· Fachbeitrag · Beitreibungskosten
Der säumige Schuldner in der Grundversorgung
| Ein Leser fragt: Welche Kosten der Forderungsbeitreibung muss der Schuldner erstatten, wenn er sich in der Grundversorgung mit Strom befindet, die daraus begründeten Forderungen aber nicht ausgleicht, sondern in Verzug gerät? Viele Schuldner reagieren in der Grundversorgung nicht auf schriftliche Mahn- und Erinnerungsschreiben, Telefonnummern sind häufig nicht bekannt. Daher beabsichtigt unser Leser einen externen Außendienst mit der Schuldneransprache, der Aufforderung zur Vollzahlung oder dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung und der Informationsermittlung vor Ort zu den Kommunikationsdaten sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners zu beauftragen. Doch bleibt unser Leser auf diesen Kosten sitzen? |
1. Verzug begründen
Eine Kostenerstattung nach § 17 Abs. 2 StromGVV setzt voraus, dass sich der Schuldner in Verzug befindet. Das setzt neben dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Grundversorgung auch voraus, dass der Schuldner trotz Möglichkeit nicht leistet, die Forderung durchsetzbar und fällig ist sowie angemahnt wurde bzw. eine Mahnung entbehrlich ist. Praxisrelevant sind allein die Voraussetzungen der Fälligkeit und der Mahnung.
- Im ersten Schritt muss die Forderung des Stromversorgers fällig sein. Rechnungen und Abschläge werden nach § 17 Abs. 1 S. 1 StromGVV zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig.
MERKE | Der Stromversorger sollte mit der Rechnungstellung also eine Zahlungsfrist von zwei Wochen zuzüglich einer Postlaufzeit von zumindest drei Wochen setzen. Der Rechtsdienstleister muss mit der Auftragsübernahme prüfen, ob dies geschehen ist.
- In der Fristsetzung nach § 17 Abs. 1 S. 1 StomGVV liegt noch keine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 S. 1 BGB, weil diese ja vor und nicht nach Fälligkeit erfolgt, sodass es nach dem Eintritt der Fälligkeit auch noch einer Mahnung bedarf, also eines nachdrücklichen Zahlungsverlangens.
MERKE | Es liegt kein Fall des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Von einer kalendermäßigen Bestimmung kann nur ausgegangen werden, wenn die Leistungszeit durch Rechtsgeschäft, Gesetz oder Urteil getroffen wurde. Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht dagegen nicht aus. (OLG Schleswig 3.3.15, 3 U 46/14; AG Bad Segeberg 4.7.13, 17 C 90/13). § 17 Abs. 1 S. 1 StromGVV betrifft allein das einseitige Bestimmungsrecht für die Fälligkeit mit einer zweiwöchigen Prüf- und Dispositionsfrist für den Schuldner. Auf die gegenteilige Auffassung des OLG Schleswig (14.2.13, 16 U 74/12) sollte sich der Stromversorger nicht verlassen, zumal der 3. Zivilsenat des OLG dem ausdrücklich widersprochen hat (s.o.).
- Die vorgenannte Streitfrage um die Mahnung relativiert sich, wenn man davon ausgeht, dass der Stromversorger schon aus Gründen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB den Schuldner „auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam“ machen muss, der durch die Beauftragung eines externen Dritten entstehen kann.
2. Eigenkosten nicht erstattungsfähig
Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Eigenkosten geltend gemacht werden können. Eine Erleichterung erhält insoweit § 17 Abs. 2 StromGVV.
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Bei Zahlungsverzug des Kunden kann der Grundversorger, wenn er erneut zur Zahlung auffordert oder den Betrag durch einen Beauftragten einziehen lässt, die dadurch entstandenen Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnen; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen. |
Bei § 17 Abs. 2 StromGVV handelt es sich nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage für Mahnkosten, sondern es wird lediglich eine Entlastung bei der Berechnung der Mahnkosten eingeführt. Die Begründung der Verordnung bezieht sich insoweit ausdrücklich darauf, dass die Mahnkosten Teil des Verzugsschadens nach §§ 280, 286 BGB sind (BR-Drucksache 306/06, S. 37).
Der Verordnungsgeber stellt weiter klar, dass der allgemeine Verwaltungsaufwand, also insbesondere der Zeit- und Personalaufwand, in der Mahnkostenpauschale nicht berücksichtigt werden darf. Entscheidend sind also vor allem die Sachkosten. Danach hat die Rechtsprechung eine Mahnpauschale von 5 EUR für unangemessen hoch, eine solche von 2,50 EUR für beanstandungsfrei gehalten (OLG Celle 26.9.13, 13 U 30/13). Allerdings meinte das OLG München, dass schon 1,20 EUR je Mahnung zu viel seien (28.7.11, 29 U 634/11). Großzügiger waren das LG Itzehoe, das 2 EUR je Mahnung akzeptierte (19.7.11, 1 S 28/11) oder die AG Dieburg (11.2.11, 20 C 28/11) und AG Melsdorf (4.12.07, 84 C 1075/07), wonach 3 EUR angemessen sind. Das Spektrum zeigt, dass zwischen 2 bis 3 EUR je Mahnung als angemessen gelten können.
Achtung | Da § 17 Abs. 2 StromGVV keine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, gilt dies allerdings nicht für die Mahnung, die den Verzug erst begründet.
3. Rechtsdienstleister kann eingeschaltet werden
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Kosten der Forderungsbeitreibung, jedenfalls soweit die Personalkosten betroffen sind, vom Energieversorger und damit letztlich als Kalkulationsbestandteil von allen Stromkunden zu tragen sind. Das ist gegenüber den zahlungswilligen Verbrauchern nur beschränkt vertretbar, sodass der Energieversorger berechtigt ist, einen Rechtsdienstleister mit der weiteren Forderungsbeitreibung zu beauftragen, wenn der Schuldner auf kaufmännische Mahnungen nicht reagiert (LG Konstanz 5.8.13, 2 O 128/13). Insoweit gelten die allgemeinen Regeln für den Einsatz eines Rechtsdienstleisters, sobald der Energieversorger seinen Eigenobliegenheiten genügt hat.
MERKE | Soweit § 17 Abs. 2 StromGVV von einem „Beauftragten“ spricht ist damit nach der Historie nicht ein Rechtsdienstleister gemeint, da dessen Kosten rechtsförmig berechnet werden und keiner Pauschalierung bedürfen. Hiermit sind vielmehr in den internen Beitreibungsprozess integrierte Beauftragte gemeint, etwa wenn der Gläubiger ein Callcenter beauftragt, mit dem Schuldner in Kontakt zu treten, um den Forderungsausgleich zu bewerkstelligen, ohne dass sich das Callcenter als externer Dritter zu erkennen gibt, sondern unter dem Namen des Gläubigers tätig wird. |
Zwischen Rechtsdienstleister (Rechtsanwalt, Inkassounternehmen) und dem Energieversorger ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter (§§ 675, 611 BGB) zu schließen. Die zu vereinbarende Vergütung stellt den ersatzfähigen Schaden nach §§ 280, 286 BGB dar, wobei er der Höhe nach auf die Vergütung nach dem RVG begrenzt ist, §§ 254 Abs. 2 BGB, 4 Abs. 5 RDGEG.
Um der Schadensminderungspflicht zu genügen, muss der Energieversorger aber nicht nur die Vergütung begrenzen. Er muss den Verbraucher auch zunächst mit seiner kaufmännischen Mahnung darauf hinweisen, dass bei einer weiter ausbleibenden Zahlung ein Rechtsdienstleister beauftragt wird und dadurch ungewöhnlich hohe weitere Kosten entstehen.
MERKE | Wenn der ‒ auch vorübergehend zahlungsunfähige ‒ Schuldner darauf keinen Kontakt und infolge dessen eine gütliche Einigung mit dem Gläubiger sucht, muss er die Kostenlast selbst vertreten und kann dafür nicht andere verantwortlich machen. |
Weiterführende Hinweise
- Forderungsdurchsetzung im Geschäftsverkehr, FMP 14, 101
- EU-Recht wird umgesetzt: Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, FMP 13, 104
- Erstattung der Inkassokosten: Das sagt der BGH, FMP 08, 67
- Forderungskonten richtig verwalten, FMP 08, 88
- Wann hat der Schuldner Anspruch auf Zahlungsaufschub?, FMP 14, 184
- Hauseigentümer muss Stromnutzer nennen, FMP 14, 120
- Energielieferungsvertrag: Wer ist Vertragspartner?, FMP 11, 198