· Fachbeitrag · Berufsrecht
Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft
(BGH 30.10.12, XI ZR 324/11, Abruf-Nr. 123679) |
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Schadenersatz im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Beteiligung an einem Filmfonds in Anspruch. Der Zedent erwarb am 31.10.03 nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Beklagten eine Beteiligung an der N-GmbH & Co. KG in Höhe von 10.000 EUR zuzüglich 5 Prozent Agio. Am 17./20.11.09 schloss er mit der Klägerin eine als „Abtretungsvertrag über Schadenersatzansprüche/Forderungsverkauf“ bezeichnete Vereinbarung. Als Kaufpreis vereinbaren die Parteien einen Betrag von 50 Prozent bei einem Vergleich bis 50 Prozent und 60 Prozent bei einem Vergleich ab 51 Prozent der beizutreibenden Forderung bei der bei der außergerichtlichen oder gerichtlichen Geltendmachung der bezeichneten Forderungen erzielten Schadenersatzleistungen (erhaltener Betrag abzüglich entstandener Anwalts- und Gerichtskosten für die außergerichtliche und/oder gerichtliche Geltendmachung).
Geschäftsgegenstand der Klägerin ist ausweislich des Handelsregisters „die Unterstützung geschädigter Kapitalanleger durch Bündelung von Interessen mit Ausnahme von Rechtsberatungsleistungen, die Informationsbeschaffung, die Unterstützung bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche einschließlich der Übernahme und Verwertung von Fondsanteilen und alle hiermit zusammenhängenden Tätigkeiten“. Über eine Registrierung nach § 10 RDG verfügt die Klägerin nicht. Neben dem Zedenten traten noch zahlreiche weitere Anleger etwaige Ansprüche an die Klägerin ab.
Die Klage auf Zahlung von über 11.000 EUR nebst Zinsen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der Beteiligungsrechte und auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie der Ersatzpflicht für weitere steuerliche und wirtschaftliche Nachteile ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben, nachdem dort jeweils die Aktivlegitimation der Klägerin verneint wurde. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der BGH folgt den Vorinstanzen im Ergebnis, nicht aber in den Begründungen.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Für die rechtliche Gestaltung der von vielen Rechtssuchenden nachgefragten Möglichkeit, das Risiko eines Prozesses gegen eine Erfolgsprovision auf einen Dritten zu übertragen, gibt die Begründung des BGH wichtige Hinweise.
Liegt ein fremdes Geschäft vor?
Das OLG ist nach Ansicht des BGH rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin die zedierte Forderung auf Rechnung des Zedenten und damit gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Fall 2 RDG auf fremde Rechnung einzieht. Die vorgenommene Auslegung des zwischen dem Zedenten und der Klägerin geschlossenen Abtretungsvertrags, bei dem mangels gegenteiliger Feststellungen des OLG von einer Individualvereinbarung auszugehen ist, sei nicht zu beanstanden.
Wie der BGH bereits zu dem früheren Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG entschieden hat (BGH WM 09, 259), kommt es für die Bejahung der Abtretung einer Forderung nur zu Einziehungszwecken entscheidend darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll. Hierbei ist nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung und die Art des geschlossenen Vertrags, sondern auf die gesamten zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen. Dadurch soll vermieden werden, dass Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird. Anhand dieser Maßstäbe vollzieht sich auch unter Geltung des neuen RDG die Abgrenzung, ob eine abgetretene Forderung auf eigene oder auf fremde Rechnung nach § 2 Abs. 2 S. 1 Fall 2 RDG eingezogen wird (BT-Drucksache 16/3655, S. 48 f.). Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt.
