· Fachbeitrag · § 20 EStG
Umtauschanleihe mit Barzuzahlung
Die Anschaffungskosten des Erwerbs von Umtausch-Teilschuldverschreibungen einer Indexanleihe gehen auch dann gemäß § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf die zu deren Rückzahlung neben einer Barzuzahlung angedienten Wertpapiere über, wenn die Barzuzahlung ein Vielfaches des Werts der angedienten Wertpapiere beträgt. |
Sachverhalt
Streitig war, in welcher Höhe der Steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Zusammenhang mit einem Anleihegeschäft sowie der Veräußerung von Zertifikaten an eine GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, im Streitjahr 2018 erzielt hatte.
Entscheidung
Dem Steuerpflichtigen entstand ein unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallender Verlust, den das FA unzutreffend gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelt hatte.
Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Vom Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4 EStG ist auch ein negativer Gewinn, d. h. ein Veräußerungsverlust, erfasst.
Besitzt bei sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Inhaber das Recht, bei Fälligkeit anstelle der Zahlung eines Geldbetrags vom Emittenten die Lieferung von Wertpapieren zu verlangen oder besitzt der Emittent das Recht, bei Fälligkeit dem Inhaber anstelle der Zahlung eines Geldbetrags Wertpapiere anzudienen und macht der Inhaber der Forderung oder der Emittent von diesem Recht Gebrauch, ist gemäß § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG das Entgelt für den Erwerb der Forderung als Veräußerungspreis der Forderung und als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen. Nach dieser Regelung entsteht aus der Einlösung der Forderung zum einen ein Veräußerungsgewinn von 0 EUR, da der Gewinn erst durch die spätere Veräußerung der Wertpapiere realisiert wird. Zum anderen gilt das Entgelt für die Forderung als Anschaffungskosten für die erhaltenen Wertpapiere.
Der durch das JStG 2009 eingeführte § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG hatte zunächst das Ziel, dass sich bei Andienungsrechten (z. B. Umtausch- oder Aktienanleihen), bei denen statt Rückgabe des Nominalbetrags Aktien oder andere Wertpapiere an den Inhaber der Anleihe geleistet werden, die Übertragung der Aktien steuerlich nicht auswirkt. Nur die spätere Veräußerung der Aktien sollte für die Festsetzung der Einkommensteuer und für den Quellensteuerabzug durch die Kreditinstitute relevant werden. Der ebenfalls durch das JStG 2009 eingeführte § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG, der vorsieht, dass eine zusätzlich zu den Anteilen erhaltene Gegenleistung als Ertrag zu versteuern ist, sollte klarstellen, dass diese Zahlung als steuerpflichtig zu behandeln und dem Kapitalertragsteuerabzug zu unterwerfen ist. Es sollte aber bei der Grundaussage bleiben, dass die Anschaffungskosten der hingegebenen Anteile auch in diesem Fall auf die neuen Anteile zu übertragen sind.
Mit dem JStG 2010 erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG sodann auf sogenannte Vollrisikozertifikate mit Andienungsrecht. Vollrisikozertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen die Wertentwicklung von der Entwicklung eines Basiswerts, d. h. eines Indexes, abhängig ist und bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch die Erzielung von Erträgen unsicher ist.
Vor diesem Hintergrund hielt das FG das vom FA dargestellte Verständnis des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG für unzutreffend, wonach eine hohe Barzuzahlung dazu führen soll, dass § 20 Abs. 4a Sätze 3 und 2 EStG nicht anwendbar wären und es sich um einen Tausch gegen Mischentgelt handelte. Denn der Gesetzgeber hat gerade für den Fall der Barzuzahlung mit § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG die (sofortige) Versteuerung als Ertrag vorgesehen und dabei an der Grundaussage der Sätze 1 und 3 festgehalten, dass die Anschaffungskosten der hingegebenen Anteile auch in diesem Fall auf die neuen Anteile zu übertragen sind.
Eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG dahingehend, dass die Vorschrift in Fällen keine Anwendung findet, in denen die Barzuzahlung den Wert der übertragenen Wertpapiere um ein Vielfaches übersteigt, kommt nach Auffassung des FG nicht in Betracht.
Eine Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO vorliegt. Denn der Gesetzgeber hat eine Begrenzung der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG auf Fälle, in denen die Barzuzahlung einen bestimmten Prozentsatz des Werts der angedienten Wertpapiere nicht überschreitet, nicht vorgesehen. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei Verwirklichung des Tatbestands des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf der Grundlage des § 42 AO von einer Umgehungsgestaltung ausgegangen wird.
Im Streitfall unterlag der Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung der Zertifikate der tariflichen Einkommensteuer, da die Anwendung des gesonderten Tarifs gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen war.
Beachten Sie | Das FG hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG keine Anwendung findet, sondern ein Tauschvorgang gegen Mischentgelt vorliegt, wenn die Barzuzahlung ein Vielfaches des Werts der angedienten Wertpapiere beträgt, grundsätzliche Bedeutung hat. Die Revision hat das beklagte Finanzamt inzwischen eingelegt.
Fundstelle
- FG Düsseldorf 6.6.23, 13 K 84/22 E, Rev. BFH VIII R 18/23, iww.de/astw, Abruf-Nr. 237642