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  • · Fachbeitrag · Allgemeine Geschäftsbedingungen

    Anspruch aus einem Bierlieferungsvertrag

    Die Obliegenheit zur Mahnung kann auch im Unternehmerverkehr nicht formularmäßig abbedungen werden. Gleiches gilt für das Erfordernis der Nachfristsetzung bei einem vertraglichen Schadenersatzanspruch (OLG Köln 18.4.13, 7 U 180/12, Abruf-Nr. 131577).

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über die Pflichten aus einem geschlossenen Bierlieferungsvertrag. Unter Verweis auf die in § 3 des Vertrags vorgesehene 
Deckungsbeitragsklausel und hilfsweise als vertraglichen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 ff. BGB macht die Klägerin im Hinblick auf einen „Minderbezug“ durch die Beklagte für die Jahre 2008 bis 2010 einen Zahlungsbetrag in Höhe von 22.872 EUR geltend. In § 3 des Vertrags war vorgesehen, dass die Beklagte eine bestimmte Menge an Bier abnimmt und bei einem Minderbezug für die Differenz einen Deckungsbeitrag zahlen muss.

     

    Hilfsweise begehrt sie im Rahmen einer Stufenklage Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Zahlung nach Auskunft im Hinblick auf einen angeblichen Drittbezug durch die Beklagte. Die Beklagte, die zu jener Zeit die Gaststätte „B.“ in M. betrieb, beruft sich auf die Unwirksamkeit der Klauseln des Bierlieferungsvertrags. Das LG hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das OLG sieht das anders und hat die Klage umfänglich abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Ausgehend davon, dass die Bestimmungen eines Bierlieferungsvertrags als AGB anzusehen sind (Formularvertrag), sieht das OLG die verwandte Klausel als unwirksam an.

     

    Bei der vertraglichen Klausel kann es sich entweder um eine Schadenersatzpauschalierung oder um ein Vertragsstrafenversprechen handeln. Was gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Während die Schadenspauschalierung allein die Schadensregulierung erleichtern und den Schadensbeweis ersparen soll, hat die Vertragsstrafe einen doppelten Zweck: Erstens soll sie die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als „Druckmittel“ 
sichern. Zweitens soll sie dem Gläubiger im Fall einer Leistungsstörung den Schadensbeweis ersparen. Insofern besteht zur Schadenersatzpauschalierung Zweckidentität (Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 13. Aufl., 
Rn. 1050).

     

    MERKE | In der Vertragsberatung sollte der Bevollmächtigte beachten, dass die Bestimmung aus sich heraus erkennen lässt, was gewollt ist. Eine ausdrückliche Formulierung vermeidet eine zur Rechtsunsicherheit führende Auslegung. Denkbar ist auch eine Ausgestaltung als vertraglicher Erfüllungsanspruch, indem sich der Bezugspreis je Hektoliter für die gelieferten Getränke um eine bestimmte Größenordnung erhöht, wenn die vereinbarte Mindestabnahmemenge nicht erreicht wird.

     

     

    Es ist von einer Schadenersatzpauschale auszugehen. Hierfür spricht, dass gemäß § 3 der vertraglichen Regelung von einer „Deckungsbeitragsausgleichszahlung“ die Rede ist. Die Abrechnung über die Minderabnahme wird dabei jeweils zum Ende eines Kalenderjahres vorgenommen, die sich daraus ergebenden Rechnungsbeträge sind sofort zur Zahlung fällig. Auch soll der tatsächlich entgangene Gewinn deutlich höher als der vertraglich vereinbarte Betrag von 30 EUR netto sein, was gleichfalls für eine pauschalisierte Schadenspauschale und gegen eine Vertragsstrafe spricht.

     

    Die strittige Klausel ist als Regelung eines pauschalisierten Schadenersatzes gemäß §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 310 BGB - beide Parteien sind Unternehmer - 
unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. So stellt sie nicht auf ein Verschuldenserfordernis ab, das jedoch zum Kernbestand des in §§ 280 ff. BGB geregelten Schadenersatzrechts gehört. Denn es heißt dort ausdrücklich, dass die Abrechnung über die Minderabnahme jeweils zum Ende eines Kalenderjahrs vorgenommen wird. Die sich daraus ergebenden Rechnungsbeträge sind sofort zur Zahlung fällig. Nicht ausreichend ist daher, wenn die Klausel einen Nachweis fehlenden Verschuldens nicht ausdrücklich ausschließt.

