16.03.2009 | Der praktische Fall
Darf der Rechtspfleger alles alleine machen?
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf dessen Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet, verbunden mit einer Kostenstundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung. Da der Schuldner zu einem Anhörungstermin nicht erschien, hat die Rechtspflegerin beim AG die Kostenstundung aufgehoben. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat die Rechtspflegerin zurückgewiesen. Dies war unwirksam (BGH 16.12.08, IX ZA 46/08, Abruf-Nr. 090739).
Gegen die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten steht dem Schuldner nach § 4d Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde zu. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RpflG auch, wenn die Entscheidung im eröffneten Verfahren nach § 18 Abs. 1 RpflG durch den Rechtspfleger ergangen ist. Über die sofortige Beschwerde entscheidet nach §§ 567, 568 ZPO das LG. Erst gegen die Beschwerdeentscheidung des LG findet nach § 7 InsO die Rechtsbeschwerde zum BGH statt. Hier hatte die Rechtspflegerin über die sofortige Beschwerde entschieden - ohne Zweifel ein Rechtsverstoß. Zu fragen ist, ob die Entscheidung damit nur rechtswidrig ist und mit der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO angefochten werden muss. Dies hat den Nachteil, dass sie nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden kann. Ist die Entscheidung aber nichtig, ist über die sofortige Beschwerde weiter durch das LG zu entscheiden. Hier gewinnt die Entscheidung des BGH über den Einzelfall hinaus besondere Bedeutung, weil ein zunehmender Trend feststellbar ist, dass die Ausgangsgerichte bei angenommener Unzulässigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit eines Rechtsmittels selbst entscheiden und die Sache nicht mehr dem Rechtsmittelgericht vorlegen.
Der BGH stellt klar: Die Entscheidung der Rechtspflegerin ist auf die sofortige Beschwerde des Schuldners im Rechtsmittelverfahren von dem LG aufzuheben. Eines gesonderten Rechtsmittels gegen die vermeintliche (End-)Entscheidung der Rechtspflegerin bedarf es nicht. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung steht der Partei sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre. Bei richtiger Entscheidungsform ist schon aufgrund der gegen die Ausgangsentscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde auch über den nicht selbstständig anfechtbaren Nichtabhilfebeschluss zu befinden. Der Beschwerdeführer kann die Vorlage an das Beschwerdegericht durchsetzen, indem er von der Befugnis des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO Gebrauch macht, seine Beschwerde nochmals unmittelbar bei dem Beschwerdegericht einzureichen.
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