbetrag zu beachten. Dieser liegt im Jahr 2023 bei 26.528 EUR. Bei Ehegatten verdoppelt sich der Betrag. Belaufen sich die geleisteten Beiträge inklusive etwaiger freiwillig geleisteter Sonderzahlungen auf einen höheren Betrag, führen alle den Höchstbetrag übersteigenden Zahlungen zu keiner steuerlichen Entlastung.

     

    • Beispiel

    Ein Steuerberater hat im Jahr 2023 an das berufsständische Versorgungswerk einen Regelpflichtbeitrag i. H. v. monatlich 1.358 EUR zu zahlen.

     

    Lösung: Der gezahlte Gesamtbetrag beläuft sich auf 16.296 EUR. Dieser lässt sich in voller Höhe von der Einkommensteuer absetzen, da der Höchstbetrag nicht überschritten wird. Bei einem Grenzsteuersatz von 42 % spart das etwa 6.845 EUR an Einkommensteuern zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuern.

     

    Beachten Sie | Auch Arbeitnehmer können einem berufsständischen Versorgungswerk angehören. Diese entrichten effektiv aber nur 50 % der Beiträge, da die andere Hälfte vom Arbeitgeber getragen wird. Als Sonderausgabe ist grundsätzlich der geleistete Gesamtbeitrag abzugsfähig. Die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse mindern jedoch den Sonderausgabenabzug. Zudem ist hinsichtlich der konkreten Beitragszahlung zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer beim berufsständischen Versorgungswerk als Firmen- oder Selbstzahler geführt wird.

     

    Die meisten berufsständischen Versorgungswerke bieten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, neben den als Sonderausgabe abzugsfähigen Pflichtbeiträgen auch freiwillige Sonderzahlungen zu leisten. Begrifflich werden diese zwar z. T. unterschiedlich benannt ‒ bei Steuerberatern als „Zusatzbeitrag“ ‒, aber den Hintergrund zur Zahlung haben alle gemeinsam: Das Mitglied zahlt über den Pflichtbeitrag hinaus weitere Beiträge an das Versorgungswerk, um damit die später erwartete Versorgungsrente zu erhöhen. Durch die Sonderzahlung kann folglich die (meist nicht zu verachtende!) Rendite beim berufsständischen Versorgungswerk genutzt werden, um die spätere Absicherung im Alter zu gewährleisten und zu optimieren. Und die freiwilligen Zahlungen haben noch einen weiteren Vorteil: Sie lassen sich ebenso wie die geleisteten Pflichtbeiträge bis zum Höchstbetrag als Sonderausgabe von der Einkommensteuer absetzen.

     

    • Beispiel

    Ein lediger Steuerberater erzielt ein z. v. E. von 100.000 EUR. Er leistet im Jahr 2023 einen Zusatzbeitrag von 10.000 EUR an das Versorgungswerk.

     

    Lösung: Da der Zusatzbeitrag in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig ist, mindert sich das z. v. E. um 10.000 EUR. Das führt zu einer Steuerersparnis von 4.700 EUR (ESt und Soli). Effektiv kostet die Sonderzahlung damit nur 5.300 EUR.

     

    Beachten Sie | Wurde zur Finanzierung der Sonderzahlung ein Darlehen aufgenommen, stellen die gezahlten Darlehenszinsen vorweggenommene Werbungskosten für die spätere Versorgungsrente da. Die Zinsen können deshalb sofort und in voller Höhe geltend gemacht werden (als negative sonstige Renteneinkünfte). Dass die spätere Versorgungsrente z. T. steuerfrei ist, ändert nichts an dem unbeschränkten Abzug (FG Niedersachsen 24.7.13, 9 K 134/12, Abruf-Nr. 133569).

     

    Da sich die freiwillige Sonderzahlung unmittelbar auf die Höhe der Besteuerung des Zahlungsjahrs zum individuellen Grenzsteuersatz auswirkt, bietet es sich auch an, die Sonderzahlung zur Steuergestaltung zu nutzen:

     

    • So kann beispielsweise in einem besonders guten Jahr mit hohem Gewinn „gegengesteuert“ und die Steuerbelastung erheblich reduziert werden.

     

    • Zudem lassen sich insbesondere dann hohe Steuervorteile erzielen, wenn das zu versteuernde Einkommen nahezu ausschließlich aus Einkünften besteht, die der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG unterliegen (Fünftel-Regelung, z. B. Gewinn aus Betriebsveräußerung). Im Extremfall kann es sogar dazu kommen, dass die Sonderzahlung effektiv kostenlos ist, weil die damit generierten Steuererstattungsansprüche höher als die geleistete Sonderzahlung ausfallen.

     

    • Beispiel

    Ein alleinstehender Steuerberater hat zum 2.1.23 seine Kanzlei mit einem Gewinn von 150.000 EUR (nach Abzug des Freibetrags i. S. d. § 16 Abs. 4 EStG) veräußert. Er wendet die Fünftel-Regelung an. Das normal zu versteuernde Einkommen beträgt 25.000 EUR (Versorgungsrente und Mieteinkünfte). Beiträge ans berufsständische Versorgungswerk hat er 2023 nicht gezahlt.

     

    Lösung: Die Einkommensteuer für 2023 beläuft sich auf 53.100 EUR.

    Abwandlung

    Der Steuerberater leistet im Jahr 2023 einen Zusatzbeitrag an sein Versorgungswerk i. H. v.

    • a) 10.000 EUR
    • b) 25.000 EUR.

     

    Lösung a): Die Einkommensteuer für 2023 reduziert sich auf 43.741 EUR. Damit kostet der Zusatzbeitrag für die höhere Rente effektiv nur noch 641 EUR.

     

    Lösung b): Die Einkommensteuer für 2023 reduziert sich auf 23.500 EUR. Damit kostet der Zusatzbeitrag für die höhere Rente effektiv überhaupt nichts ‒ vielmehr gibt das FA dem Steuerberater noch 4.600 EUR dazu (Steuer bisher 53.100 EUR ‒ Steuer neu 23.500 EUR ‒ Zusatzbeitrag 25.000 EUR).

     

    2. Auszahlungsphase: Grundsätze zur Rentenversteuerung

    Wird im Anschluss an die Einzahlungsphase von dem berufsständischen Versorgungswerk eine Rente gezahlt, handelt es sich um sonstige Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Von dem Bruttobetrag der Rente ist ein steuerfrei bleibender Anteil abzuziehen. Wie hoch dieser ist, richtet sich nach dem Jahr des Rentenbeginns:

     

    Übersicht / Staffelung des Besteuerungsanteils

    Jahr des Rentenbeginns
    Steuerpflichtiger Anteil
    Steuerfreier Anteil

    2021

    81 %

    19 %

    2022

    82 %

    18 %

    2023

    83 %

    17 %

    2024

    84 %

    16 %

    2025

    85 %

    15 %

     

    Beachten Sie | Das Wachstumschancengesetz sieht vor, dass ab dem Jahr 2023 der Anstieg des Besteuerungsanteils auf einen halben Prozentpunkt jährlich reduziert wird. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2023 soll der Besteuerungsanteil deshalb anstelle von 83 nur 82,5 % betragen und erst bei einem Rentenbeginn im Jahr 2058 sind 100 % der Rente steuerpflichtig.

     

    Bemessungsgrundlage für den steuerfreien Anteil der Rente ist der Jahresbetrag der Rente. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. Regelmäßige Anpassungen der Rentenhöhe (z. B. jährliche Rentenerhöhungen) führen nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Anteils. Von dem nach Abzug des steuerfreien Anteils verbleibenden Rentenbetrag sind dann die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abzuziehen. Der verbleibende Betrag unterliegt der Besteuerung.

