· Fachbeitrag · Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
Ab dem 1.11.14 gelten neue Informationspflichten
| Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde am 8.10.13 verkündet (BGBl. I, 3714). Während die Regelungen zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten ebenso wie die verschärften Berufsregeln schon zum 9.10.13 in Kraft getreten sind (FMP 13, 191), müssen die neuen Informations- und Mitteilungspflichten gegenüber dem Schuldner ab dem 1.11.14 erfüllt werden. FMP informiert Sie vor dem Stichtag über die wichtigsten Regeln. |
1. Unklare Stichtagsregelung
Das erste Problem besteht darin, dass nicht geregelt ist, ob es für die Erfüllung der Informationspflichten zum Stichtag 1.11.14 auf die Absendung des Schreibens beim Gläubiger oder auf den Eingang beim Schuldner ankommt. Im zweiten Fall muss der Gläubiger seine ersten Schreiben bereits gegen Ende Oktober 2014 umstellen. Insgesamt müssen der Gläubiger und sein Rechtsdienstleister ab dem 1.11.14 ungefragt sechs Informationspflichten und - nur auf Nachfrage des Schuldners - drei weiteren Mitteilungspflichten genügen.
2. Rechtsanwälte und Inkassounternehmen betroffen
Die Informations- und Mitteilungspflichten sind von Rechtsanwälten wie Inkassounternehmen gleichermaßen zu erfüllen. Während sich die Regelungen für Erstere in § 43d BRAO finden, sind die inhaltsgleichen Regelungen für Letztere in § 11a RDG enthalten.
3. Keine Altfälle betroffen
Die Informations- und Mitteilungspflichten sind nur in Zusammenhang mit der ersten Geltendmachung der Forderung durch den Rechtsdienstleister zu erfüllen. Damit müssen die Informationen in bereits vor dem 1.11.14 gegenüber dem Schuldner bearbeiteten Fällen nicht mehr erteilt werden. Voraussetzung ist aber, dass dem Schuldner gegenüber der Anspruch schon vor dem Stichtag in schriftlicher, telefonischer oder persönlicher Weise von dem Rechtsdienstleister artikuliert wurde.
MERKE | Kommt es in diesen Fällen aber nach dem 1.11.14 zu einem Bearbeiterwechsel (Rechtsanwalt auf Inkassounternehmen oder umgekehrt), muss der neue Bearbeiter den Informations- und Mitteilungspflichten genügen. |
4. In jeder Phase der Forderungsbeitreibung
Unerheblich ist, wann der Rechtsdienstleister beginnt, die Forderung erstmals geltend zu machen, ob es sich also um eine „frische“ Forderung unmittelbar nach Verzugseintritt handelt, der Gläubiger nur den Titulierungsauftrag erteilt hat oder ob er dem Rechtsdienstleister eine titulierte Forderung zur außergerichtlichen Forderungsbeitreibung und Vollstreckung übergibt.
5. B2B-Forderungen nicht betroffen
Nach §§ 11a Abs. 2 RDG, 43d Abs. 2 BRAO bestehen die Informations- und Mitteilungspflichten nur gegenüber Privatpersonen. Dieser rechtlich neue Begriff der Privatperson geht über den Begriff des Verbrauchers hinaus. Während der Verbraucher nur im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Handlungen definiert ist, § 13 BGB, wird mit der Definition der Privatperson auch die Beitreibung von Forderungen aus unerlaubter Handlung, etwa des Schwarzfahrers, den Informationspflichten unterworfen. Der Begriff der Privatperson ist also weiter gefasst. Nicht darunter fallen dagegen rechtsgeschäftliche Forderungen gegen Gewerbetreibende.
6. Kein Versteckspiel
Den Informationspflichten ist mit der Mandatsanzeige bzw. der ersten Zahlungsaufforderung durch den Rechtsdienstleister zu genügen. Sie muss „klar und verständlich“ sein, kann also nicht im kaum lesbaren „Kleingedruckten“ versteckt werden. Denkbar ist, die Informationen zu erteilen, aus der Vor- oder Rückseite des ersten Anschreibens, in einer Anlage, mündlich zum Beginn des Telefoninkassos oder durch mündliche Unterrichtung oder Übergabe eines Informationsblatts beim Außendienst. Dagegen darf der Schuldner nicht an eine Hotline oder ein elektronisches Informationssystem verwiesen werden.
7. Informationspflichten
Der Rechtsdienstleister muss insgesamt sechs Informationspflichten erfüllen:
- Direkt die erste Angabe ist geeignet, den Schuldner zu verwirren: Der Auftraggeber ist anzugeben, was nach Forderungsverkauf, Factoring oder anderen Gestaltungsformen nicht zwingend der Gläubiger sein muss. Auftraggeber ist der, der mit dem Rechtsanwalt oder dem Inkassounternehmen den Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen hat.
MERKE | Es kann deshalb sinnvoll sein, bei einem vom Gläubiger abweichenden Auftraggeber zugleich auch anzugeben, wer der ursprüngliche Gläubiger war und aus welchem Grunde nunmehr der Auftraggeber den Anspruch geltend macht. Fälle der stillen Zession sind gegebenenfalls also offen zu legen. |
- Soweit der Forderungsgrund anzugeben ist, muss zunächst nur danach unterschieden werden, ob es sich um einen vertraglichen Anspruch, einen Anspruch aus unerlaubter Handlung einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, oder einen titulierten Anspruch handelt. Wird als Forderungsgrund ein vertraglicher Anspruch genannt, geht die Informationspflicht weiter. Es ist dann der Vertragsgegenstand und das Datum des Vertragsschlusses konkret darzulegen:
- Bei Vertragsgegenstand ist anzugeben, welcher Vertragsart der Anspruch zuzuordnen ist, beispielsweise einem Miet-, Kauf-, Telekommunikations- oder Versicherungsvertrag.
MERKE | Probleme zeigen sich, wenn es sich um einen gemischten Vertrag handelt (Telekommunikationsvertrag mit dem gleichzeitig ein elektronisches Gerät gekauft wird). Es empfiehlt sich, hier auf den Forderungskatalog im gerichtlichen Mahnverfahren zurückzugreifen. Was der Gesetzgeber dort als hinreichend bestimmt ansieht, wird er in der ersten Information des Schuldners kaum als unzureichend qualifizieren können. |
- Problematischer wird meist die Angabe des Vertragsdatums sein, da dies bei vielen Geschäften nicht exakt bestimmt wird. So lassen sich zwar bei einer Internetbestellung Antrag und Auslieferung meist feststellen, nicht aber, wann der Gläubiger den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags tatsächlich angenommen hat. Die Problemlage besteht also insbesondere bei konkludenten Vertragsabschlüssen, wenn eine ausdrückliche Vertragsannahme fehlt, wenn der Vertragsabschluss sehr lange zurückliegt - etwa ein Festnetzanschluss, der schon vor 20 oder 30 Jahren vertraglich vereinbart wurde und für den heute Unterlagen fehlen - oder auch wenn materiell-rechtlich durchaus darüber gestritten werden kann, ob ein neuer Vertrag geschlossen wurde oder (nur) eine Vertragsverlängerung vorliegt, ohne dass dies für die Berechtigung der Forderung von Relevanz ist.
MERKE | Im Hinblick auf die berufsrechtlichen Folgen und Bußgelder (z.B. § 20 Abs. 2 Nr. 1 RDG) darf bei solchen Schwierigkeiten nicht einfach ein falsches oder nur vermutetes Datum angegeben werden. |
- Der Gläubiger ist auf Formulierungen angewiesen, die richtig sind, und dem präzisen Informationsbedürfnis des Schuldners nahe kommen:
Checkliste / Mögliche Formulierungen zum Vertragsdatum |
Denkbar ist es, mit folgenden Formulierungen zu arbeiten, jedenfalls bis die Rechtsprechung diese als unzureichend qualifizieren würde:
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8. Gesetzliche Zinsansprüche
Die Begründung der Zinsansprüche sollte keine Schwierigkeiten machen. Fraglich ist, ob der Hinweis auf die Forderungsaufstellung genügt. Das sollte beim gesetzlichen Zinssatz der Fall sein.
MERKE | Das bedeutet aber, dass generell schon dem ersten Anspruchsschreiben eine Forderungsaufstellung beizufügen sein wird, obwohl der Schuldner in der Regel aus dem Schriftverkehr mit dem Gläubiger noch um alle Positionen weiß, aber hierauf keinen Wert legt. Hier wachsen also der Aufwand und möglicherweise wegen der Mehrzahl an Blättern auch die Sach-, vor allem Portokosten. |
Wird - zu Recht - ein höherer individueller Zinssatz geltend gemacht, weil der Gläubiger selbst Kreditmittel in Anspruch nimmt, die er bei einem rechtzeitigen Forderungsausgleich hätte zurückführen können, ist dessen Ursprung zu erläutern.
Musterformulierung / Höheren Zinsanspruch begründen |
Der Zinsanspruch ergibt sich als Verzugsschaden aus §§ 280, 286, 288 Abs. 3 BGB. Der Gläubiger nimmt selbst einen Bankkredit in einer die Forderung übersteigenden Höhe in Anspruch, den er mit ... Prozent zu verzinsen hat und jederzeit in Höhe der offenen Forderung zurückführen könnte. |
Werden Inkassokosten geltend gemacht, entweder von dem Inkassounternehmen selbst oder von einem Rechtsanwalt nach einem Bearbeiterwechsel, müssen Angaben zu deren Art, Höhe und Entstehungsgrund gemacht werden:
- Der Art nach handelt es sich um einen gesetzlichen oder vertraglichen Schadenersatzanspruch, soweit die Übernahme der Inkassokosten nicht auf einer vertraglichen Übernahme beruht. Auch kann es sich um einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch handeln.
- Der Höhe nach richten sich die Inkassokosten im Außen- bzw. Erstattungsverhältnis zum Schuldner nach dem RVG. § 4 Abs. 5 RDGEG regelt dies seit dem 9.10.13 für vorgerichtliche Inkassokosten, § 4 Abs. 4 RDGEG i.V.m. § 788 ZPO für die Inkassokosten im Rahmen der Vollstreckung. Wegen der Gebühren und Auslagen kann der Schuldner auf die Forderungsaufstellung verwiesen werden, die die Gebühren- oder Auslagenziffer, den Gebührensatz und die Höhe der einzelnen Vergütungsteile erkennen lassen sollte.
- Als Entstehungsgrund kommen vor allem materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht, insbesondere Verzug nach §§ 280, 286 BGB, quasivertragliche Ansprüche wie die Geschäftsführung ohne Auftrag bei Überzahlungen, unerlaubter Handlung nach den §§ 823 ff. BGB oder auch die vertragliche Übernahme, etwa in einem Ratenzahlungsvergleich. Soweit in einer Ratenzahlungsvereinbarung ein abstraktes Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB abgegeben wurde, das die ursprüngliche Hauptforderung aus dem Grundgeschäft, die bis dahin entstandenen Inkassokosten und die Zinsen umfasste, müssen hier keine Angaben mehr gemacht werden. Vielmehr ist dann unter der Informationspflicht nach Nr. 2 anzugeben, dass es sich um einen vertraglichen Anspruch handelt (Vertragsart) und zwar in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (Vertragsgegenstand).
Angaben zur Umsatzsteuer müssen nur gemacht werden, wenn sie vom Schuldner erstattet verlangt wird. Dies ist nur der Fall, wenn der Auftraggeber nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, was dann anzugeben ist.
