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  • · Fachbeitrag · Mietrecht

    BGH bestätigt Zahlungsanspruch des Mieters für selbst ausgeführte Schönheitsreparaturen

    Die in einem Formularmietvertrag über eine (damals) preisgebundene Wohnung, bei dem der Vermieter die Kosten der Schönheitsreparaturen tragen muss und hierfür ein Zuschlag zur Kostenmiete gemäß § 28 Abs. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung vorgesehen ist, enthaltene Klausel „Sofern der Mieter Schönheitsreparaturen selbst ausführt oder durch entsprechende Fachfirmen ausführen lässt, werden ihm auf Antrag die anteiligen Beträge, wie sie sich nach der obigen Verordnung errechnen, ausgezahlt, sofern die Ausführung sach- und fachgerecht erfolgt ist“ berechtigt den Mieter, die Schönheitsreparaturen selbst auszuführen und anschließend die Auszahlung der „angesparten“ Beträge zu verlangen (BGH 3.12.14, VIII ZR 224/13, Abruf-Nr. 174138).

     

    Sachverhalt

    Nach dem zwischen den klagenden Mietern und dem verklagten Vermieter geschlossenen Mietvertrag war der Vermieter verpflichtet, die Kosten der Schönheitsreparaturen zu tragen. Dafür wurden mit der Miete Umlagen erhoben. Nachdem bis 2012 die Kläger die Schönheitsreparaturen übernommen hatten, informierte der Beklagte diese, dass er die Aufgabe künftig übernehmen werde. Dem widersprachen die Kläger. Am 7.5.12 teilten die Kläger dem Beklagten mit, die Wohnung sei jetzt renoviert, und verlangten die Zahlung von 2.440,78 EUR.

     

    Während das AG der Klage stattgab, wies das LG sie auf die Berufung der Beklagten zurück. Der BGH stellte das Urteil des AG wieder her und gab den Mietern Recht.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Der Entscheidung kommt Bedeutung zu, weil viele Mietverträge über ursprünglich preisgebundenen Wohnraum die im Leitsatz genannte Formulierung enthalten.

     

    Der auf den Mietvertrag gestützte Zahlungsanspruch setzt, anders als vom Vermieter behauptet, nicht voraus, dass er als Vermieter mit einer Ausführung der Schönheitsreparaturen durch die Mieter einverstanden sein müsse. Erforderlich ist allein, dass die fälligen Schönheitsreparaturen sach- und fachgerecht vorgenommen wurden.

     

    MERKE | Den Mietvertrag wertet der BGH als AGB, da dessen Klauseln gleichlautend in einer Vielzahl von Mietverträgen enthalten sind. Dies ist durch den Umstand indiziert, dass er mit einem gewerblichen Vermieter geschlossen wurde.

     

    Der BGH ist dann berechtigt, Mietvertragsklauseln unbeschränkt selbst auszulegen (BGH NJW 14, 2269). AGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Unklarheiten gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.

     

    Demgegenüber kann die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den BGH nur eingeschränkt auf Folgendes überprüft werden:

     

    • Wurden gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln verletzt?
    • Sind die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden?
    • Wurde wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen?
    • Beruhte die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern? (st. Rspr.; BGH NJW 13, 2417; BGH NJW 14, 2864).
     

     

     

    Dies zugrunde gelegt ist der Mietvertrag so auszulegen, dass die Kläger entscheiden können, ob sie fällige Schönheitsreparaturen (sach- und fachgerecht) selbst durchführen und im Anschluss den mietvertraglich geregelten Zahlungsanspruch geltend machen, oder ob sie die Durchführung der Schönheitsreparaturen der Beklagten überlassen. Die Klausel sieht weder vor, dass eine Zustimmung erforderlich ist noch einen Vorbehalt der Beklagten, der Selbstvornahme zu widersprechen. Dafür spricht nach dem BGH der Wortlaut der Klausel wie die Abwägung der beiderseitigen Interessen.

     

    MERKE | Für die Praxis wird dieser Auslegung immer zu folgen sein, wenn die Klausel im Mietvertrag das Zustimmungserfordernis nicht ausdrücklich enthält bzw. nicht ausdrücklich dem Vermieter die Wahl lässt. Dabei kann sich der Bevollmächtigte des Mieters einen weiteren Umstand zu Nutze machen: Gerade bei gewerblichen Vermietern lässt sich immer wieder feststellen, dass sie überhaupt nicht mehr über den Mietvertrag verfügen, weil im Rahmen des ‒ gegebenenfalls mehrfachen ‒ Verkaufs der Wohnungen, die Verträge nicht mit übergeben wurden. Das bringt den Vermieter in die Schwierigkeit abweichende Vereinbarungen nicht beweisen zu können.

     

    Dass der BGH die Begründung seiner Entscheidung auch darauf stützt, dass seine Auslegung der Klausel den beiderseitigen Interessen entspreche, legt nahe, dass die Klausel gegen § 307 BGB verstößt, wenn sie ein Zustimmungserfordernis des Vermieters enthält. Dann stellt sie eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar. Das hat der BGH aber nicht ausdrücklich entschieden.

    Individuelle Vertragsabreden haben nach § 305b BGB Vorrang vor AGB. Einen solchen Vorrang sieht der BGH allerdings nicht, weil es an einer individuellen Abrede fehle, was sich schon daraus ergebe, dass die Kläger bis 2012 immer die Schönheitsreparaturen durchgeführt haben, ohne dass sich die Beklagte oder ihre Rechtsvorgänger auf einen Zustimmungsvorbehalt berufen haben. Im Gegenteil wurde dem dann jeweils geltend gemachten Auszahlungsanspruch immer Rechnung getragen. Die Klausel sei auch nicht durch den Wegfall der öffentlich-rechtlichen Mietpreisbindung gegenstandslos geworden, da die Parteien im Anschluss keine abweichende Regelung getroffen haben.

     

    MERKE | Die Vermieterin ist aber berechtigt, die letzte Miete nach Wegfall der Preisbindung nach Maßgabe von §§ 558 ff. BGB an die ortsübliche Vergleichsmiete heranzuführen, wenn und soweit sie dahinter zurückbleibt (BGH NJW 12, 145).

     

    Da die Beklagte die Mietwohnung erst 2012 und damit kurz vor Ablauf des weiteren Zeitraums für Schönheitsreparaturen erworben hatte, stellte sich dem BGH die Frage, ob sie auch die richtige Anspruchsgegnerin ist. Das hat er gemäß § 566 Abs. 1 BGB angenommen, weil der Zahlungsanspruch zu einem Zeitpunkt fällig geworden ist, zu dem die Beklagte bereits Eigentümerin war. Denn: Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, tritt nach § 566 Abs. 1 BGB der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

     

    Die Wirkung des § 566 BGB besteht darin, dass im Augenblick des Eigentumsübergangs kraft Gesetzes ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter entsteht, allerdings mit uneingeschränkt demselben Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat (BGH NJW 12, 3032; NJW 62, 1388). § 566 BGB erfasst aber nur solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Der Erwerber tritt deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geregelt sind. Zu den von § 566 Abs. 1 BGB erfassten Rechten und Pflichten zählen nach dem BGH Abreden des Veräußerers mit dem Mieter über Aufwendungsersatz für Aufwendungen auf die Mietsache, da es sich um mietvertragliche Pflichten handelt (BGH NJW 88, 705).

     

    MERKE | Wer den vertraglich vereinbarten Aufwendungsersatzanspruch des Mieters erfüllen muss, richtet sich nach dem Fälligkeitsprinzip, also danach, in wessen Eigentumszeit der Anspruch fällig geworden ist.

     

    Der Vortrag des Mieters zur Begründung des Zahlungsanspruchs muss allerdings weiter greifen: Darzustellen ist, dass die gesamte Wohnung, die nach Verstreichen von fünf Jahren renovierungsbedürftig gewesen sei, „malermäßig überarbeitet“ und etwa alle Türen, Wände, Decken und Heizkörper sach- und fachgerecht gestrichen wurden. Der Vortrag ist für den Fall des Bestreitens durch Sachverständigengutachten unter Beweis zu stellen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 51 | ID 43163016