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17.05.2022 · IWW-Abrufnummer 229243

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 23.02.2022 – 25 Sa 1472/20

1. Der Arbeitgeber ist im Arbeitsverhältnis für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach §§ 28d , 28e SGB IV verantwortlich.

Dazu gehört auch die richtige Berechnung und Abführung der Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und. Nach § 28g SGB IV hat der Arbeitgeber dabei einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf den von ihm zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden.

2. Die Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand. Es bedarf keiner Aufrechnung und damit auch keiner Beachtung der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 394 BGB , 850 ff. ZPO .

Die Erfüllungswirkung tritt nur nicht ein, wenn für den Arbeitgeber auf Grund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht besteht.

3. Nach § 28g Satz 3 SGB IV darf ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Bei verspäteter Gehaltszahlung und -abrechnung handelt es sich nicht um ein Unterbleiben von Abzügen im Sinne des § 28g SGB IV , das zu einem Nachholverbot führen könnte

4. Die Umlage wird nach § 64 Abs. 6 Satzung VBL grundsätzlich in dem Moment fällig, in dem das zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem Pflichtversicherten zufließt.

Die Fälligkeit der Beträge kann aber frühestens mit der Begründung der Pflichtversicherung eintreten. Ohne das Bestehen einer Pflichtversicherung besteht noch keine Beitragspflicht. Die Pflichtversicherung beginnt nach § 27 Abs. 1 S. 1 Satzung VBL erst mit Eingang der Anmeldung des Arbeitnehmers und zwar mit dem Zeitpunkt, der auf der Anmeldung als Versicherungsbeginn angegeben ist.

5. Die Tatsache, dass die Pflicht, Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu zahlen, den Arbeitnehmer später getroffen hat, stellt keinen ersatzfähigen Schaden dar.


In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 25. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter ....und ....
für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2020 - 54 Ca 15666/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung teilweise zu Unrecht vom Novembergehalt 2019 der Klägerin einbehalten hat.



Die verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit April 2004 bei der Beklagten in Teilzeit in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt. Die privatrechtlich verfasste Beklagte ist die Tochter einer öffentlich-rechtlich verfassten Stiftung, die in Berlin ein Museum unterhält. Die Beklagte erbringt mit circa 160 Arbeitnehmern Dienstleistungen für das von der Stiftung unterhaltene Museum.



Am 21. August 2017 schloss die Beklagte mit der tarifzuständigen Gewerkschaft mit Wirkung zum 1. Januar 2018 einen Tarifvertrag über die Anwendung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) (Blatt 60 bis 62 der Akte). Nach § 25 TV-L haben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des Tarifvertrags über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die über die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) abgewickelt wird. Hierzu erhebt die VBL von den beteiligten Arbeitgebern eine monatliche Umlage von 8,26 Prozent des versorgungspflichtigen Entgelts, von dem 6,45 Prozent vom Arbeitgeber und 1,81 Prozent vom Arbeitnehmer zu tragen sind.



Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 (Blatt 73 der Akte) teilte die VBL der Beklagten mit, dass ihr Vorstand dem Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung mit der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 2018 zugestimmt habe und übersandte der Beklagten eine entsprechende Vereinbarung, die die Beklagte am 18. Dezember 2018 gegenzeichnete (Blatt 75 der Akte).



Die Beklagte meldete ihre Arbeitnehmer zunächst mit Wirkung zum 1. Juli 2019 bei der VBL an. Im Oktober 2019 korrigierte die Beklagte die Anmeldung zum 1. Januar 2018 und führte 8,26 Prozent des in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. September 2018 bezogenem versorgungspflichtigen Entgelts an die VBL ab (Blatt 56, 132f. der Akte). Für den Monat November 2019 rechnete die Beklagte zugunsten der Klägerin ein monatliches Grundentgelt von brutto 1.479,50 Euro sowie eine Jahressonderzahlung von brutto 1.396,71 Euro ab, führte für das sich rechnerisch ergebende Gesamtbrutto von 2.876,21 Euro Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen Stellen ab und zahlte unter Berücksichtigung weiterer Sozialversicherungsbeiträge infolge der Nachversicherung bei der VBL für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. September 2018 einen sich ergebenden Nettobetrag von 913,28 Euro an die Klägerin aus. Auf die Gehaltsmitteilung für November 2019 (Blatt 45 der Akte) wird Bezug genommen.



