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  • · Fachbeitrag · Fluggastrechteverordnung

    Das gibt der BGH vor

    | In FMP 13, 195 ff. haben wir bereits über die zunehmend hohe praktische Bedeutung der Fluggastrechteverordnung berichtet und dargestellt, welche Ansprüche der Fluggast hieraus unmittelbar herleiten kann. Im Anschluss an die Aufarbeitung des durch den EuGH konkretisierten rechtlichen Rahmens aus der europäischen Sicht, bereiten wir im Folgenden die Vorgaben des BGH an die Tatsacheninstanzen der AG und LG auf. In der Januar-Ausgabe von FMP folgen dann die relevanten praktischen Konstellationen, bei denen ein Anspruch anerkannt oder abgelehnt wurde. |

     

    Checkliste / Diese Vorgaben macht der BGH den Instanzgerichten

    Gericht/Stichwort
    Leitsatz

    BGH

    13.11.13,

    X ZR 115/12

     

    Landeerlaubnis

    Beruht die Verspätung des Fluges darauf, dass das pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen keine Landeerlaubnis erhält, liegen „außergewöhnliche Umstände“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung vor, die die Verpflichtung eines Luftverkehrsunternehmens zu Ausgleichszahlungen entfallen lassen.

    BGH

    24.9.13,

    X ZR 129/12,

    X ZR 160/13

     

    Vogelschlag

    Ist ein Flug aufgrund eines durch Vogelschlag verursachten Turbinenschadens erheblich verspätet oder wird er deshalb annulliert, bestehen keine Ausgleichsansprüche von Flugreisenden nach der Fluggastrechteverordnung.

    BGH

    7.5.13,

    X ZR 127/11

     

    Verspätung am Endziel

    Den Fluggästen eines verspäteten, nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 zu, soweit sie infolge der Verspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallender oder selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird.

    BGH

    16.4.13,

    X ZR 83/12

     

    Anspruchsumfang

    Beförderungsverweigerung

    Die Fluggastrechteverordnung enthält kein umfassendes Regelwerk, das Ansprüche auf Ausgleichszahlungen, Erstattung von Entgelten und Betreuungsleistungen (Art. 7 bis Art. 9) für sämtliche Fälle vorsähe, in denen der Fluggast nicht oder nicht zu dem geschuldeten Zeitpunkt befördert wird. Durch die Verordnung werden unter den in ihr genannten Bedingungen Mindestrechte für Fluggäste in den Fällen der Nichtbeförderung gegen ihren Willen, der Annullierung des Flugs und der Verspätung des Flugs festgelegt (Art. 1 Abs. 1).

     

    Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird.

    BGH

    13.11.12,

    X ZR 12/12

     

    Zwei oder mehr Flüge

    Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen.

     

    Dies gilt auch, wenn die Flüge von derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht werden können.

    BGH

    13.11.12,

    X ZR 14/12

     

    Zwei oder mehr Flüge

    Bucht der Fluggast bei einem Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im Sultanat Oman einen Flug von Frankfurt am Main nach Bangkok über Maskat in Oman und startet nach dem planmäßigen Hinflug von Frankfurt nach Oman der Anschlussflug erst mit einer Verspätung von acht Stunden, sodass die Fluggäste etwa acht Stunden später als geplant in Bangkok eintreffen, unterfällt nur der Flug von Frankfurt am Main nach Maskat der Fluggastrechteverordnung. Auf den erheblich verspäteten Flug von Maskat nach Bangkok kann die Verordnung hingegen nicht angewendet werden, weil die Voraussetzungen von Art. 3 der Verordnung nicht vorliegen. Eine einheitliche Buchung wirkt sich auf die Eigenständigkeit zweier Flüge nicht aus.

    BGH

    28.8.12,

    X ZR 128/11

     

    Doppelabfertigung

    Anschlussflug

    Wird der Reisende mit seinem Reisegepäck bereits am Abflugort des Zubringerfluges auch für den Anschlussflug abgefertigt, setzt eine Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung auf dem An­schluss­flug weder eine erneute Abfertigung am Umsteigeflug­hafen noch eine Ankunft 45 Minuten vor dem Abflug des Anschluss­fluges voraus.

     

    Die Teilnahme an einem Anschlussflug kann grundsätzlich nicht deshalb verweigert werden, weil das Reisegepäck vom Zubrin­gerflug nicht in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte.

     

    Die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 Fluggastrechteverordnung zur Bereitstellung einer Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug führt mit dem Verfehlen der Leistungszeit ohne Weiteres zu einer dauerhaften Unmöglichkeit im Sinne eines absoluten Fixgeschäfts.

    BGH

    21.8.12,

    X ZR 138/11

     

    Pilotenstreik

    Ruft eine Gewerkschaft im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Piloten eines Luftverkehrsunternehmens zur Arbeitsniederlegung auf, kann dies außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechtsverordnung zur Folge haben.

     

    Das Luftverkehrsunternehmen ist in diesem Fall davon befreit, Ausgleichszahlungen für die Annullierung derjenigen Flüge zu leisten, die es absagt, um den Flugplan an die zu erwartenden Auswirkungen des Streikaufrufs anzupassen.

    BGH

    18.1.11,

    X ZR 71/10

     

    Gerichtsstand

    Soll ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union gegen das Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, ist unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs.

    BGH

    14.10.10,

    Xa ZR 15/10

     

    Bemessungsgrundlage für die Anspruchshöhe

    Annulliert eine Fluggesellschaft einen Zubringerflug (hier: von Berlin nach Amsterdam zum Weiterflug nach Aruba), d.h. sie zieht zwei Stunden vor dem geplanten Abflugtermin die Flug­scheine ein und gibt neue Flugscheine für einen Flug am darauf­folgenden Tag aus, weshalb der Fluggast einen Tag später als geplant am endgültigen Reiseziel ankommt, steht dem Fluggast nach Art. 5 
Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Fluggastrechteverordnung ein Ausgleichsanspruch zu.

     

    Der Ausgleichsanspruch beträgt vorliegend 600 EUR. Bei der Bemessung der Anspruchshöhe ist nicht nur die Entfernung zwischen Berlin und Amsterdam, sondern auch die Entfernung zwischen Amsterdam und Aruba zu berücksichtigen. Nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 Fluggastrechteverordnung wird bei der Ermittlung der Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Damit ist nicht allein auf den Zielort des einzelnen Beförderungsvorgangs abzustellen, der annulliert worden ist. Vielmehr sind auch die Zielorte von direkten Anschlussflügen im Sinne von Art. 2 Buchst. h Fluggastrechteverordnung zu berücksichtigen, sofern die Annullierung dazu führt, dass der Fluggast auch an diesem verspätet ankommt.

    BGH

    25.3.10,

    Xa ZR 96/09

     

    Zeitpunkt der Annullierung

    Schadensersatz

    Ein Luftfahrtunternehmen hat, sobald eine erhebliche Störung im Flugplan auftritt, nach vernünftigem Ermessen zu entscheiden, ob im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen dem Interesse der Fluggäste an einer Durchführung des ursprünglich geplanten Flugs und dem Interesse an einer möglichst frühzeitigen Bekanntgabe einer notwendigen Annullierung der Flug bereits zu annullieren ist.

    Aus Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ergibt sich kein Schadenersatzanspruch. Die Grundlage für einen nach dieser Vorschrift vorausgesetzten Anspruch muss sich aus dem nationalen Recht ergeben. Bei Anwendung des deutschen Sachrechts schuldet ein Luftfahrtunternehmen gemäß § 280 Abs. 1 BGB seinen Fluggästen Schadenersatz, wenn es schuldhaft seine Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht erfüllt.

    BGH

    18.2.10,

    Xa ZR 95/06

     

    Verspätung und Annullierung

    Bei einer großen Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung steht dem Fluggast wie bei einer Annullierung des Flugs ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die große Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

    BGH

    10.12.09,

    Xa ZR 61/09

     

    Ausschlussfrist

    Verjährungsfrist

    Auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung ist die Ausschlussfrist des Art. 35 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.

     

    Solche Ansprüche unterliegen, wenn deutsches Sachrecht anwendbar ist, der Regelverjährung nach § 195 BGB.

    BGH

    26.11.09,

    Xa ZR 132/08

     

    Anspruchsgegner

    Code-Sharing

    Im Falle des Code-Sharing ist nur das Luftfahrtunternehmen, das den Flug tatsächlich durchführt, ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne des Art. 2 Buchst. b Fluggastrechteverordnung und damit im Fall der Annullierung des Flugs zu Unterstützungsleistungen und Ausgleichsleistungen verpflichtet.

     

    Wird der verspätete Flug durch die 100 %ige Tochtergesellschaft eines Luftfahrtunternehmens durchgeführt, ist die Tochtergesellschaft als selbstständige juristische Person das ausführende Luftfahrtunternehmen.

    BGH

    12.11.09,

    Xa ZR 76/07

     

    Technische Defekte

    Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung befreien können, bei einer aufgrund des Defekts erforderlichen Annullierung des Flugs die nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung zu leisten. Dies gilt auch, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat

    BGH

    30.4.09,

    Xa ZR 78/08

     

    Anspruchsvoraussetzungen

    Dem Fluggast steht ein Ausgleichsanspruch wegen „Nichtbeför­derung“ auf einem Flug zu, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

     

    • Der Fluggast verfügt entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug oder ist von einem anderen Flug, für den er eine solche Buchung besaß, auf den betreffenden Flug „verlegt“ worden.

     

    • Der Fluggast hat sich außer im Fall der „Verlegung“ und jedenfalls wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden ist zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden.

     

    • Dem am Flugsteig erschienenen Fluggast wird der Einstieg gegen seinen Willen verweigert.

    BGH

    14.10.08,

    X ZR 15/08

     

    Abgrenzung Verspätung und Annullierung

    Wenn Fluggäste noch vor dem Start das Flugzeug verlassen, weil die Instrumente einen Druckverlust in der Hydraulik anzeigen, und sie ihre Reise nach Umbuchung in einem anderen Flugzeug antreten, während das zunächst vorgesehene Flugzeug den Flug nach etwa 5 1/2 Stunden ohne Passagiere durchführt, kann darin entweder eine Annullierung oder aber auch eine Verspätung des vorgesehenen Fluges zu sehen sein. Im Fall der Verspätung ist die Umbuchung als ein Kulanzangebot der Fluggesellschaft für Fluggäste in Terminnöten zu sehen. Entscheidend ist insoweit der konkrete Inhalt der Mitteilung an die Fluggäste nach Feststellung des technischen Defekts.

     

    Wenn alle Passagiere das Flugzeug verlassen müssen, ihnen das Gepäck zurückgegeben wird und sie mit neuen Bordkarten unter einer anderen Flug-Nr. mit einem Flugzeug einer anderen Fluggesellschaft befördert werden, lässt sich daraus nicht zwingend die Annullierung des gebuchten Fluges folgern, denn das gebuchte Flugunternehmen kann ein Flugzeug einer anderen Gesellschaft gechartert haben.

    BGH

    11.3.08,

    X ZR 49/07

     

    Anspruchsgegner

    Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 EGV 261/2004 können nicht gegen den Reiseveranstalter, sondern nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden.

     

     

    Aktuell sind aber auch noch eine Reihe von Fragen offen. Der BGH hat dem EuGH zur Beantwortung etwa folgende Fragen vorgelegt:

     

    Checkliste / Diese Vorgaben macht der BGH den Instanzgerichten

    Gericht/Stichwort
    Frage

    BGH

    30.7.13,

    X ZR 111/12,

    X ZR 113/12

     

    Zusätzliche Reisekosten

    • 1.Kann ein vom nationalen Recht gewährter Schaden­ersatzanspruch, der auf die Erstattung von zusätzlichen Reisekosten gerichtet ist, die wegen Annullierung eines gebuchten Fluges angefallen sind, auf den Ausgleichsanspruch aus Art. 7 der Verordnung angerechnet werden, wenn das Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtungen nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung erfüllt hat?
    • 2.Wenn eine Anrechnung möglich ist: Gilt dies auch für die Kosten der Ersatzbeförderung zum Endziel der Flugreise?
    • 3.Soweit eine Anrechnung möglich ist: Kann das Luftfahrtunternehmen sie stets vornehmen oder ist sie davon abhängig, inwiefern das nationale Recht sie zulässt oder das Gericht sie für angemessen erachtet?
    • 4.Soweit nationales Recht maßgeblich ist oder das Gericht eine Ermessensentscheidung treffen muss: Sollen durch die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung nur die Unannehmlichkeiten und der von den Fluggästen infolge der Annullierung erlittene Zeitverlust oder auch materielle Schäden ausgeglichen werden?

    BGH

    9.4.13,

    X ZR 105/12

     

    Anwendbarkeit Schweiz

    Ist das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr vom 21.6.99 in der Fassung des Beschlusses Nr. 2/2010 des Luftver­kehrs­ausschusses Gemeinschaft/Schweiz vom 26.11.10 dahin auszulegen, dass die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.04 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungs­leistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 entsprechend ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a auch für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen in der Schweiz einen Flug in einen Drittstaat antreten?

    BGH

    16.6.11 , X ZR 150/10

    Anhängig: EuGH C-437/11

     

    3 Stunden später am Zielort

    Steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zu, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt?

    (BGH, EuGH-Vorlage 16.6.11, X ZR 150/10)

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 213 | ID 42418995