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  • · Fachbeitrag · Dienstvertrag

    Privatpatient zahlt nicht: Was nun?

    | Ein Fall aus der Praxis: Schuldner S. ist Privatpatient der Physiotherapiepraxis P. und erhält dort ärztlich verordnete Leistungen. Nach der letzten Behandlung rechnet P. ab. S. reicht die Rechnung bei seiner Privatversicherung V. ein. Die V. (auch die Beihilfe) erstattet S. den Betrag. Dieser bezahlt aber die Rechnung der P. nicht. Macht sich S. des Betrugs strafbar? Kann P. die Forderung dann aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung titulieren lassen und privilegiert und insolvenzsicher vollstrecken? |

    1. Täuschung als Voraussetzung des Betrugs

    Betrug (§ 263 StGB) setzt voraus, dass S. jemanden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Leistungserbringung getäuscht hat. Leitet ein Patient die Erstattung nicht an die Praxis bzw. die Einziehungsstelle weiter, hat er aber die Versicherung nicht getäuscht: Denn die Kostenerstattung ist nicht daran gebunden, dass zuvor eine Rechnung bezahlt wurde. Auch ist sie nicht an die versicherungsrechtliche Pflicht geknüpft, die Kostenerstattung bei noch nicht bezahlter Rechnung an den Behandler weiterzuleiten.

     

    Reicht der Patient die Rechnung ein, erklärt er gegenüber der Versicherung nur, dass er behandelt wurde und die Rechnung erhalten hat. Außerdem würde der Patient allenfalls die Versicherung täuschen, nicht den Gläubiger. Somit fehlt es ihm gegenüber an einer Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Es sei denn, es liegt ein Eingehungsbetrug vor:

     

     

     

    MERKE | Der Schuldner kann nicht damit gehört werden, dass andere Gläubiger auf die Erstattungsleistung zugegriffen haben. Nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind solche Ansprüche nämlich nicht pfändbar (BGH NJW-RR 07, 1510), sodass der Schuldner einem gleichwohl erfolgten Pfändungszugriff hätte entgegentreten können. Auch wenn die Erstattungsleistung auf dem Konto des Schuldners eingegangen ist und insoweit das Guthaben nach § 833a ZPO gepfändet wurde, könnte der Schuldner der Pfändung des Erstattungsbetrags nach § 850k Abs. 4 ZPO entgegentreten. Da die Forderung unpfändbar ist, konnte sie nach § 400 BGB in diesem Umfang auch nicht an einen beliebigen Dritten abgetreten werden. Der Schuldner müsste also auch dartun, aufgrund welcher Umstände ihm die Abwehr des Zugriffs eines Dritten nicht möglich oder zumutbar war. Dafür wird nur wenig Raum sein.

     

    2. Die weiteren Betrugsvoraussetzungen

    Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs nach § 263 StGB sind in der Regel erfüllt. Da der Patient seine Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsunwilligkeit nicht offenbart, unterliegt der Behandler genau hierüber einem Irrtum. Dieser führt unmittelbar zu einer Vermögensverfügung, nämlich der Behandlung. Der Schaden liegt im Erfüllungsinteresse (BGH NJW 12, 601), also der vereinbarten oder üblichen Vergütung für die erbrachte Leistung.

    3. Folgen des Eingehungsbetrugs

    Sind die Betrugsvoraussetzungen danach erfüllt, kann die Forderung (auch) aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB tituliert oder im Insolvenzverfahren angemeldet werden (Deliktsforderung). Dabei kann die Zahlungsklage aus dem Behandlungsvertrag auch mit einem Feststellungsantrag kombiniert werden, dass die Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt. In der Insolvenz ist die Forderung zwingend aus beiden Rechtsgründen (Behandlungsvertrag und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung) anzumelden. In Folge dessen ist die Forderung privilegiert vollstreckbar und im Übrigen insolvenzsicher.

     

     

     

    4. Wie kann der Gläubiger vorbeugen?

    Um solchen Risiken vorher zu begegnen, kann zumindest bei neuen Privatpatienten, die eine intensive bzw. kostspielige Behandlung erhalten, eine Wirtschaftsauskunft zweckmäßig sein. Solche Leistungen bieten die klassischen Auskunfteien wie Creditreform, Bürgel oder Infoscore an. Der Behandler kann auch die Abrechnungszentrale mit der er zusammenarbeitet um eine solche Zusatzleistung anfragen.

     

    Zudem kann sich die Praxis als Gläubiger die Ansprüche des Patienten aus seinem Versicherungsvertrag durch Abtretung (§ 398 BGB) übertragen lassen. Derartige Versuche scheitern aber regelmäßig daran, dass die privaten Krankenversicherungen in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein pauschales Abtretungsverbot vereinbaren, wonach Ansprüche auf Versicherungsleistungen weder abgetreten noch verpfändet werden können (vgl. § 6 Abs. 6 der Musterbedingungen der privaten Krankenversicherungen für Krankheitskosten). Dieses Abtretungsverbot führt zur Unwirksamkeit einer Abtretung (§ 399 HS 2 BGB). Ob also im Einzelfall eine Abtretung möglich ist, kann nur anhand der Versicherungsunterlagen des Patienten geprüft werden.

     

    MERKE | Helfen könnte allerdings eine unwiderrufliche Einzugsermächtigung. Die Einzugsermächtigung stellt rein formal keine Abtretung dar und führt auch nicht zu einem unmittelbaren Rechtsübergang. Vielmehr müsste dann nachfolgend noch die Aufrechnung erklärt werden. Es bliebe abzuwarten, wie die privaten Krankenversicherungen auf eine solche Einzugsermächtigung reagieren.

     

    Besser gestellt ist der Behandler im Hinblick auf einen beihilfeberechtigten Privatpatienten. Hier ist der Beihilfeanspruch abtretbar, weil die Forderung für den Behandler als zweckbegünstigtem Empfänger pfändbar ist. Auch wenn es sich nicht um eine unmittelbare Gehaltsabtretung handelt, ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Leistungsstelle eine öffentliche Beglaubigung der Abtretungsurkunde nach § 411 BGB verlangt.

     

    Am Ende kann es gerade im Hinblick auf neue Patienten bei einer längeren Behandlungsfolge sinnvoll sein, schon nach wenigen Behandlungen eine erste Rechnung zu stellen, um die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Patienten zu testen. Ebenso kann die Zusammenarbeit mit einer Abrechnungsstelle sinnvoll sein, die wiederum mit einem Inkassounternehmen und einem Vertragsanwalt kooperiert, sodass die Forderungsbeitreibung zeitnah, konsequent und im Hinblick auf eine entsprechende Kernkompetenz erfolgt.

     

    Achtung | In der Augustausgabe von FMP werden wir eine Musterklage als Arbeitshilfe bieten. Haben Sie Fragen zu anderen speziellen Konstellationen des Forderungsmanagements? Schreiben Sie uns! Wir werden versuchen, Lösungen und Antworten in praxisgerechter Form zu präsentieren.

     

    Weiterführender Hinweis

    • So bereiten Sie die Anmeldung von Deliktsforderungen richtig vor, FMP 12, 40
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 124 | ID 43482038