Gegen den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Nachversicherung bei der VBL hat sich die Klägerin mit ihrer am 16. Dezember 2019 bei Gericht eingegangenen Klage gewandt.



Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stehe ein Anspruch auf das volle Grundentgelt für November 2019 sowie auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2019 zu. Die sie im November 2019 treffende Belastung mit Sozialversicherungsabgaben aus der Nachversicherung bei der VBL für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. September 2018 verstoße gegen die Ausschlussfrist des § 37 TV-L. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen § 28g Viertes Buch Sozialgesetzbuch, § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) sowie § 1 Absatz 1 Satz 3 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung.



Die Klägerin hat beantragt,



die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.479,50 Euro brutto und 1.396,71 Euro brutto abzüglich gezahlter 913,28 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2019 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die im November 2019 angefallenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt. Die streitigen Sozialversicherungsbeiträge auf die VBL-Umlage seien erst mit der Nachmeldung an die VBL im Oktober 2019 entstanden und fällig geworden. Die rückwirkende Begründung einer Versicherung führe nicht zu einem früheren Entstehen und einer früheren Fälligkeit der Beiträge. Ein Abführen der Beiträge sei erst im November 2019 möglich gewesen. Dem Abzug der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung ständen weder die tariflichen Ausschlussfristen, noch die Vorschrift des § 28g SGB IV und auch nicht die Pfändungsfreigrenzen entgegen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2020 als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei der Höhe nach unschlüssig. Unstreitig habe die Beklagte auf die geschuldete Bruttoforderung ordnungsgemäß Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Damit sei der Bruttolohnanspruch erfüllt. Einen etwaigen Nettolohnanspruch habe die Klägerin nicht beziffert. Dieser lasse sich aus dem Inhalt der Gerichtsakte auch nicht bestimmen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgericht Blatt 149 - 154 der Akte Bezug genommen.



Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 23. Oktober 2020 zugestellt. Die Berufung der Klägerin ist am 23. November 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung hat die Klägerin nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25. Januar 2021 am 25. Januar 2021 beim Landesarbeitsgericht eingereicht.



Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß berechnet und abgeführt. Die Beklagte habe zu Unrecht neben dem Monatsgrundentgelt und der Sonderzahlung zusätzlich einen Bruttobetrag in Höhe von 1.307,00 Euro brutto ("SV.Pfl-Hinzu") bei der Berechnung berücksichtigt und zu hohe Beiträge einbehalten. Dem nachträglichen Einbehalt der Beiträge stehe die tarifvertragliche Ausschlussfrist entgegen. Die VBL-Umlage sei fällig mit Zufluss des versorgungspflichtigen Entgelts. Auch folge aus den sozialrechtlichen Vorschriften, dass nach Ablauf von drei Monaten ein nicht erfolgter Abzug der Arbeitnehmer-Beiträge nur bei fehlendem Verschulden des Arbeitgebers zulässig sei. Die Verspätung habe die Beklagte verschuldet, da ihr seit dem 21. August 2017 bekannt sei, dass sie eine Mitgliedschaft zu der VBL begründen müsse. Die Beklagte sei daher verpflichtet, das Gehalt November 2019 neu zu berechnen und auszuzahlen, mit der Maßgabe, dass die auf die nachentrichtete VBL-Umlage für Januar bis September 2019 entfallenen Arbeitnehmeranteile zum Sozialversicherungsbetrag nicht in Abzug zu bringen seien. Hilfsweise begehre die Klägerin Ersatz der zu Unrecht abgeführten Beträge in Höhe von 256,50 Euro (1307 Euro * 19,625 % Arbeitnehmeranteil Sozialversicherung). Der Anspruch ergebe sich aus der verspäteten Abführung der Beiträge unter Missachtung der §§ 37 TV-L, 28g SGB IV. Zudem sei die Beklagte um diesen Betrag, der von ihr zu tragen sei, ungerechtfertigt bereichert.