MERKE | Der gerichtlichen Auslegung kann die Frage also entzogen werden, wenn im Vertrag nicht nur eindeutig geregelt wird, wer rechtlicher Eigentümer der Forderung wird, sondern auch, wie die wirtschaftliche Berechtigung zu beurteilen ist. So sollte die gerichtliche Geltendmachung im Belieben des Zessionars stehen und die Forderung auch bei ihm verbleiben, wenn eine Beitreibung nicht oder nicht erfolgreich erfolgt. Am besten sollte auch ein fester Kaufpreis vereinbart sein. Ist das nicht möglich, muss die vertragliche Konstruktion in Frage gestellt und die berufsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden. |
Vor diesem Hintergrund hat das OLG nach Ansicht des BGH zu Recht angenommen, dass die auf die Klägerin übertragene Forderung für sie weiterhin wirtschaftlich fremd ist. Im Abtretungsvertrag sind zwar weder eine Rückabwicklung des Forderungserwerbs bei Misslingen der prozessualen Geltendmachung noch eine Garantie des Zedenten für die erfolgreiche Beitreibbarkeit der Forderung - beides Indizien für eine verdeckte Abtretung zu Einziehungszwecken (BT-Drucksache 16/3655, S. 49; Mann, NJW 10, 2391) - vorgesehen. Der Erwerb der Forderung durch die Klägerin ist nach dem Vertrag endgültig. Eine gewisse Innenbindung lässt sich jedoch nicht mit der Begründung verneinen, die gerichtliche Geltendmachung der Forderung habe im Belieben der Klägerin gestanden (BGH WM 05, 102). Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO), sich gegenüber dem Zedenten zur Geltendmachung verpflichtet zu haben.
Mangels vertraglicher Regelung trägt zwar - anders als in der dem Urteil vom 25.11.08 (BGH WM 09, 259) zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation - allein die Klägerin die gegebenenfalls anfallenden Kosten einer erfolglosen gerichtlichen Geltendmachung. Gleichwohl ist die erfolgreiche Geltendmachung der Forderung für den Zedenten von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung. Er erhält vorliegend nach § 3 des Vertrags nicht sofort einen von vornherein festgelegten Kaufpreis (BVerwG NJW 03, 2767; BGH 23.1.80, VIII ZR 91/79). Wie das OLG zutreffend ausführt, wird ihm allein im Fall eines gerichtlichen (Teil-)Obsiegens - das nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien auch von § 3 des Vertrags erfasst wird - oder eines Vergleichs ein Anteil am Forderungserlös ausgekehrt. Dessen Höhe hängt zudem davon ab, ob die Klägerin bis 50 Prozent oder mehr der abgetretenen Forderung realisieren kann und wie hoch die anzurechnenden Anwalts- und Gerichtskosten sind.
Leistet die Beklagte dagegen keinen Ersatz an die Klägerin - sei es, weil der behauptete Anspruch nicht besteht oder weil sie trotz Vergleichs oder Urteils zugunsten der Klägerin nicht zur Leistung imstande ist -, treffen sowohl das Veritäts- als auch das Bonitätsrisiko den Zedenten, der wirtschaftlich betrachtet dann leer ausgeht. Er ist daher anders als beim echten Forderungskauf wirtschaftlich weiter an dem Bestand und der Durchsetzbarkeit der zedierten Forderung interessiert, wohingegen die Klägerin - wie bei Inkassodienstleistungen üblich - mit Ausnahme des durch eine Forderungs- und Schuldnerprüfung begrenzbaren Kostenwagnisses kein Risiko eingeht.
Die Einziehung erfolgt auch nicht auf eigene Rechnung, weil die Klägerin nach dem Vertrag an dem eingezogenen Betrag partizipieren soll. Diese Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung für die Inkassotätigkeit ändert nichts an dem Fremdcharakter des Geschäfts (BGH WM 05, 102; WM 09, 259).
Aber: Nebenleistung oder eigenständiges Geschäft?
