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  • · Nachricht · Forderungsrecht

    Mitverschulden: Was darf berücksichtigt werden?

    | Bei der Prüfung eines Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB darf ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird, nicht berücksichtigt werden (hier: § 832 BGB). |

     

    Der Entscheidung des BGH (20.3.12, VI ZR 3/11, Abruf-Nr. 121713) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin nahm aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns den Beklagten nach einem Brandschaden auf Schadenersatz in Anspruch. Der 10-jährige Beklagte spielte auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der Klägerin nach dem Mittagessen unbeaufsichtigt mit dem etwa zwei Jahre jüngeren Sohn der Klägerin in einer Halle, die sich im Miteigentum der Klägerin und ihres Ehemanns befand. Gegen 14.35 Uhr geriet die Lager- und Scheunenhalle, in der Stroh eingelagert war und sich Pferdeboxen befanden, nebst zwei Anbauten mit weiteren Pferdeboxen in Brand und wurde vollständig zerstört. Die Klägerin verlangt vom Beklagten über 700.000 EUR Schadenersatz nebst Zinsen und Freistellung von restlichen Vergütungsansprüchen einer Baufirma in Höhe von über 30.000 EUR. Das LG hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

     

    Zu klären war, ob der Beklagte gegen den Anspruch gemäß § 254 Abs. 1 BGB einwenden konnte, die Klägerin oder ihr Ehemann hätten ihm oder dem anderen Jungen gegenüber ihre Aufsichtspflicht gemäß § 832 BGB verletzt. Der BGH bekräftigt: Diesem Einwand steht die entsprechende Anwendung des § 840 Abs. 2 BGB entgegen. Die Vorschrift beruhe auf dem Gedanken, dass in den Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite aber erwiesenes Verschulden vorliege, im Innenverhältnis der den ganzen Schaden tragen soll, der schuldhaft gehandelt hat. Danach ist § 840 Abs. 2 BGB zwar nicht anwendbar, wenn der Aufsichtspflichtige nicht nur aus vermutetem, sondern aus tatsächlichem Verschulden haftet. Den Beweis einer Verletzung der der Klägerin und ihrem Ehemann obliegenden Aufsichtspflicht hatte der Beklagte aber nicht geführt.

     

    Bei der Schadensabwägung nach § 254 BGB können indes nur solche Umstände verwertet werden, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind. Ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird, darf daher nicht berücksichtigt werden (st. Rspr.: BGH NJW 57, 99; VersR 63, 285; VersR 66, 164; VersR 95, 357; VersR 07, 263). Wird ein Verschulden nur vermutet, fehlt jeder Anhalt für das Maß dieses Verschuldens, das von der leichtesten Fahrlässigkeit bis zur gröbsten Sorgfaltspflichtverletzung reichen kann. Nur wenn das Maß der Verantwortlichkeit beider Teile feststeht, ist eine sachgemäße Abwägung möglich. Wollte man sie auf Unterstellungen und Vermutungen gründen, würde man in unzulässiger Weise Gewisses mit Unbekanntem vergleichen und zu keinem gerechten Ergebnis gelangen (BGH NJW 57, 100).

    Quelle: ID 34138090