Die Klägerin beantragt,



unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.10.2020 - 54 Ca 15666/19 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.479,50 Euro brutto und 1.396,71 Euro brutto abzüglich gezahlter 913,28 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2019 zu zahlen,



hilfsweise,



die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 256,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2019 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte trägt vor, der Hauptantrag der Klägerin sei weiterhin unschlüssig. Die Klägerin beziffere nicht den ihr vermeintlich zustehenden Nettobetrag. Die Beklagte habe die auf die Umlage zu entrichtenden Beiträge nicht verspätet abgeführt. Die Verpflichtung zum Abführen der Beiträge ab Januar 2018 sei erst mit Begründung der Mitgliedschaft zur VBL für die Zeit ab Januar 2018 entstanden. Die Pflichtversicherung der Klägerin rückwirkend für die Zeit ab Januar 2018 sei erst mit der Berichtigung der Anmeldung im Oktober 2019 begründet worden. Die Berichtigung im Oktober 2019 habe keine negativen Auswirkungen auf die VBL-Ansprüche der Klägerin. Vor dem Entstehen und der Fälligkeit der Beiträge könne die tarifliche Ausschlussfrist nicht eingreifen. Aus dem gleichen Grund greife auch die Vorschrift des § 28g SGB IV nicht ein. Beitragspflichtig könne die Umlage zur VBL auch nicht vor ihrem Entstehen werden. Der Sachverhalt sei ähnlich zu behandeln wie eine rückwirkende Gehaltserhöhung. Auch in diesem Fall seien die Beiträge erst in der nächsten Gehaltsabrechnung abzuführen und Ausschlussfristen würden nicht rückwirkend eingreifen. Zudem seien Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nicht von der Ausschlussfrist oder den gesetzlichen Pfändungsgrenzen erfasst. Der hilfsweise geltend gemachte Erstattungsanspruch bestehe aus diesen Gründen ebenfalls nicht. Zudem sei die Beklagte entreichert.



Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 25. Januar 2021 und 16. März 2021 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.



I.



Die Berufung ist zulässig. Die nach den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b) und c) ArbGG statthafte Berufung ist insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.



II.



Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die zulässige Klage ist unbegründet.



1.



Die Klägerin hat keine weitergehenden Zahlungsansprüche für November 2019 aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte hat das Novembergehalt zutreffend abgerechnet und ausgezahlt. Die Gehaltsansprüche der Klägerin sind durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 und Abs. 2 BGB erloschen.



a)



Nach § 611a Abs. 2 BGB schuldet die Beklagte der Klägerin für November 2019 grundsätzlich die vereinbarte Vergütung sowie den sich daraus ergebenden Nettobetrag. Diesen Vergütungsanspruch der Klägerin hat die Beklagte vollumfänglich erfüllt, § 362 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Sie ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch berechtigt, die streitgegenständlichen Entgeltbestandteile einzubehalten und für die nachgezahlte Umlage an die VBL die hierauf entfallenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für den Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2018 abzuführen. Mit der Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen und damit durch Leistung an einen Dritten erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer im Sinne von § 362 Abs. 2 BGB, sofern er hierzu berechtigt ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Januar 2020 - 3 AZR 73/19 -, Rn. 23). Die Erfüllungswirkung tritt nur nicht ein, wenn für den Arbeitgeber auf Grund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht besteht (vgl. BAG, Urteil vom 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 -, Rn. 21).



b)



Die Beklagte ist berechtigt und auch verpflichtet, die auf die Umlage zur VBL entfallenden Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.



aa)



Bei der Umlage an die VBL handelt es sich um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Maßgebend für die Einstufung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt ist, dass dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Erlangt der Arbeitnehmer - wie hier - einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer, fließt im Zeitpunkt der Beitragszahlung des Arbeitgebers Arbeitslohn zu und Sozialversicherungsabgaben sind abzuführen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Februar 2014 - L 5 KR 295/12 -, Rn. 23 ff.).



bb)



Die Sozialversicherungsbeträge sind von der Beklagten abzuführen. Der Arbeitgeber ist im Arbeitsverhältnis für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach §§ 28d, 28e SGB IV verantwortlich (vgl. BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 5 AZR 273/16 -, Rn. 13). Dazu gehört auch die richtige Berechnung und Abführung der Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge (vgl. Griese in: Küttner, Personalbuch 2021, 28. Auflage, Stichwort: Sozialversicherungsbeiträge, Rn. 1). Nach § 28g SGB IV hat der Arbeitgeber dabei einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf den von ihm zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber - wie hier geschehen - nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden (vgl. BAG, Urteil vom 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 -, Rn. 17). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen zu hohen Sozialversicherungsbeitrag auf die Umlage abgeführt hat, bestehen nicht.



