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12.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202288

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 20.04.2018 – 11 Sa 45/17

1. Die Möglichkeit eines Geschehensablaufs reicht im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht aus, sofern sie sich nicht derart verfestigt, dass von einem dringenden Verdacht die Rede sein kann.

2. Die den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründenden Vorwürfe müssen dem Beschäftigten mitgeteilt werden, damit er sich mit diesen konkret auseinandersetzen und seine Sicht der Dinge schildern kann.


In der Rechtssache
- Beklagter/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Klägerin/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer - durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. Böckenförde-Wunderlich, den ehrenamtlichen Richter Hafner und den ehrenamtlichen Richter Wolf auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2018
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - vom 12. Juli 2017, Az. 9 Ca 241/16, wird zurückgewiesen.


2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.


3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung des Beklagten vom 12. Dezember 2016 sowie eine weitere fristlose Kündigung mit notwendiger Auslauffrist vom 12. Dezember 2016 und ein gegenüber der Klägerin ausgesprochenes Hausverbot.



Daneben steht ein von dem Beklagten in der Berufungsinstanz gestellter Auflösungsantrag zur Überprüfung.



Die 48 Jahre alte, getrenntlebende Klägerin ist Mutter einer erwachsenen und einer minderjährigen Tochter und seit dem 1. Januar 2002 beim Beklagten zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.104,00 Euro beschäftigt. Bereits in den Jahren 1991 bis 1996 war die Klägerin bei dem Beklagten als Hilfs- und später Fachkraft tätig gewesen. Im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses arbeitete sie zunächst als Stationsleiterin und seit dem 1. Januar 2015 als Heimleiterin.



Die Klägerin fällt unter den tariflichen Sonderkündigungsschutz des § 34 Abs. 2 TVöD, da sie bereits mehr als 15 Jahre bei dem Beklagten tätig und über 40 Jahre alt ist.



Der Beklagte ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts und betreibt das Alten- und Pflegeheim "H. Spital" mit rund 170 Bewohnern sowie die Wohnanlage "W." mit rund 60 Bewohnern in V.. Stiftungsratsvorsitzender ist der Oberbürgermeister. Die Personalangelegenheiten des Beklagten werden durch das Haupt- und Personalamt der Stadt V. verwaltet. Hinsichtlich der Kompetenzen und Befugnisse wird auf die Satzung des Beklagten Bezug genommen (vgl. Bl. 280 bis 283 der erstinstanzlichen Akte).



Für die Einlösung von Rezepten für Bewohner des Beklagten gibt es folgende Regelungen:



a) Patienten oder Angehörige können die Rezepte bei einem Versorger ihrer Wahl (meist einer Apotheke) einlösen.



b) Patient oder Angehöriger können bestimmen, bei welchem Arzneimittellieferanten das Rezept eingelöst werden soll. Dies wird seitens des Beklagten dann umgesetzt.



c) Als Serviceleistung wird angeboten, dass mit der in der Nähe des Beklagten befindlichen M.-Apotheke ein Medikamentenversorgungsvertrag abgeschlossen wird und die Medikamente für den jeweiligen Patienten bei dieser eingelöst werden.



Neben der M.-Apotheke haben auch andere Dienstleister wie der bundesweit tätige Arzneimittelkonzern F. die Versorgung des H.-Spitals des Beklagten übernommen.



Die behandelnden Ärzte der jeweiligen Patienten bekommen eine Rezeptanforderung des Beklagten. Durch die Ärzte erfolgt gegebenenfalls eine Rezeptübersendung, welche dann nach den oben geschilderten Vorgaben eingelöst wird bzw. werden soll.



Als Ergebnis einer Dienstbesprechung im Juni 2015 verfügte die Klägerin, dass alle Rezepte für F.-Produkte ins Pflegedienstleiterfach zu legen seien, ebenso alle Rezepte für Verbandsmaterial für Wunden. Der stellvertretende Pflegedienstleiter sollte diese an den Mitarbeiter H. weiterleiten, da dieser zuständig für die gesamte Abwicklung sei (vgl. Bl. 114 f. der erstinstanzlichen Akte).



Die Mutter der Klägerin war jahrelang bis Ende Juni 2016 bei dem Beklagten als Heimleiterin beschäftigt und daneben für F. tätig.



Mit Formular vom 8. Oktober 2015 zeigte der Mitarbeiter H. gegenüber der Klägerin eine Nebentätigkeit als freier Mitarbeiter bei der F. Deutschland im Außendienst für den Bereich V. und Umkreis sowie einer voraussichtlichen monatlichen Bruttovergütung von 100,00 bis 300,00 Euro an (vgl. Bl. 113 der erstinstanzlichen Akte). Die Klägerin nahm am 12. Oktober 2015 diesbezüglich Stellung und kreuzte auf dem Formular an, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden und gegen die Ausübung der Nebentätigkeit keine Bedenken bestehen. Das Personalamt verfügte am 15. Oktober 2015, dass es sich bei der angezeigten Nebentätigkeit um eine nicht genehmigungspflichtige Tätigkeit handeln würde, Änderungen jedoch anzuzeigen seien.



In einer E-Mail vom 13. September 2016 wurde dem Geschäftsführer des Beklagten mitgeteilt, dass Herr H. seit Oktober 2015 eine Nebentätigkeit für F. ausübt.