     

    Beachten Sie | Macht der Rentner keine tatsächlich entstandenen Werbungskosten geltend, wird vom FA ein Pauschbetrag von 102 EUR abgezogen (§ 9a Nr. 3 EStG).

     

    • Beispiel

    Ein Steuerberater bezieht seit Januar 2022 vom Versorgungswerk seine Rente. Diese beträgt monatlich 2.500 EUR bzw. im Jahr 2023 genau 30.000 EUR.

     

    Lösung: Bei einem Renteneintritt im Jahr 2022 beträgt der steuerfreie Anteil der Rente 18 %. Bemessungsgrundlage ist der Jahresbetrag der Rente im Jahr 2023, folglich 30.000 EUR. Deshalb bleiben für den Rentner im Jahr 2023 (und in allen Folgejahren) 5.400 EUR der Rente steuerfrei (30.000 EUR × 18 %). Im Jahr 2023 unterliegen damit Renteneinkünfte von 24.498 EUR der Besteuerung (30.000 EUR Einnahmen ‒ 5.400 EUR steuerfrei ‒ 102 EUR Werbungskosten).

     

    2.1 Früher in Rente ‒ mit Abschlägen möglich

    Wann genau das einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehörige Mitglied in Rente gehen kann, richtet sich nach vielen Faktoren. Einerseits spielen oft das individuelle Alter und die Zeiten der Zugehörigkeit zur berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Rolle, andererseits die individuellen Regelungen der jeweiligen Versorgungseinrichtung. Sollte der sich danach ergebende individuelle Rentenbeginn dem Mitglied zu spät erscheinen, gibt es in den meisten berufsständischen Versorgungseinrichtungen aber auch die Möglichkeit, einen früheren Versorgungsbezug zu wählen. Dieser hat allerdings seinen Preis, denn für jeden früheren Monat des Versorgungsbeginns kürzt die berufsständische Versorgungseinrichtung die lebenslang gezahlte Rente. Wie hoch die Kürzung ausfällt, hängt wieder mit den Regelungen bzw. Satzungen der jeweiligen Versorgungseinrichtung zusammen. Diese orientieren sich nämlich nicht unbedingt an den Kürzungen der Deutschen Rentenversicherung Bund bei einer früheren Altersrente für normale Arbeitnehmer von 0,3 % pro Monat, sondern können auch höher oder niedriger ausfallen.

     

    Allerdings bietet der frühere Versorgungsbeginn auch Vorteile. So kann das Mitglied einerseits früher in Rente gehen und erhält bereits früher die Versorgungsrente. Andererseits kann der frühere Versorgungsbezug im Extremfall dazu führen, dass von der (gekürzten) Versorgungsrente ein höherer Anteil steuerfrei bleibt und so die Nettorente steigt ‒ obwohl die Bruttorente fällt.

     

    • Beispiel

    Ein Steuerberater könnte ab Januar 2024 seine Versorgungsrente von monatlich 2.500,00 EUR beziehen. Er entscheidet sich aber für einen früheren Versorgungsbeginn ab Dezember 2023. Die Versorgungsrente wird deshalb um 0,3 % auf 2.492,50 EUR gekürzt.

     

    Lösung: Grundsätzlich hätte der Steuerberater eine jährliche Versorgungsrente von 30.000 EUR bezogen. Von dieser wären 84 % steuerpflichtig ‒ nach Abzug der Werbungskostenpauschale von 102 EUR also 25.098 EUR. Bei einer Steuerbelastung von 35 % blieben deshalb netto effektiv 21.215 EUR übrig. Durch den früheren Versorgungsbeginn reduziert sich die Jahresrente auf 29.910 EUR. Dafür unterliegen nur 83 % der Besteuerung, d. h. 24.825 EUR bzw. nach Abzug der Werbungskostenpauschale 24.723 EUR. Bei einer Steuerbelastung von 35 % bleiben nun effektiv 21.256 EUR übrig. Der Rentner erhält durch den früheren Versorgungsbezug zwar eine geringere Bruttorente, aber effektiv pro Jahr 41 EUR netto mehr und einmalig die Rente für Dezember 2023.

