· Fachbeitrag · Berufsrecht
Inkasso: Mietwagenunternehmen, „die Zweite“
Ist die Haftung des Unfallverursachers bzw. seines Haftpflichtversicherers dem Grunde nach unstreitig, ist der Einzug der Forderung des Geschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt (BGH 11.9.12, VI ZR 296/11, Abruf-Nr. 123212). |
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Autovermietung, verlangt vom beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten Ersatz restlicher Mietwagenkosten sowie vorgerichtliche Anwaltskosten nach einem Verkehrsunfall. Die volle Einstandspflicht des Beklagten steht außer Streit. AG und LG haben die Klage abgewiesen, da die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, weil die Abtretung der Schadenersatzansprüche wegen Verstoßes gegen §§ 3 RDG, 134 BGB unwirksam sei. Es liege keine erlaubte Nebentätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG vor, weil die rechtliche Beurteilung von Schadensfällen nicht zum Berufsbild eines Mietwagenunternehmers gehöre. Der BGH ist anderer Auffassung als die Vorinstanzen.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin ist aktivlegitimiert und hat eine nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung vorgenommen. Die Abtretung ist nicht nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das RDG nichtig. Es kann offenbleiben, ob es sich bei der Einziehung der an die Klägerin abgetretenen Schadenersatzforderung des Geschädigten um eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG handelt oder eine eigene Rechtsangelegenheit der Klägerin vorliegt. Auch wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgeht, ist diese nach § 5 Abs. 1 S. 1 RDG erlaubt. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine solche vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und der Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 S. 2 RDG). Danach sind hier die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 S. 1 RDG erfüllt. Die Haftung dem Grunde nach war unstreitig.
Dies entspricht den Interessen der Beteiligten. Die an der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs interessierten Unfallgeschädigten gehen erkennbar davon aus, dass die Mietwagenkosten vom gegnerischen Haftpflichtversicherer, der ihnen gegenüber dem Grunde nach zu deren Übernahme verpflichtet ist, erstattet werden und sie mit der Schadensregulierung in keinem größeren Umfang behelligt werden, als unbedingt notwendig. Demzufolge sind Direktabrechnungen von Autovermietern mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer weit verbreitet. Damit liegt es auch im Interesse des Vermieters, seine Tarife so zu gestalten, dass sie einerseits dem eigenen Gewinnmaximierungsinteresse entsprechen, andererseits in der Abrechnung mit dem Haftpflichtversicherer durchgesetzt werden können. Dieses Interesse wird dadurch verstärkt, dass bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall eine Aufklärungspflicht des Vermieters über mögliche Regulierungsschwierigkeiten mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer bestehen kann und dem Vermieter bei Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber dem Geschädigten unter Umständen nur der Betrag zusteht, der in einem Rechtsstreit mit dem Haftpflichtversicherer als nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich angesehen wird.
Schon im Hinblick darauf muss sich der Autovermieter - auch rechtliche - Kenntnisse hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Rechnungen aneignen, wenn es sich um die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall handelt. Die Höhe des Mietpreises ist nach § 287 ZPO von dem insoweit besonders frei gestellten Tatrichter zu schätzen, der dabei auf regelmäßig zugrunde gelegte Listen oder Tabellen zurückgreifen und gegebenenfalls Einwänden gegen die Anwendung einer bestimmten Liste auch durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif begegnen kann.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretung nicht unwirksam, weil die Abtretung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem noch nicht geklärt war, ob und wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt. Die Abtretung als solche ist ein neutrales Geschäft, welches nicht per se gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) verstößt. Sie wäre allenfalls unwirksam, wenn sie von vornherein auf eine nicht erlaubte Rechtsdienstleistung zielte. Dies ist bei der Abtretung eines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung von Mietwagenkosten nicht der Fall, weil die Einziehung diesesAnspruchs durch das Mietwagenunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 RDG grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Liegen mithin keine Umstände vor, aus denen ohne Weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist, ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt.
Praxishinweis
Der BGH bestätigt damit seine Entscheidung vom Beginn des Jahres 2012 (BGH FMP 12, 91). Der Kunde wird in der Praxis einen Mietwagenverleiher bevorzugen, der ihm das „Rund-um-sorglos-Paket“ anbietet. Es wird deshalb für Mietwagenunternehmen wichtig sein, diese Dienstleistung zu erbringen. Für Rechtsanwälte und Inkassounternehmen stellt die Forderungsbeitreibung das Kerngeschäft dar. Was liegt also näher, den Mietwagenunternehmen die Übernahme der entsprechenden Tätigkeiten im Rahmen eines Kooperationsmandats anzubieten? Für Rechtsanwälte besonders attraktiv: Kommt es zum Streit über den Anspruchsgrund, ist die Abtretung unwirksam und der Kunde muss die Mietwagenkosten im eigenen Namen beitreiben. Was liegt näher, als sich hier des ohnehin schon tätigen Rechtsdienstleisters des Mietwagenunternehmens zu bedienen?