Mit E-Mail vom 26. Oktober 2016 forderte der Geschäftsführer des Beklagten die Klägerin auf, zu der Situation auf dem Wohnbereich 1 Stellung zu nehmen (vgl. Bl. 116 der erstinstanzlichen Akte).



Die Klägerin und der Mitarbeiter H. wurden am Morgen des 1. November 2016 im Dienstzimmer des Wohnbereichs 1 angetroffen. Sie waren mit der Sichtung und Aufräumarbeiten verschiedener Ordner beschäftigt.



Die Klägerin wurde für den 28. November 2016 zu einem Besprechungstermin, bei dem neben ihr auch der Stiftungsratsvorsitzende sowie der Geschäftsführer anwesend waren, geladen. In diesem Gespräch wurde sie gebeten, die Postabwicklung im H.-Spital darzulegen. Der Beklagte fertigte einen Aktenvermerk, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist (vgl. Bl. 49 der erstinstanzlichen Akte). Am selben Tag wurde sie zu einem weiteren Gespräch, das der Geschäftsführer des Beklagten mit einer Mitarbeiterin führte, hinzugezogen. Gegenstand des Gesprächs war ebenfalls die Postabwicklung im Heim des Beklagten. Auch diesbezüglich wurde ein Aktenvermerk des Beklagten erstellt (vgl. Bl. 50 der erstinstanzlichen Akte).



Am 30. November 2016 wurde die Klägerin erneut in Anwesenheit von einer weiteren Mitarbeiterin vom Geschäftsführer zum Verbleib von Rezeptanforderungen aus dem Wohnbereich 1 befragt. Daneben wurde sie gebeten mitzuteilen, warum sie am 1. November 2016 bereits sehr früh im H.-Spital gewesen sei und welche Tätigkeiten sie dort verrichtet habe. Auch diesbezüglich fertigte der Beklagte einen Aktenvermerk (vgl. Bl. 58 der Akte).



Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 erteilte der Beklagte der Klägerin ein Hausverbot und stellte sie von ihren Aufgaben frei (vgl. Bl. 14 der erstinstanzlichen Akte).



Mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 wurde der stellvertretenden Personalratsvorsitzenden ein Anhörungsschreiben nebst Anlagen zur außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung übergeben (vgl. Bl. 87 ff. der erstinstanzlichen Akte). Am 9. Dezember 2016 fand eine Personalratssitzung statt.



Am 12. Dezember 2016 gingen der Klägerin die fristlosen Kündigungen des Beklagten vom 12. Dezember 2016, eine hiervon mit notwendiger Auslauffrist, zu.



Mit ihrer am 23. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen sowie die Feststellung, dass das ausgesprochene Hausverbot gegenstandslos ist, begehrt.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, da es an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB fehle. Sie habe nicht wiederholt und grob gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und insbesondere nicht kollusiv mit dem Mitarbeiter H. zum Nachteil der Heimbewohner zusammengearbeitet, um sich Vermögensvorteile zu verschaffen. Weder die Verordnung, Anordnung, Rezeptierung oder Bestellung der Medikamente für die Bewohner noch die Kontrolle der Bestellungen seien ihre Aufgabe gewesen. Daneben habe sie auch keinen Kontakt und keine geschäftliche Beziehungen zur Firma F. gehabt. Mit dem Mitarbeiter H. sei sie nicht näher befreundet und wisse nicht um Vermögensvorteile, die sie diesem habe beschaffen können. Am 1. November 2016 habe sie normal ihre Arbeit begonnen. Unterlagen seien weder von ihr aussortiert noch vernichtet worden. Sie habe an diesem Tag lediglich aufgrund der E-Mail vom 26. Oktober 2016 die Situation abklären wollen. Als sie einen Ordner mit Faxanforderungen gesehen habe, habe sie diesen genommen und angemerkt, dass dieser total voll sei und ausgemistet werden solle. Wer den Ordner mit den Rezeptanforderungen aufgeräumt oder ausgemistet habe, sei ihr nicht bekannt. Das seitens des Beklagten gefertigte Protokoll über das Gespräch vom 28. November 2016 sei nur in Teilen. Zudem sei sie zu keinem Zeitpunkt zu den geäußerten Verdachtsmomenten angehört worden.



Daneben würden hinsichtlich der 2-Wochen-Frist Bedenken bestehen.



Ebenso sei die Personalratsanhörung fehlerhaft. Der Beklagte habe die Kündigung vor Ablauf der 3-Tages-Frist ausgesprochen. Die Frist habe erst am Montag, dem 12. Dezember 2016 geendet. Bereits an diesem Tag habe sie jedoch die Kündigung im Briefkasten vorgefunden. Eine abschließende Stellungnahme seitens des Personalrats habe nicht vorgelegen.



Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 12. Dezember 2016 nicht aufgelöst wurde. 2. Es wird festgestellt, dass das von dem Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene Hausverbot gegenstandslos ist.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 12. Dezember 2016 beendet worden sei, da der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung der Klägerin gegeben sei. Zum einen gehe er davon aus, dass die Klägerin falsche Angaben hinsichtlich der Nebentätigkeit von Herrn H. gemacht habe. Es habe sich nicht um eine sporadische Beratung gehandelt, sondern um eine selbständige Handelsvertretertätigkeit mit dem Ziel, so viele Bestellungen wie möglich zu veranlassen, um das Vertreterhonorar zu maximieren. Daneben habe Herr H. mit ihrem Wissen entgegen der innerbetrieblich bestehenden Weisung, wonach eine Versorgung von Patienten über Arzneimitteldienstleister nur dann zulässig sei, wenn dies vom Patienten gewünscht sei, diese dennoch mit Lieferungen von F. versorgt, obwohl teilweise keine entsprechenden Versorgungsaufträge vorgelegen hätten. Die Klägerin habe Patienten angewiesen, die Rezepte bei ihr abzugeben, obwohl Angehörige der Patienten diese selbst einlösen wollten. Ebenso habe es Rezeptanforderungen gegeben, obwohl eine Indikation mit dem Präparat seitens des Arztes abgelehnt worden sei. Der Mitarbeiter H. habe in Abstimmung mit der Klägerin sämtliche Bestellungen bei F. abgewickelt und es seien mehr Präparate für die Patienten bestellt als tatsächlich gebraucht worden seien. Zudem sei ein gesundheitliches Risiko für die Patienten in Kauf genommen worden, da die Medikamentenbestellung am Pflegedienstleiter vorbei getätigt worden sei.



Daneben bestehe der Verdacht, dass die Klägerin zusammen mit dem Mitarbeiter H. am 1. November 2016 gemeinsam die Rezeptanforderungen für den Dienstleister F. vernichtet habe, um die dargelegten Zusammenhänge zu verschleiern.



Für die genannten Verdachtsmomente gäbe es ausreichende Anhaltspunkte. Zum einen habe es die Klägerin gegenüber dem Pflegedienstleiter abgelehnt, den Anbieter F. trotz wiederholt auftretender Probleme zu wechseln und zudem darauf bestanden, dass dem Mitarbeiter H. ausnahmslos alle Rezepte für Medikamente des Anbieters F. übergeben werden sollten. Hinzu komme, dass die Mutter der Klägerin seit Jahren ebenfalls für den Medizinkonzern F. tätig gewesen sei. Schließlich sei die Klägerin bereits am 1. November 2016 gegen 6.30 Uhr im Stationszimmer des Wohnbereichs 1 angetroffen worden und an diesem Tag seien sämtliche Rezeptanforderungen für Leistungen des Konzerns F. aussortiert worden. Insbesondere der Zeitpunkt der Aussortierung der Rezeptanforderungen sei ungewöhnlich. So würde dies immer zum Jahresende erfolgen. Die Klägerin sei als Heimleiterin für den gesamten Ablauf, also auch für die Abwicklung bei der Anforderung und Einlösung von Rezepten zuständig.



Sie sei am 28. und 30. November 2016 ausreichend zu den Verdachtsmomenten angehört worden.



Nach Ausspruch der Kündigung seien noch weitere Verdachtsmomente bekannt geworden. Dies betreffe zum einen die Nichtbeachtung des Patientenwillens hinsichtlich des Versorgungsweges, zum anderen die beabsichtigte Überversorgung einer Patientin mit dem Präparat Fr..



Die 2-Wochen-Frist sei ebenfalls eingehalten worden, da der Beklagte den Sachverhalt noch habe aufklären müssen. Dabei seien zunächst der Mitarbeiter H. mehrfach angehört sowie Rezepte und Rezeptanforderungen geprüft worden.



Auch die Personalratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere sei die Frist eingehalten worden. Die Frist von drei Arbeitstagen sei bereits am 10. Dezember 2016 abgelaufen. In einem Pflegeheim werde an sieben Tagen in der Woche gearbeitet, so dass der Samstag als Arbeitstag im Sinne des § 87 Abs. 3 LPersVG anzusehen sei. Im Übrigen habe das Personalratsmitglied Herr M. gegenüber dem Geschäftsführer erklärt, dass keine Äußerung zu den beabsichtigten Kündigungen der Klägerin erfolgen würde und das Beteiligungsverfahren für den Personalrat endgültig abgeschlossen sei.



Mit Urteil vom 12. Juli 2017 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen des Beklagten vom 12. Dezember 2016 nicht beendet worden ist. Daneben hat es festgestellt, dass das von dem Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene Hausverbot gegenstandslos ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigungen schon gemäß § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam seien, da der bei dem Beklagten eingerichtete Personalrat nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 9, Abs. 3 Satz 2 LPersVG angehört worden sei. Die einzuhaltende Frist von drei Arbeitstagen sei erst am 12. Dezember 2016 abgelaufen. Der Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass seitens des Personalrats eine abschließende Stellungnahme gegenüber dem Geschäftsführer abgegeben worden sei. Die diesbezüglich durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass eine abschließende Stellungnahme seitens des gesetzlichen Vertreters des Personalrats habe nachgewiesen werden können. Da bereits die Personalratsanhörung fehlerhaft gewesen sei, sei es nicht nötig, auf die Bewertung der Kündigungsgründe näher einzugehen.



Das ausgesprochene Hausverbot sei für gegenstandslos zu erklären, da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen nicht beendet worden sei und die Klägerin zur Erbringung ihrer vertraglichen Arbeitsleistung den Zugang zum Arbeitsplatz benötige.