     

    Beachten Sie | Möchte der Versorgungsbeziehende die Rente mehrere Monate oder Jahre früher als regulär beziehen, dann wird sich i. d. R. nicht nur eine geringere Bruttorente, sondern auch eine geringere Nettorente ergeben. Dieser Nachteil kann jedoch dadurch ausgeglichen werden, dass vor dem Versorgungsbeginn freiwillige Zusatzbeiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt werden (siehe Einzahlungsphase).

     

    2.2 Aufgeschobener Rentenbeginn

    Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung haben regelmäßig neben dem früheren Rentenbeginn auch die Möglichkeit, über den normalen Rentenbeginn hinaus weiterzuarbeiten und erst zu einem späteren Zeitpunkt die Versorgungsrente zu beziehen. Der Vorteil ist: Einerseits werden weiterhin laufende Einkünfte aus der weiteren Erwerbstätigkeit generiert, andererseits steigt die erst später beginnende Versorgungsrente stark an, da die berufsständischen Versorgungseinrichtungen den späteren Rentenbeginn erheblich honorieren. Diese können nämlich das vorhandene Kapital weiterhin gewinnbringend anlegen und gleichzeitig die Rente für den Zeitraum einsparen, für den der Versorgungsbeginn hinausgeschoben wird.

     

    Das Problem bei einer aufgeschobenen Versorgungsrente ist: Der steuerfreie prozentuale Anteil der Rente richtet sich ‒ so der BFH (31.8.22, X R 29/20, Abruf-Nr. 232572) ‒ nach dem Jahr des Versorgungsbeginns. Wird der Versorgungsbeginn durch das Mitglied beispielsweise vom Jahr 2023 in das Jahr 2026 verschoben, dann bleiben von der ab 2026 gezahlten (und erheblich höheren) Rente nicht mehr 17 % (Versorgungsbeginn 2023), sondern nur 14 % (Beginn 2026) steuerfrei.

     

    Mit dieser Besteuerungssystematik ist ein Freiberufler mit Blick auf seine hinausgeschobene Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk nicht einverstanden. Er hat gegen das Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2212/22) erhoben. Nach Ansicht des Klägers ist der steuerfreie Prozentsatz der Rente nach dem Jahr zu bemessen, in dem die für die Auszahlung maßgebende Altersgrenze erreicht wurde. Ein Abstellen auf das Jahr des Beginns der Rentenzahlung sei nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Wurden die Voraussetzungen für den Versorgungsbeginn also bereits 2023 erfüllt und wird der tatsächliche Versorgungsbeginn auf Wunsch des Mitglieds in das Jahr 2026 hinausgeschoben, dann ist ‒ trotz des Versorgungsbeginns im Jahr 2026 ‒ der im Jahr 2023 geltende steuerfreie Anteil von 17 % zu berücksichtigen.

     

    PRAXISTIPP | Versorgungsbeziehende, die den Versorgungsbeginn über das Erreichen der Altersgrenze hinaus aufgeschoben haben, sollten gegen die belastenden Einkommensteuerbescheide vorgehen und mit Verweis auf das Verfahren beim BVerfG Einspruch einlegen. Denn die finanziellen Vorteile bei einer positiven Entscheidung des BVerfG sind ‒ bezogen auf die Laufzeit der Versorgungsrente ‒ enorm. Zudem ist das Einspruchsverfahren kostenlos. Dieses ruht gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO kraft Gesetzes, sodass sich die Betroffenen nach erfolgter Einspruchseinlegung entspannt zurücklehnen und den Ausgang des Musterprozesses abwarten können.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 349 | ID 49757066