Allein die Feststellung, dass es sich um ein fremdes Geschäft handelt, lässt die Tätigkeit noch nicht berufsrechtlich relevant erscheinen. Vielmehr muss auch geprüft werden, ob die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird oder lediglich eine Nebenleistung darstellt, sodass es für die Beitreibung keiner berufsrechtlichen Erlaubnis bedarf, § 5 Abs. 1 RDG. Hier ist das OLG nach Ansicht des BGH vorschnell gewesen.
Ein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 RDG liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt (BT-Drucksache 16/3655, S. 49). Da im vorliegenden Fall eine ständige haupt- oder nebenberufliche Inkassotätigkeit der Klägerin nicht in Rede steht, kommt es allein darauf an, ob die Forderungseinziehung durch die Klägerin lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für die Abgrenzung zu einer Hauptleistung sind auch im Rahmen des eigenständigen Geschäfts nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG die in § 5 Abs. 1 S. 2 RDG genannten Kriterien maßgeblich (Eggert, Verkehrsrecht aktuell 10, 168). Die Zulässigkeit von Nebenleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG fordert - anders als nach Art. 1 § 5 RBerG (BGH WM 12, 1082) - keinen unmittelbaren, unlösbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit mehr. Ausreichend ist vielmehr, dass die Rechtsdienstleistungen zu der jeweiligen Haupttätigkeit gehören (BT-Drucksache 16/3655, S. 52). Der sachliche Zusammenhang mit der Haupttätigkeit setzt auch nicht voraus, dass die Hauptleistung ohne die Nebenleistung nicht mehr sachgerecht ausgeführt werden kann (BT-Drucksache 16/3655, S. 54; BGH WM 11, 1772). Die vom OLG befürchtete Umgehung des RDG wird schon dadurch vermieden, dass - auch wenn § 5 RDG eine weitergehende Zulassung von Nebenleistungen als Art. 1 § 5 RBerG ermöglichen soll (BGH WM 11, 1772; BT-Drucksache 16/3655, S. 38) - stets eine innere, inhaltliche Verbindung zur Haupttätigkeit erforderlich ist, sodass rechtsdienstleistende Nebenleistungen nicht beliebig vereinbart werden können (BT-Drucksache 16/3655, S. 54), und dass die Nebenleistung zudem nach § 5 Abs. 1 S. 1 RDG zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören muss.
MERKE | Auch hier gilt allerdings der Primat der Gestaltung. Zunächst muss der Zessionar prüfen, welcher Haupttätigkeit er nachgeht. Bei Gesellschaften wird das durch den in der Gesellschaftssatzung niedergelegten Zweck bestimmt. Desweiteren muss dann aus dem Abtretungsvertrag ersichtlich sein, was die vom Zessionar zu erbringende Hauptleistung und was die Nebenleistung ist. |
Die Klägerin betreibt die Einziehung der Forderung auf Rechnung des Zedenten als eigenständiges und damit gemäß § 3 RDG erlaubnispflichtiges Geschäft, weil sie die Forderung nach den in § 5 Abs. 1 S. 2 RDG genannten Kriterien nicht nur als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit einzieht. Maßgeblich für die Einordnung der Forderungseinziehung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll nur anzuwenden sein, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung selbst nicht wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss - soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt - stets auf nicht rechtlichem Gebiet liegen (BT-Drucksache 15/3655, S. 52; BGH WM 12, 356; WM 12, 1082). Entscheidend ist, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtdienstleistung ein solches Gewicht hat, dass ihre Erbringung die Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erfordert. Hierfür kann die zum RBerG entwickelte Rechtsprechung des BGH (WM 05, 412; WM 05, 1046) herangezogen werden (BT-Drucksache 16/3655, S. 52).
Der Inhalt der rechtsdienstleistenden Tätigkeit wird maßgeblich durch die - objektiv zu beurteilende - Bedeutung der Rechtsfrage für den Rechtsuchenden bestimmt. So wird bei der Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen hinsichtlich der Einziehung von Kundenforderungen durch Vermieter von Ersatzfahrzeugen danach differenziert, ob die Schadenersatzforderung dem Grunde oder lediglich der Höhe nach im Streit steht. Die Regulierung dem Grunde nach streitiger Schadensfälle ist keine nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung der Vermieter von Ersatzfahrzeugen, weil die Klärung der Verschuldensfrage für den Unfallgeschädigten von so essentieller Bedeutung ist, dass sie stets im Vordergrund steht.
Nichts anderes gilt für die dem Grunde nach streitige Schadenersatzforderung der Klägerin wegen angeblicher Pflichtverletzung der Beklagten aus einem zwischen ihr und dem Zedenten geschlossenen Anlageberatungsvertrag. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin, der der Bezeichnung ihres Geschäftsgegenstands im Handelsregister entspricht, besteht ihre Haupttätigkeit nur darin, geschädigte Kapitalanleger zu unterstützen, ihre Interessen zu bündeln, Informationen zu beschaffen und für Interessengemeinschaften geschädigter Kapitalanleger zu recherchieren. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung des Bestehens des behaupteten Schadenersatzanspruchs gegenüber der beklagten Bank für den Zedenten von solcher Bedeutung, dass sie nicht nur von untergeordneter Bedeutung und damit Nebenleistung ist. Dies gilt umso mehr, als der Zedent nach der vertraglichen Ausgestaltung nur bei erfolgreicher Geltendmachung der Forderung am Erlös beteiligt wird. Auch die gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 RDG zu berücksichtigenden Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, sprechen dagegen, die Forderungseinziehung als Nebenleistung anzusehen.
Nach dem zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin erbringt diese mit der Bündelung von Interessen geschädigter Kapitalanleger, der Informationsbeschaffung und Recherche eine lediglich auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet liegende Haupttätigkeit. Da für diese Tätigkeit bei der gebotenen objektiven Betrachtung keine nennenswerten Rechtskenntnisse erforderlich sind, ist die Möglichkeit, erlaubnisfrei über § 5 Abs. 1 RDG annexe Rechtsdienstleistungen anzubieten, beschränkt und umfasst nicht die streitgegenständliche Forderungseinziehung. Denn diese erfordert, auch wenn die Klägerin ihrem Vortrag zufolge vor dem Erwerb einer Forderung deren Bestand nicht prüft, eine solche Prüfung schon wegen des Kostenrisikos einer erfolglosen Inanspruchnahme des Schuldners jedenfalls vor ihrer Geltendmachung. Hierzu sind - nicht über die Haupttätigkeit der Klägerin vermittelte - vertiefte Rechtskenntnisse erforderlich.
MERKE | Der Klägerin hätte daher bei Gründung nur geraten werden können, eine qualifizierte Person zu beschäftigen, die über die theoretische und praktische Sachkunde nach dem RDG verfügt, um eine Registrierung als Inkasso-dienstleisterin (www.rechtsdienstleistungsregister.de) erreichen zu können. Die theoretische Sachkunde kann beim Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen erworben (www.inkasso.de/neuerbereich2/neuerbereich2/index.html) oder eben „eingekauft“ werden, in dem ein Teilnehmer eines solchen Lehrganges eingestellt wird. Alternativ wäre es möglich gewesen, dass Gesamtgeschäft in Kooperation mit einem registrierten Inkassounternehmen abzuwickeln. |
Der Verstoß gegen § 2 Abs. 2 S. 1 Fall 2, § 3 RDG hat zur Folge, dass die Abtretung der Klageforderung gemäß § 134 BGB nichtig ist. Es besteht also ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für den Zessionar und letztlich auch für den Zedenten, was gerade der konkrete Fall zeigt. Durch den Zeitablauf, in dem der Zedent die Forderung nicht geltend gemacht hat, dürfte sein Anspruch verjährt sein. Die Maßnahmen des Zessionars konnten die Verjährung nicht unterbrechen.