     

    MERKE | Diese Argumentation überzeugt nicht, wenn individuell vertraglich eine bestimmte Bezugsmenge vereinbart ist. In diesem Fall liegt nämlich eine vertragliche Pflichtverletzung vor. Wie sich aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, wird dabei ein Verschulden des Schädigers vermutet und nur der Entlastungsnachweis gestattet. Nichts anderes hat die vertragliche Klausel geregelt. Die AGB entsprach also dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung.

     

    Im Übrigen verstößt die Klausel nach Ansicht des OLG auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil mit ihr auch auf das Erfordernis des § 281 BGB verzichtet wird, der für den Schadenersatzanspruch „Schadenersatz statt Leistung“ eine 
erfolglose Fristsetzung voraussetzt. Denn die Klausel sieht nur vor, dass die Minderabnahmen zum Ende des Jahres abzurechnen sind und die sich daraus ergebenden Rechnungsbeträge sofort zur Zahlung fällig sein sollen. Dem Getränkelieferanten ist es aber im Allgemeinen zuzumuten, entsprechend 
§ 281 Abs. 1 BGB zu verfahren, die Obliegenheit zur Mahnung kann auch im Unternehmerverkehr nicht formularmäßig abbedungen werden. Gleiches gilt für das Erfordernis der Fristsetzung.

     

    Um diesem Erfordernis Rechnung tragen zu können und zugleich keine unangemessene Verzögerung der Realisierung des Zahlungsanspruchs zu vermeiden, muss dann eine quartalsweise Abrechnung erwogen werden, die jeweils eine Nachfristsetzung zum Bezug der Differenz erlaubt.

     

    Im Ergebnis folge, so das OLG, daher aus § 306 Abs. 1 BGB, dass die strittige Klausel unwirksam ist, der Vertrag im Übrigen ist wirksam. Weiter gelte 
gemäß § 306 Abs. 2 BGB, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften richte. Dementsprechend stützt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren hilfsweise auf einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten. Dies geschieht ohne Erfolg. Gemäß § 281 Abs. 1 i.V.m. 
§ 280 Abs. 1 BGB ist im hier geltend gemachten Fall „Schadenersatz statt Leistung“ (entgangener Gewinn) im Grundsatz erforderlich, dass dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt worden ist. Dies ist hier unstreitig nicht erfolgt. Gemäß § 281 Abs. 2 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beidseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruches recht-fertigen. Davon war nicht auszugehen.

     

    Die Fristsetzung hat das OLG auch nicht wegen besonderer Umstände gemäß § 281 Abs. 2, 2. Alt. BGB als entbehrlich angesehen. Nach der vertraglich vereinbarten Regelung gelte zwar, dass sich die Beklagte zu einer jährlichen Mindestabnahmemenge verpflichtet habe, die Leistungsverpflichtung war danach kalendermäßig bestimmt, ohne dass dies eine Fristsetzung entbehrlich machen würde. Anhaltspunkte für ein absolutes Fixgeschäft gebe es nicht, ein relatives Fixgeschäft führe nicht einem zu Schadenersatzanspruch.

     

    Aus der Entscheidung müssen in der Beratung von Dauerschuldverhältnissen mit der Mindestabnahme von bestimmten Waren Konsequenzen gezogen werden. Sie wirkt insoweit über Bierlieferungsverträge hinaus. Die Konsequenzen für den Minderbezug müssen danach entweder als vertraglicher Erfüllungsanspruch oder als Vertragsstrafe ausgestaltet werden. Ersatzweise sind in der vertraglichen Regelung wie in deren Nutzung die Vorgaben des OLG Köln zu erfüllen.

     

    Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Aufgrund des Streitwerts war 
allerdings die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft. Diese wurde eingelegt (BGH VIII ZR 130/13). PAK wird weiter berichten.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 95 | ID 39621130