c)



Der Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ist hier auch nicht ausnahmsweise nach § 28g SGB IV unzulässig.



aa)



Nach § 28g Satz 3 SGB IV darf ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (vgl. BAG, Urteil vom 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 -, Rn. 17). Ein Abzug ist hiernach nur dann unzulässig, wenn die Sozialversicherungsbeiträge auf die Umlage tatsächlich schon im Juli 2019 oder früher abzuführen gewesen wären. Dies ist hier nicht der Fall.



bb)



Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Pflicht zur Beitragszahlung an die VBL und die hieraus resultierende Pflicht zum Abführen der Sozialversicherungsbeiträge nicht bereits jeweils in den Monaten Januar bis September 2018 entstanden und fällig geworden.



(1)



Grundlage der Beitragspflicht zur VBL ist nicht § 25 TV-L. Diese Vorschrift regelt alleine einen Anspruch der Klägerin auf Verschaffung einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die Beitragspflicht zur VBL richtet sich vielmehr nach der Satzung der VBL.



(2)



Die Umlage wird nach § 64 Abs. 6 Satzung VBL in dem Moment fällig, in dem das zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem Pflichtversicherten zufließt. Die Fälligkeit der Beträge kann damit frühestens mit der Begründung der Pflichtversicherung eintreten. Ohne das Bestehen einer Pflichtversicherung besteht nämlich auch keine Beitragspflicht. Die Pflichtversicherung, auf die die Beiträge zu entrichten sind, beginnt nach § 27 Abs. 1 S. 1 Satzung VBL erst mit Eingang der Anmeldung des Arbeitnehmers und zwar mit dem Zeitpunkt, der auf der Anmeldung als Versicherungsbeginn angegeben ist.



(3)



Hier hat die Pflichtversicherung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 erst mit der korrigierten Anmeldung im Oktober 2019 begonnen. Es ist hierbei zwischen dem Beginn des Versicherungsschutzes und dem Fällig werden der Beiträge zu unterscheiden. Auch wenn für den Arbeitnehmer rückwirkend der Versicherungsschutz begründet wird, entsteht Pflicht zum Abführen der Beiträge erst mit dem Entstehen der Pflichtversicherung im Oktober 2019. Vor Oktober 2019 war eine Beitragszahlung der Beklagten an die VBL mangels Pflichtversicherung nicht geschuldet und der Beklagten auch nicht möglich. Auf eine Nichtschuld kann nicht erfüllend geleistet werden. Leistungen ohne rechtlichen Grund können grundsätzlich nach den §§ 812 ff BGB zurückgefordert werden. Die Verpflichtung zum Nachentrichten der Beiträge und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge sind frühestens im Oktober 2019 entstanden und fällig geworden und konnten im November 2019 ohne Einschränkungen einbehalten und abgeführt werden.



(4)



Hinzu kommt, dass auf verspätete Gehaltszahlungen und -abrechnungen die Vorschrift des 28g SGB IV keine Anwendung findet. Verspätete Entgeltzahlungen sind häufig; sie können verschiedene Ursachen haben. Der Arbeitgeber kann zahlungsunfähig oder auch nur -unwillig sein; es kann - etwa während eines Kündigungsschutzprozesses - Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestehen oder auch nur Streit über die Höhe der Lohnforderung. Zumeist wird auch ein Verschulden des Arbeitgebers an der verspäteten Lohnzahlung vorliegen. Eine Beitragsverschuldung des Arbeitnehmers droht aber allein durch die verspätete Zahlung und Abrechnung nicht. Bei verspäteter Gehaltszahlung und -abrechnung handelt es sich nicht um ein Unterbleiben von Abzügen im Sinne des § 28g SGB IV, das zu einem Nachholverbot führen könnte (vgl. BAG, Urteil vom 01. Februar 2006 - 5 AZR 395/05 -, Rn. 22; BAG, Urteil vom 15. Dezember 1993 - 5 AZR 326/93 -, Rn. 32). Hiernach könnte die Beklagte selbst dann noch die Sozialversicherungsbeiträge des Klägers auf die Umlage abführen, wenn die Leistung der Umlage an die VBL verspätet gewesen wäre.