Gegen das ihm am 14. September 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18. September 2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Dezember 2017 am 15. Dezember 2017 begründet.



Der Beklagte trägt in der Berufung vor, dass die Personalratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt und die Kündigungen der Klägerin nicht verfrüht zugestellt worden seien. Zum einen sei darauf hinzuweisen, dass § 87 Abs. 3 LPersVG lediglich von Arbeitstagen spreche und bei dem Beklagten, der ein Altenpflegeheim betreibe, die 7-Tage-Woche gelte, so dass auch Samstag und Sonntag als reguläre Arbeitstage anzusehen seien. Für die Fristberechnung seien daher die Samstage und Sonntage zu berücksichtigen. Zudem habe aber der Personalrat nach der Sitzung am 9. Dezember 2016 eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Die stellvertretende Personalratsvorsitzende habe dem Geschäftsführer des Beklagten mitgeteilt, dass dieser eine Entscheidung getroffen habe und das Verfahren für den Personalrat endgültig abgeschlossen sei. Es sei nicht erkennbar, wieso das Gericht zu der Auffassung gelangt sei, dass eine abschließende Entscheidung nicht vorgelegen haben soll. Der Zeugenvernehmung im Parallelverfahren sei zu entnehmen, dass die zuständige stellvertretende Personalratsvorsitzende dies so bestätigt habe.



Hinsichtlich der Kündigungsgründe sei noch auszuführen, dass der dringende Verdacht bestehe, dass die Klägerin als Heimleiterin von der nicht genehmigten Nebentätigkeit ihrer Mutter und den Geldzahlungen gewusst und zugelassen habe, dass die Mutter die nicht genehmigte Tätigkeit auch unter ihr als Heimleiterin weiter ausgeübt habe. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin ihre Funktion als Heimleiterin bewusst ausgenutzt und die Nebentätigkeit des Mitarbeiters H. gefördert habe. Da es Lieferungen von F. gegeben habe, die den tatsächlichen Bedarf der Patientinnen weit überstiegen hätten, sollten die Rezeptanforderungen überprüft werden. Diese seien jedoch nicht mehr aufzufinden gewesen, da alle diesbezüglichen Rezeptanforderungen des Jahres 2016 bis einschließlich 31. Oktober 2016 am 1. November 2016 durch die Klägerin bzw. auf ihre Weisung hin aussortiert worden seien.



Die Rezepte hätten am Pflegedienstleiter vorbeigeschleust werden können, da es einen nachgemachten Schlüssel gegeben habe, mit dem nach Dienstschluss unbeobachtet Rezepte aus der Ablage hätten entfernt werden können. Zugriff auf die Schlüsselkarte für das Anfertigen eines weiteren Schlüssels habe lediglich die Klägerin gehabt.



Mildere Mittel als die ausgesprochene fristlose Kündigung seien nicht ausreichend gewesen. Die persönliche Situation der Klägerin stehe der Kündigung ebenfalls nicht entgegen.



Jedenfalls sei aber der Auflösungsantrag begründet. Dieser werde zum einen mit den laufenden Ermittlungen und den sich aus dem Schlussvermerk des Polizeipräsidiums T. vom 19. Februar 2018 (Bl. 91 ff. der Berufungsakte) ergebenden Äußerungen begründet und zudem auf die übrigen Verdachtsmomente im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits gestützt.



Der Beklagte beantragt zuletzt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - vom 12. Juli 2017, Az. 9 Ca 241/16, wird abgeändert und die Klage abgewiesen. 2. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. Juni 2017 gegen Zahlung einer angemessenen, in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.



Die Klägerin trägt vor, dass das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, dass die 3-Tages-Frist erst am Montag, dem 12. Dezember 2016, abgelaufen sei und bereits an diesem Tag die Kündigungen zugegangen seien. Ebenfalls habe das Arbeitsgericht zutreffend bewertet, dass eine abschließende und endgültige Stellungnahme am 9. Dezember 2016 nicht vorgelegen habe. Der Niederschrift über die Sitzung des Personalrats vom 9. Dezember 2016 lasse sich nicht mehr entnehmen.



Die Kündigungen wären jedoch auch bei ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats nicht gerechtfertigt. Die angeblichen dringenden Verdachtsmomente gründeten sich nicht auf konkret der Klägerin vorgeworfene oder gar nachgewiesene Taten. Zudem sei noch einmal klarzustellen, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt von dem Beklagten zu den geäußerten Verdachtsmomenten ordnungsgemäß angehört oder abgemahnt worden sei. Gerade die Anhörung des von einem Verdacht betroffenen Arbeitnehmers sei jedoch unverzichtbare Grundvoraussetzung für jede auf den Verdacht gestützte Kündigung. Daneben sei noch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keine Kenntnis von einem nachgemachten Schlüssel an der Pforte habe und sie diesen weder angefertigt habe noch habe anfertigen lassen. Die Existenz des Schlüssels werde mit Nichtwissen bestritten.



Der Auflösungsantrag sei schon nicht zulässig. Daneben würden aber auch die angeführten Gründe nicht ausreichen. Allein die Konstellation, dass ein Arbeitgeber gegen seinen Mitarbeiter eine Strafanzeige erstattet habe, reiche nicht aus.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst den Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe



I.



Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - vom 12. Juli 2017 ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.



Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung die Umstände bezeichnet, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben soll (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), sofern das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. Zwar hat sich der Beklagte in der Berufungsbegründung nicht mit der im Tenor zu 2. ausgeurteilten Feststellung der Gegenstandslosigkeit des Hausverbotes auseinandergesetzt. Die Berufung ist aber insofern nicht deshalb unzulässig, denn die Begründetheit des Hausverbotes hängt vorliegend unmittelbar von der Begründetheit der Bestandsschutzklage ab (vgl. dazu BAG 24. Januar 2017 - 3 AZR 372/15 - Rn. 17). Der Beklagte hat das Hausverbot und die sofortige Freistellung (vgl. Bl. 6 der erstinstanzlichen Akte) in Zusammenhang mit der später ausgesprochenen fristlosen Kündigung erklärt. Einen anderen hiervon getrennt zu würdigenden Grund hat der Beklagte nicht vorgetragen und die erste Instanz auch nicht angenommen.



Ebenso bestehen gegen die Zulässigkeit der Berufung im Hinblick auf den erst in der Berufungsverhandlung seitens des Beklagten gestellten Auflösungsantrag keine Bedenken. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG kann der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Der im Termin am 13. März 2018 gestellte Antrag ist formgerecht gestellt und begründet worden.



II.



Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet, ebenso wenig ist der Auflösungsantrag des Beklagten begründet.



1. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil zu Recht festgestellt, dass die seitens des Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen vom 12. Dezember 2016 unwirksam sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigungen schon wegen der nicht ordnungsgemäßen Personalratsanhörung keinen Bestand haben können. Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Das Berufungsgericht hätte jedenfalls die erst im Berufungsverfahren vom Beklagten benannte Zeugin, die stellvertretende Personalratsvorsitzende, zur Frage der abschließenden Stellungnahme am 9. Dezember 2016 vernehmen müssen. Einer Beweisaufnahme bedurfte es aber nicht, weil die Kündigungen bereits aus anderen Gründen unwirksam sind.



2. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 12. Dezember 2016 ist unwirksam, da die Voraussetzungen einer außerordentlichen Verdachtskündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegen.



a) Nach dieser Bestimmung kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 11).



Als wichtiger Grund "an sich" geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16).



Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus. Daneben ist dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BAG 2. März 2017 - 2 AZR 698/15 - Rn. 22).



b) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegende Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Versäumt der Arbeitgeber die Anhörung, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12; BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11).



c) Unter Berücksichtigung der obigen Maßstäbe, denen sich die Kammer anschließt, liegt entweder schon kein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder aber keine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin vor.



aa) Der seitens des Beklagten geäußerte Verdacht, dass die Klägerin von den Tätigkeiten und Honorarzahlungen ihrer Mutter bei F. gewusst hat, stellt, selbst wenn dies zugunsten des Beklagten unterstellt wird, für sich genommen keine schwerwiegende Pflichtverletzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten dar.



bb) Ebenso verhält es sich mit der Anordnung der Klägerin im Juni 2015 betreffend die Weiterleitung der Rezepte für F.-produkte an den Mitarbeiter H. sowie ihrer Stellungnahme hinsichtlich der Nebentätigkeitsanzeige dieses Mitarbeiters im Oktober 2015. Diese Handlungen der Klägerin sind für sich genommen keine schwere Pflichtverletzung. Auf greifbare Tatsachen gestützte Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin diese Anweisung erteilt und über die einzelnen Umstände der Nebentätigkeit in einer Art und Weise Bescheid gewusst hat, um kollusiv zum Vorteil von Herrn H. und zum Nachteil der Patienten Bestellungen von Arzneimitteln aufzunehmen, sind nicht ersichtlich. Lediglich der Umstand, dass die Klägerin den Wechsel zu einem anderen Versorger in der Vergangenheit abgelehnt hat, reicht nicht aus. Der Vorwurf, dass die Klägerin in Zusammenhang mit der Nebentätigkeitsgenehmigung falsche Angaben gemacht habe, fußt nicht auf konkreten Tatsachen. Die Angaben hat der Mitarbeiter H. in seiner Anzeige gemacht. Die Klägerin hat lediglich angekreuzt, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden und keine Bedenken gegen deren Ausübung bestehen. Warum und woher die Klägerin über die seitens des Mitarbeiters gemachten Angaben hinausgehende Kenntnisse gehabt haben soll, erschließt sich nicht.



cc) Der seitens des Beklagten geäußerte Verdacht, dass die Klägerin und der Mitarbeiter H. hinsichtlich der Rezeptanforderungen und der Einlösung von Rezepten den Patientenwillen nicht beachtet haben und über den eigentlichen Bedarf hinaus Produkte bei F. bestellt und verabreicht haben sollen, stellt - wenn dies zutreffen sollte - zweifellos eine Pflichtverletzung dar. Der Patientenwillen ist ernst zu nehmen und darf nicht aufgrund wirtschaftlicher eigener Interessen vernachlässigt werden. Ebenso verhält es sich, wenn bewusst Bewohner ohne Zuzahlungspflicht ausgesucht worden sein sollen, damit die Mengenlieferungen nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden können. Ob damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden Anhörung der Klägerin zu diesem Verdacht.



(1) Die erste Befragung der Klägerin am 28. November 2016 genügt den Anforderungen, selbst wenn die Vollständigkeit des Vermerks über das Gespräch zugunsten des Beklagten als wahr unterstellt würde, nicht. Ausweislich des Vermerks wurde die Klägerin im Rahmen dieses Gesprächs zunächst darauf angesprochen, wie die Postabwicklung im H.-Spital erfolgt. Danach wurde ihr die Frage gestellt, wie es sein könne, dass Bewohnerrezepte nach dem Ausscheiden von ihrer Mutter weiter bei F. haben eingelöst werden können. Des Weiteren wurde sie gebeten mitzuteilen, wie es sein könne, dass die Rezepte von September und Oktober 2016, welche von den Ärzten an das Wohnheim gesendet wurden, an den Mitarbeiter H. gelangt seien, ohne dass der stellvertretende Pflegedienstleiter etwas davon mitbekommen habe. Schließlich wollte der Oberbürgermeister und Stiftungsratsvorsitzende noch wissen, ob es einen betrieblichen Vorteil gebe, wenn die Leistungen direkt über F. bezogen würden und warum die Klägerin sich geweigert habe, den Anbieter zu wechseln. Die Klägerin nahm zu diesen Fragen Stellung und äußerte sich dahingehend, dass sie teilweise keine genauen Kenntnisse über die Abläufe habe oder diese Tätigkeiten nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Den Wechsel zu einem anderen Anbieter habe sie abgelehnt, da ihrer Ansicht nach der andere Versorger nicht zuverlässig sei. Der Beklagte hat zwar hinsichtlich der Verwaltung der Rezepte verschiedene Fragen an die Klägerin gestellt. Diesem Gesprächsvermerk lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass gegenüber der Klägerin aufgrund der bisherigen Recherchen die Vermutung geäußert wurde, sie habe den Patientenwillen missachtet.



Auch mit dem seitens des Beklagten angenommenen Zusammenhang zwischen der genehmigten Nebentätigkeit für den Mitarbeiter H., der Anweisung, die Rezepte für F. immer diesem Mitarbeiter zukommen zu lassen, der Belieferung von Patienten von F. entgegen dem geäußerten gewünschten Versorgungsweg, der Bestellung von Produkten über den Bedarf hinaus, um sich oder einem vermutet eng befreundeten Mitarbeiter einen Vorteil zu verschaffen, ist die Klägerin nicht konfrontiert worden.



(2) Es reicht nicht aus, dass der Beklagte allgemeine Geschehensabläufe abfragt sowie einzelne Dinge beleuchtet, ohne einen greifbaren, konkreten Sachverhalt zu schildern und die Klägerin mit dem Verdacht der Pflichtverletzung zu konfrontieren. Angehört werden soll zu den konkreten Verdachtsmomenten. Der Klägerin müssen die Vorwürfe mitgeteilt werden, damit sie sich mit diesen konkret auseinandersetzen und ihre Sicht der Dinge schildern kann. Diesem Erfordernis wird auch das zweite Gespräch am 28. November 2016 nicht gerecht.



Ausweislich des Aktenvermerks über das zweite mit der Klägerin an diesem Tag geführte Gespräch wurde diese befragt, warum das Postfach von dem Mitarbeiter H. abgeschafft worden sei. Die Klägerin ließ sich dahingehend ein, dass sie davon ausgegangen sei, dass der Mitarbeiter seine Tätigkeit bei F. aufgegeben habe und dies nun von einem Herrn B. wahrgenommen werde. Auch wenn die Klägerin nicht zu klären vermochte, wieso der Mitarbeiter H. dann weiterhin die Lieferungen von F., obwohl er nicht mehr für diese tätig sein soll, im Heim verteilt hat, ist dies keine Anhörung zu einer möglichen eigenen schweren Pflichtverletzung der Klägerin.



(3) Die Klägerin ist auch nach Ausspruch der Kündigungen als sich bei dem Beklagten durch weitere Recherche zusätzliche Verdachtsmomente in dieser Richtung ergeben haben, diesbezüglich nicht angehört worden. Zwar bedarf es keiner erneuten Anhörung, wenn der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit einführt und der Arbeitnehmer zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 29 ff.). Allerdings hätte die Klägerin diesbezüglich überhaupt ordnungsgemäß angehört werden müssen, was nicht geschehen ist.



dd) Der Verdacht, dass die Klägerin am 1. November 2016 eine Anordnung erteilt hat, gezielt Unterlagen, wie Rezeptanforderungen zu vernichten und zu beseitigen, damit eine von dem Mitarbeiter H. praktizierte Handhabung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei F. nicht nachvollzogen werden kann, würde - sofern er sich auf greifbare Tatsachen stützen würde - eine schwere Pflichtverletzung darstellen. Als Heimleiterin ist die Klägerin nicht befugt, Patientenunterlagen, zu denen auch die Rezeptanforderungen gehören, zu vernichten bzw. deren Vernichtung anzuordnen. Diese werden für die Abrechnungen sowie als Überblick hinsichtlich der medikamentösen Versorgung der Bewohner benötigt. Die Klägerin wurde zu dem Vorfall am 1. November 2016, als sie angeblich bereits um 6.30 Uhr im Wohnbereich zusammen mit dem Mitarbeiter H. war, befragt. Sie wurde gebeten, zum Verbleib der Rezeptanforderungen Stellung zu nehmen. Sie ließ sich dahingehend ein, dass sie aufgrund der E-Mail von Ende Oktober Veränderungen habe vornehmen und diese dann nach dem Feiertag mit der zuständigen Mitarbeiterin besprechen wollen. Sie sei die Ordner mit ihr teilweise bereits durchgegangen und habe ihr gezeigt, welche Unterlagen sich wo befinden würden und was entsorgt werden könne. Beim Thema Rezeptanforderungen soll die Klägerin im Rahmen der Befragung sehr angespannt gewesen sein. Sie habe sich diesbezüglich dahingehend eingelassen, dass der Ordner aussortiert werden müsse und zukünftig zwei Ordner angelegt werden sollten. Sie selber habe die Aussortierung nicht vorgenommen und sie wisse auch nicht, wer diese ausgeführt habe bzw. wie die Anforderungen in der Kiste gelandet seien.



(1) Die seitens des Beklagten zusammengetragenen Verdachtsmomente in Bezug auf diesen Komplex reichen nicht aus, eine schwerwiegende Pflichtverletzung annehmen zu können. Aus den seitens des Beklagten dokumentierten Aussagen der Klägerin, des Mitarbeiters H. sowie der Mitarbeiterin S. im Rahmen ihrer Anhörung am 30. November 2016 (vgl. Bl. 54 ff. des Anlagenbandes der erstinstanzlichen Akte) ergibt sich, dass die Klägerin und Herr H. am 1. November 2016 im Dienstzimmer gewesen sind und aufgeräumt bzw. sortiert haben. Des Weiteren lässt sich den Äußerungen entnehmen, dass es eine Anordnung seitens der Klägerin hinsichtlich des Aussortierens von Rezeptanforderungen gegeben hat und dass die Klägerin der anderen Mitarbeiterin beispielhaft gezeigt haben soll, was aussortiert werden könne. Es geht jedoch aus den gemachten Angaben nicht hervor, dass die Klägerin eine Anweisung erteilt hat, (gerade) Unterlagen über Anforderungen bei F. zu vernichten oder dass sie gewusst haben soll, welche Unterlagen und Anforderungen der Mitarbeiter H. sichtet und ggf. aussortiert hat. Den Befragungen kann mithin nicht entnommen werden, dass es sich um ein gezieltes Vernichten und Beseitigen bestimmter Rezeptanforderungen durch die Klägerin gehandelt haben soll.



(2) Hinzu kommt, dass nach den Schilderungen eine große Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass die Klägerin die Rezeptanforderungen vernichten wollte, um dem Mitarbeiter H. und sich einen Vorteil auf Kosten der Bewohner zu beschaffen, nicht gegeben ist. Letztlich haben mehrere Leute auf die Ordner einen Zugriff und es ist bei allem Vortrag nicht erkennbar, welche Tatsachen dafürsprechen, dass die Klägerin in das Geflecht zwischen F. und dem Bezug von Medikamenten für die Bewohner in einer derart schwerwiegenden Weise eingebunden gewesen sein soll. Es reicht für eine fristlose Kündigung nicht aus, dass der Beklagte lediglich eine Vermutung hat, die Klägerin könnte ein Interesse an der (ehemaligen) Tätigkeit ihrer Mutter oder dem Mitarbeiter H. bei F. haben und im Rahmen eines kollusiven Verhaltens schwerwiegend gegen ihre vertraglichen Pflichten als Heimleiterin verstoßen haben. Zwar besteht die Möglichkeit eines Geschehensablaufs und Zusammenarbeitens in der von dem Beklagten geschilderten Weise. Die bloße Möglichkeit reicht aber im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht aus, sofern sie sich nicht derart verfestigt, dass von einem dringenden Verdacht die Rede sein kann. Mit mathematischen Wahrscheinlichkeiten und Berechnungen kann eine Verdachtskündigung nicht begründet werden, es bedarf vielmehr eines auf Tatsachen begründeten dringenden Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 46).



ee) Der Vorwurf, die Klägerin sei als Heimleiterin über die Abwicklung mit F. informiert bzw. beteiligt gewesen, ist zu pauschal, um daraus den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung herleiten zu können. Es stellt sich die Frage, was genau die Klägerin gewusst haben soll bzw. an welchen konkreten, schwerwiegenden Handlungen sie im Zusammenhang mit der Belieferung von F. beteiligt gewesen sein soll. Der Beklagte hat, bedingt durch das Verhalten des Mitarbeiters H. bestimmte Vermutungen, denen jedoch kein greifbarer Tatsachenkern zugrunde liegt.



Selbst wenn die Überlegungen des Beklagten, die immerhin durch eine Anzahl an geschilderten Umständen eine gewisse Handhabung im Zusammenhang mit F. nahelegen, zutreffen, fehlt es jedoch an einer Anhörung der Klägerin zu diesen Vermutungen in ihrer Gesamtheit. Die Klägerin ist in den Gesprächen am 28. und 30. November 2016 lediglich dazu befragt worden, wie sich der Postablauf insbesondere im Zusammenhang mit den Rezeptanforderungen gestaltet und aus welchen Gründen sie sich am 1. November 2016 zu früher Stunde im Wohnbereich 1 aufgehalten und Ordner sortiert hat. Sie ist jedoch nicht damit konfrontiert worden, dass man zwischen der Nebentätigkeitsgenehmigung des Mitarbeiters H., der früheren Tätigkeit ihrer Mutter für F. und das Heim, der ausschließlichen Abwicklung der F. Rezepte durch Herrn H., der erhöhten Rezeptanforderung des Medikamentes Fr. bei verschiedenen Patienten, des über den jeweiligen Patientenbedarf hinausgehenden hohen Lagerbestandes dieses Produktes, der Missachtung des Patientenwillens im Zusammenhang mit dem Versorgungsweg bei der Bestellung von Arzneimitteln, dem Auffinden eines Zweitschlüssels ein "Gesamtkonstrukt" sieht, an dem die Klägerin in nicht unerheblicher, kollusiver Weise beteiligt gewesen sein soll. Erst dieser Vorwurf könnte einen dringenden Verdacht, das Verhalten der Klägerin stelle einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs.1 BGB dar, begründen.



3. Die außerordentliche Verdachtskündigung mit notwendiger Auslauffrist ist aus denselben Gründen unwirksam. Auch bei einer solchen Kündigung muss ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB gegeben sein.



Darüber hinaus ergibt sich die Unwirksamkeit auch aus § 108 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 75 Abs. 1 Nr. 12 LPersVG, da eine solche außerordentliche Kündigung bei der Personalratsbeteiligung einer ordentlichen Kündigung gleichsteht (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - Rn. 55). Es hätte insoweit das Verfahren der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 75 LPersVG durchgeführt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.



4. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Kündigung ausgesprochene Hausverbot unwirksam ist.



a) Der Antrag ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhältnis, aus dem sich wechselseitige Rechte und Pflichten ergeben. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran zu wissen, ob der Beklagte ihr gegenüber ein Hausverbot aussprechen durfte. Auch wenn ein Antrag auf Aufhebung des Verbotes möglich wäre, bedarf es keines ausdrücklichen Aktes der Aufhebung des Verbotes, so dass die Feststellung der Unwirksamkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung des Streitpunktes führt.



b) Das Hausverbot ist jedoch unwirksam, da die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage Erfolg hat.



Die Befugnis des Beklagten, ein Hausverbot auszusprechen, folgt aus seinem Hausrecht. Dieses beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbotes durchzusetzen (vgl. BGH 20. Januar 2006 - V ZR 134/05 Rn. 7).



Erkennbarer und einziger Zweck des Hausverbotes war es, die Klägerin vom Betriebsgelände fern zu halten, weil das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Beklagten durch die außerordentlichen Kündigungen vom 12. Dezember 2016 beendet sein sollte und deshalb keine Notwendigkeit mehr bestanden hat, dass die Klägerin das Gelände betritt. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der obigen Entscheidung weder durch die außerordentlichen Kündigungen geendet noch durch den Auflösungsantrag aufgelöst worden ist und die Klägerin ein Recht darauf hat, weiterbeschäftigt zu werden, unterliegt das Hausrecht des Beklagten Einschränkungen. Der Beklagte kann diesen Anspruch nur erfüllen, wenn die Klägerin das Betriebsgelände betreten darf. Aus dieser Einschränkung des Hausrechts folgt der Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass das Hausverbot unwirksam oder wie im Tenor der 1. Instanz ausgedrückt gegenstandslos ist.



5. Der Auflösungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.



a) Der Antrag ist als echter Eventualantrag für den Fall, dass der Beklagte mit dem auf Abweisung der Feststellungsklage gerichteten Hauptantrag keinen Erfolg hat, gestellt. Er ist ausreichend bestimmt, denn die Abfindungshöhe braucht nicht beziffert, sondern kann in das Ermessen des Gerichts gestellt werden.



b) Der Antrag ist jedoch unbegründet, ohne dass auf die in der Berufungsverhandlung vorgetragene Begründung des Beklagten näher eingegangen zu werden braucht.



aa) Der Beklagte kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einer für unwirksam erklärten außerordentlichen Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht beantragen. Im Falle der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung steht der Auflösungsantrag ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts ausschließlich dem Arbeitnehmer zu.



bb) Dies gilt auch für eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Diese unterliegt ebenfalls den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB und bleibt daher trotz der eingeräumten Frist ihrer Art nach eine außerordentliche Kündigung. Sie kann daher im Falle ihrer Unwirksamkeit nicht einer sozialwidrigen Kündigung i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Folge, dass auch der Beklagte einen Auflösungsantrag stellen könnte, gleichgestellt werden. Die in § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG getroffene Regelung, dass der Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung kein Antragsrecht hinsichtlich einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses haben soll, ist eindeutig und gilt für außerordentliche fristlose wie für außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist gleichermaßen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 160/09).



Einer Auseinandersetzung mit den Gründen für die beantragte Auflösung bedarf es daher nicht.



III.



1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Dr. Böckenförde-Wunderlich
Hafner
Wolf

Verkündet am 20.04.2018

Vorschriften§ 34 Abs. 2 TVöD, § 626 Abs. 1 BGB, § 108 Abs. 2 BPersVG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 2 b), c) ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG, § 102 Abs. 1 BetrVG, § 626 Abs.1 BGB, § 256 Abs. 1 ZPO, §§ 858 ff., 903, 1004 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG, § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG