Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.03.2007 | Deliktsforderungen

    BGH regelt Schutzzweck nach § 302 Nr. 1 InsO

    Die Schadenersatzverbindlichkeiten desjenigen, der vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, sind von der Restschuldbefreiung nicht ausgenommen (BGH 21.6.07, IX ZR 29/06, Abruf-Nr. 072438).

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte (= Insolvenzschuldner) hatte seinen Pkw bei der Klägerin (= Insolvenzgläubigerin) gegen Kfz-Haftpflichtschäden versichert. Mit diesem Fahrzeug verursachte er in wegen vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtigem Zustand einen Verkehrsunfall, bei dem sein Beifahrer schwer verletzt wurde. Der Beklagte wurde wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 1 StGB, §§ 230, 232 StGB a.F.) verurteilt. Die Klägerin zahlte als Schadenersatz an das Unfallopfer bisher nahezu eine Mio. DM. Sie erwirkte gegen den Beklagten einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid über 150.749,74 EUR. Daraufhin beantragte der Beklagte die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Restschuldbefreiung. Nach Verfahrenseröffnung meldete die Klägerin ihre titulierte Forderung als eine solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung an. Der Beklagte widersprach der Feststellung des angegebenen Rechtsgrundes. Die Klägerin hat daraufhin Klage auf Feststellung erhoben, dass die titulierte Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühre. Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen und letztlich begründeten Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH sah die Feststellungsklage der Insolvenzgläubigerin als nicht gerechtfertigt an, da die Forderung nicht aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührte. Zum Schutzzweck des § 302 Nr. 1 InsOwerden verschiedene Meinungen vertreten:  

     

    • Nach einer Ansicht muss bei Deliktsforderungen der Gedanke der Entschuldung infolge Restschuldbefreiung hinter der Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts zurücktreten (Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 302 Rn. 2; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, S. 249). Eine Ausgleichsfunktion hat jedoch jeder Schadenersatzanspruch, egal ob er auf einer vorsätzlich oder fahrlässig begangenen unerlaubten Handlung beruht oder sogar vertraglich begründet ist.

     

    • Nach a.A. soll der strafbare Charakter der Verbindlichkeit den Ausschlag geben (MüKo/Stephan, InsO, 2. Aufl., § 302 Rn. 2). Die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung muss jedoch keine Straftat sein. Gerechtfertigt ist die Nachhaftung aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen wegen ihres besonderen Unrechtsgehalts (FK/Ahrens, InsO, 4. Aufl., § 302 Rn. 1). Letztlich sind es also Billigkeitsgesichtspunkte, die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegen (HK/Landfermann, InsO, 4. Aufl., § 302 Rn. 1; HmbKomm/Streck, InsO, § 302 Rn. 1).