9. Mitteilungspflichten
Nur auf Anfrage des Schuldners muss der Rechtsdienstleister nach § 11a RDG bzw. § 43d BRAO weitere drei weitere Informationen mitteilen. Dies ändert allerdings nichts daran, dass Gläubiger und Rechtsdienstleister diese Informationen grundsätzlich erfassen und vorhalten müssen:
- Anzugeben ist eine ladungsfähige Anschrift des Auftraggebers, wenn nicht dargelegt wird, dass dadurch dessen schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden. Dies soll eine sichere Identitätsfeststellung ermöglichen und der in Anspruch genommenen Person, die sich gegen die Forderung wehren möchte, ein gerichtliches Vorgehen gegen den Auftraggeber erleichtern.
MERKE | Diese Mitteilungspflicht läuft dem entgegen, was der Auftraggeber eigentlich möchte. Er beauftragt einen Bevollmächtigten, um dessen Kernkompetenzen zu nutzen und sich gerade nicht mehr um die Angelegenheit kümmern zu müssen. Vorgerichtlich ist der Schuldner nicht gehalten, gerichtlich vorzugehen. Er kann die für unberechtigt gehaltene Forderung einfach ignorieren. Nachgerichtlich ergeben sich für ihn alle notwendigen Angaben aus dem Titel. |
- Da eine ladungsfähige Anschrift anzugeben ist, genügt es nicht, auf eine Postfachadresse zu verweisen. Ungeachtet dessen verbietet die gesetzliche Regelung aber nicht, ergänzend zu der ladungsfähigen Anschrift auch noch ein Postfach, eine E-Mail-Adresse und ein Telefon-und vor allem Fax-Nummer anzugeben, um die zwischen dem Auftraggeber und dem Rechtsdienstleister abzustimmende Kommunikation mit dem Schuldner abzustimmen.
- Der Schuldner soll auch über den ursprünglichen Gläubiger einer Forderung unterrichtet werden, um die Berechtigung einer geltend gemachten Forderung überprüfen zu können. Ein vom Auftraggeber abweichender ursprünglicher Gläubiger braucht nicht bereits mit der ersten Geltendmachung einer Forderung benannt werden. Es empfiehlt sich aber, diese Mitteilungspflicht immer als Informationspflicht zu behandeln, wenn der Auftraggeber vom Gläubiger abweicht, weil anderes den Schuldner nur verwirrt, was sich dann als Erfüllungshemmnis darstellt.
- Die Darlegung der wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses soll die Informationspflicht nach § 11a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RDG bzw. nach § 43d BRAO ergänzen und dem Schuldner ermöglichen, zusätzliche Informationen über den geltend gemachten vertraglichen Anspruch zu erhalten, wenn hierfür die konkrete Darlegung des Vertragsgegenstands und des Datums nicht ausreicht. Zu den wesentlichen Umständen des Vertragsschlusses zählen insbesondere Angaben zur Art und Weise des Vertragsschlusses, etwa ob er telefonisch, per Internet oder mündlich an der Haustür erfolgte.
MERKE | Hintergrund ist die Frage, ob dem Schuldner Widerrufsrechte zustehen, er hierüber ordnungsgemäß aufgeklärt wurde und die Widerrufsfristen begonnen haben oder abgelaufen sind. Um schriftliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollte daher schon bei der Aufforderung um ergänzende Informationen eine diesbezügliche Prüfung stattfinden und dem Schuldner das Ergebnis mitgeteilt werden. |
Es ist damit zu rechnen, dass ebenso viele Schuldner um ergänzende Mitteilungen bitten, wie Anfragen nach § 34 BDSG über gespeicherte Daten eingehen. Problematischer ist, dass es gar keine ausdrückliche Frage gibt, sondern solche in der allgemeinen Kommunikation „versteckt sind“. Das müssen Sachbearbeiter erkennen, dann entscheiden, ob sie die Mitteilung mündlich oder schriftlich geben, und im ersten Fall die Erfüllung dokumentieren.