d)



Dem Einbehalt und der Abführung der streitigen Sozialversicherungsbeiträge steht nicht die tarifvertragliche Ausschlussfrist entgegen. Der Einbehalt und die Abführung der Beiträge sind innerhalb von sechs Monaten nach Entstehen der Ansprüche erfolgt. Aus dem oben genannten Gründen sind die Umlage- und Sozialversicherungspflicht erst mit Begründung der Pflichtversicherung für den streitigen Zeitraum im Oktober 2019 entstanden.



e)



Dem Einbehalt und der Abführung der streitigen Sozialversicherungsbeiträge stehen nicht die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO entgegen. Nach § 28g S. 3 SGB IV ist der Arbeitgeber zum Abzug unabhängig von Pfändungsfreigrenzen berechtigt. Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand. Es bedarf keiner Aufrechnung (vgl. BAG, Urteil vom 30. April 2008 - 5 AZR 725/07 -, Rn. 18) und damit auch keiner Beachtung der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 394 BGB, 850 ff. ZPO.



f)



Dem Einbehalt und der Abführung der streitigen Sozialversicherungsbeiträge steht auch nicht § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG entgegen. Zwar steht der Arbeitgeber nach dieser Vorschrift für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Zu den zugesagten Leistungen gehören jedoch nicht die hier streitigen gesetzlichen Arbeitnehmerbeiträge auf die Sozialversicherung. Die Übernahme dieser Beiträge hat die Beklagte nicht zugesagt und der Fall, dass diese nicht mehr einbehalten und abgeführt werden können, ist aus den oben genannten Gründen nicht gegeben.



2.



Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin schuldhaft verspätet zur VBL angemeldet hat oder nicht. Die Klägerin hat jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, dass ihr hierdurch ein ersatzpflichtiger Vermögensschaden entstanden ist.



a)



Ob - rechnerisch - ein Vermögensschaden eingetreten ist, bemisst sich zunächst nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne dieses Ereignis bestünde. Die Differenzhypothese ist indes nur Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein Schaden eingetreten ist. Weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt, muss die Differenzhypothese stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden. Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (vgl. BAG, Urteil vom 17. Januar 2018 - 5 AZR 205/17 -, BAGE 161, 299-304, Rn. 17 - 19).



b)



Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass bei ihr durch die spätere, rückwirkende Anmeldung zur VBL eine schlechtere Vermögenslage eingetreten ist, als dies bei einer früheren Anmeldung der Fall gewesen wäre. Die im November 2019 abgeführten Beiträge stellen keinen Schaden dar. Sozialversicherungsbeiträge auf die Umlage wären auch bei einer früheren Anmeldung zur VBL entstanden. Auch im Januar 2018 und in den Folgemonaten hätte die Beklagte die auf die Umlage entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nach § 28g SGB IV einbehalten und abführen müssen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die im November 2019 abgeführten Beiträge höher gewesen sind, als wenn die Beiträge zu einem früheren Zeitpunkt abgeführt worden wären. Die Tatsache, dass die Pflicht, Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu zahlen, die Klägerin später getroffen hat, stellt keinen ersatzfähigen Schaden dar.



3.



Die Klägerin hat auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Alt 2 BGB. Die Beklagte hat hier nichts ohne rechtlichen Grund erlangt. Sie hat aus den oben genannten Gründen entsprechend § 28g SGB IV ordnungsgemäß die von der Klägerin geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge einbehalten und an die Einzugsstelle abgeführt. Ansprüche der Klägerin sind hierdurch nicht entstanden.



III.



Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Hiernach hat die Klägerin die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.



IV.



Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Vorschriften§ 25 TV-L, § 37 TV-L, § 28g Viertes Buch Sozialgesetzbuch, § 850c Zivilprozessordnung (ZPO), § 1 Absatz 1 Satz 3 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § 28g SGB IV, §§ 37 TV-L, 28g SGB IV, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b), c) ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO, § 611a Abs. 2 BGB, § 362 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 362 Abs. 2 BGB, §§ 28d, 28e SGB IV, § 28g Satz 3 SGB IV, §§ 812 ff BGB, § 850c ZPO, § 28g S. 3 SGB IV, §§ 394 BGB, 850 ff. ZPO, § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG, § 280 BGB, § 812 Abs. 1 Alt 2 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG