· Fachbeitrag · Bankrecht
Rückforderung von Bankgebühren: Pro und Contra
| Mit Urteil vom 27.4.21 (XI ZR 26/20, Abruf-Nr. 222020 ) hatte der BGH für einen Paukenschlag gesorgt, dessen Konsequenzen Kreditinstitute und Ihre Kunden tragen müssen: Er hatte eine Klausel in den AGB verworfen, nach der das Schweigen des Kunden auf ein Änderungsangebot der Bank eine Zustimmung darstellt (vgl. FMP 21, 126). Die Folgefragen werden zwischen den Beteiligten diskutiert und die Rechtsprechung noch lange beschäftigen. Rechtsdienstleister, die die Gebühren für ihre Mandanten zurückfordern, müssen sich mit den Argumenten der Kreditinstitute auseinandersetzen. Der Beitrag hilft, Argumente zu sammeln und Strategien zu entwickeln. |
1. Die BGH-Entscheidung
Klauseln, die das Schweigen des Vertragspartners als Annahme eines Änderungsantrags qualifizieren, weichen nach Ansicht des BGH von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen ab. Dies benachteiligt die Kunden unangemessen nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Solche Klauseln in AGB sind daher unwirksam und können die beabsichtigten Änderungen der AGB nicht bewirken. Soweit durch die Zustimmungsfiktion Gebühren erhöht werden sollten, sind die daraufhin erfolgten erhöhten Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Kunde hat daher einen Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
2. Konkludente Akzeptanz durch den Kunden
Kreditinstitute bemühen sich, die BGH-Rechtsprechung mit fantasievolle Auslegungen und Folgerungen zu modifizieren. So wird z. T. eingewendet:
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Auch wenn die Klausel unwirksam sei, habe der Kunde durch anstandsloses Zahlen die erhöhten Gebühren akzeptiert. Er habe zudem dem Rechnungsabschluss nicht widersprochen, obwohl dies möglich gewesen sei. Daher sei die Gebührenerhöhung konkludent akzeptiert und die Rückforderung ausgeschlossen. |
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3. Rückforderung nur für drei Jahre möglich?
Nach Ansicht einiger Kreditinstitute ist die „Drei-Jahres-Lösung“, die der BGH bei Energie-Lieferungsverträgen annimmt, auch hier entsprechend anwendbar. Danach ist der Kunde mit seinen Rückzahlungsansprüchen ausgeschlossen, wenn er die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen nicht in einem Zeitraum von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung geltend macht.
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Energiepreise unterliegen Schwankungen, die wegen der Versorgungssicherheit durch Preiserhöhungen an den Endabnehmer weitergereicht werden dürfen. Das würde konterkariert, wenn der Kunde die durch diese Schwankungen ausgelösten Erhöhungsbeträge rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung zurückfordern könnte. |
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Mangels Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen kann die Drei-Jahres-Lösung nicht anzuwenden sein. Die Drei-Jahres-Lösung ist nicht übertragungsfähig, weil es beim Bankvertrag im Gegensatz zum Energielieferungsvertrag keinen vollständigen und vollwertigen Austausch von Leistungen gibt. Die Höhe der Bankgebühren richtet sich nicht danach, ob und in welchem Umfang der Kunde Leistungen in Anspruch nimmt. Die monatlich zu entrichtende Kontoführungsgebühr folgt in ihrer Höhe nicht aus dem Umfang der Kontoinanspruchnahme. |
4. Verjährung
Jedenfalls soll der Anspruch nach Ansicht der Banken und Sparkassen in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nicht mehr durchsetzbar sein.
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Der Rückzahlungsanspruch entstehe mit dem widerspruchslosen Ablauf der typischerweise sechswöchigen Einwendungsfrist gegen den die Belastung verbuchenden Entgelt- bzw. Rechnungsabschluss. Der Kunde habe damit auch Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 199 Abs. 1 BGB), sodass die Verjährungsfrist jeweils zum Schluss des Kalenderjahres begonnen habe. Somit könnten Rückforderungsansprüche nur drei Jahre nach Geltendmachung rückwirkend verlangt werden. |
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann ausnahmsweise die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht in einem für die Klageerhebung ausreichenden Maße einzuschätzen vermag. Das soll insbesondere gelten, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. In einem solchen Fall fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH 28.10.14, XI ZR 348/13). |
- Für ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns spricht, dass vor dem BGH-Urteil keine Zweifel an der Wirksamkeit der Fiktionsklauseln bestanden haben, sodass an eine erfolgreiche Durchsetzung von etwaigen Rückzahlungsansprüchen gar nicht zu denken gewesen ist.
- Im den zu entscheidenden Fällen bestand zudem nicht nur eine anderslautende Rechtsprechung; die Fiktionsklausel war sogar nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 675 g Abs. 2, S. 1 BGB zulässig und wirksam.
- Zudem sind nach der Rechtsprechung des EuGH Bestimmungen, nachdem die Verjährung beginnt, bevor der Kunde von der Missbräuchlichkeit der gegen ihn verwendeten Klauseln Kenntnis nehmen konnte, unionrechtswidrig.
5. Die neue Vertragslösung
Banken und Sparkassen entwickeln nun Ideen, wie sie die Zustimmung der Kunden zu neuen Vertrags- und Gebührenmodellen gewinnen können. So hat die Postbank allen Kunden, die den geänderten Vertragsbedingungen nicht ausdrücklich zugestimmt haben, das Vertragsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt.
Im gleichen Schreiben wurde den Kunden der Abschluss eines neuen Girovertrages zu den aktuellen Konditionen angeboten und dies mit dem Hinweis verbunden, dass eine Nutzung des Kontos ab dem der Kündigung folgenden Tag als Annahme des Angebots auf Abschluss eines neuen Girovertrages zu verstehen sei.
Wie bereits vorstehend dargelegt lässt die fortgesetzte Kontonutzung durch den Kunden aber grundsätzlich keinen objektiven Rechtsbindungswillen erkennen, ein Änderungsangebot anzunehmen. Bei dem neuen, mittlerweile als „Postbank-Modell“ bezeichneten Verfahren verhält es sich jedoch anders, da mit dem Eintritt der Kündigungswirkung das bisherige Kontoverhältnis aufgelöst wird, sodass ab diesem Zeitpunkt das bisherige Recht des Kunden zur Kontonutzung entfällt. Zudem weiß der Kunde nun, dass seine Zustimmung von einem aktiven Verhalten und nicht nur von seinem Schweigen abhängig ist.
Problematisch erscheint dabei jedoch die Regelung in § 312a Abs. 3 BGB. Danach muss eine Vereinbarung in einem Verbrauchervertrag, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung gerichtet ist, ausdrücklich erfolgen. Der hier angenommene Vertragsschluss durch konkludentes Verhalten stellt jedoch gerade das Gegenteil einer ausdrücklichen Vereinbarung dar.
Ob das „Postbank-Modell“ vor diesem Hintergrund eine tragfähige Lösung darstellt, bleibt abzuwarten. Auch dazu werden die Gerichte sicher bemüht werden.