· Fachbeitrag · Energiekosten
Vertragliche Bindung und Grundversorgung sind zu unterscheiden
| Eine Leserin fragt: In dem Beitrag „Wer haftet für Energiekosten?“ (FMP 22, 171) haben Sie die Entscheidung des BGH zum Thema „Realofferte durch Bezug von Energie“ angesprochen. Die Entscheidung ist allerdings aus dem Jahr 2019. Seit dem 27.7.21 dürfen Energielieferverträge nicht mehr telefonisch oder mündlich abgeschlossen werden, sondern sie bedürfen der Textform (§ 41b Abs. 1 EnWG). Wie sieht es daher aus, wenn der Energievertrag nur mündlich geschlossen und sodann die Versorgung aufgenommen wurde? Meines Erachtens käme es in diesem Fall bei der Annahme einer Realofferte zu einer Umgehung der gesetzlichen Vorgaben. Aus meiner Sicht greift daher die Annahme der Realofferte nur noch beim Fall der Grundversorgung. Ist das korrekt? |
1. Sonder- oder Grundversorgungsvertrag
In der Praxis ist bei Energieversorgungsverträgen zwischen einem Energielieferungsvertrag mit einem beliebigen Energieversorgungsunternehmen und einem Grundversorgungsvertrag zu unterscheiden. Nur für den ausdrücklich abgeschlossenen Energielieferungsvertrag gilt § 41b EnWG.
|
(1) Energielieferverträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung und deren Kündigung durch den Energielieferanten bedürfen der Textform. |
Die o. g. BGH-Entscheidung (27.11.19, VIII ZR 165/182) und der o. g. FMP-Beitrag beziehen sich auf den häufigen Fall, dass jemand in eine Wohnung einzieht und Versorgungsleistungen in Anspruch nimmt, ohne zuvor mit dem Versorger den Kontakt gesucht und/oder einen gesonderten Vertrag geschlossen zu haben. Für diesen Fall stellt der Gesetzgeber die Grundversorgung als Grundlage des Versorgungsverhältnisses zur Verfügung. Die Entscheidung betrifft also nicht § 41b Abs. 1 S. 1 EnWG, wie sich bereits aus dem zitierten Wortlaut ergibt („außerhalb der Grundversorgung“).
Beachten Sie | Dabei ist zu sehen, dass mit vielen Energieversorgungsunternehmen ein Energielieferungsvertrag geschlossen werden kann, für dessen wirksames Zustandekommen dann § 41b EnWG maßgeblich ist. Grundversorger ist aber immer nur der Energieversorger, der in einem Versorgungsgebiet die meisten Haushalte versorgt.
Für den Abschluss eines Vertrags in der Grundversorgung gelten demgegenüber gesonderte Formvorschriften. Folge: Die Annahme einer Realofferte richtet sich nicht nach § 41b EnWG und steht in keinem Zusammenhang hierzu. Maßgeblich für den Vertragsabschluss auf eine Realofferte sind allein die Grundversorgungsverordnungen.
|
|
2. Das müssen Sie beachten
Da in einem Energieversorgungsgebiet also immer nur ein potenzieller Energielieferant zugleich auch Grundversorger ist, kommt nicht etwa bei einem Verstoß gegen § 41b EnWG beim Vertragsabschluss mit einem Energielieferanten mit diesem auch der Grundversorgungsvertrag zustande. Dies ist nur der Fall, wenn der vertragliche Energielieferant zugleich auch der Grundversorger ist.
Alle anderen Energieversorger haben damit zunächst einmal kein Interesse an einem Verstoß gegen § 41b EnWG, weil sie ansonsten einen potenziellen Kunden verlieren. Dem Grundversorger dürfte ein Verstoß ebenso wenig nützen, wie dem Verbraucher (Haushaltskunde). Die Grundversorgung ist teurer, was der Verbraucher kaum wählen wollen wird.
Der Grundversorger wird sich dagegen nach § 242 BGB nicht auf einen Rechtsverstoß gegen § 41b EnWG zulasten des Verbrauchers berufen dürfen, wenn er einen Energielieferungsvertrag unter Verstoß gegen § 41b EnWG geschlossen hat, dann aber die höheren Preise der Grundversorgung verlangen will.