· Fachbeitrag · Mietrecht
Mietkaution als neue Vermögensanlage?
| Bei Abschluss eines Mietvertrags verlangt der Vermieter regelmäßig eine Kaution, um die Erfüllung der dem Mieter obliegenden Pflichten zu sichern. Nach § 551 Abs. 3 BGB muss er eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anlegen. Die Vertragsparteien können aber auch eine andere Anlageform vereinbaren. Das AG Köln hat jetzt über einen besonderen Fall entschieden, in dem die Mietkaution in Aktien angelegt wurde ‒ mit einem bemerkenswerten Ergebnis für den Mieter. |
Sachverhalt
Die Beklagte vermietete im Jahr 1960 an die Klägerin eine Wohnung. Nach der Vereinbarung im Mietvertrag musste die Klägerin 800 DM als Kaution leisten. Die Vermieterin war berechtigt, die Sicherheit ganz oder teilweise in Aktien anzulegen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses sollten die Aktien entweder an die Klägerin herausgegeben werden oder ‒ gegen Zahlung von 800 DM an die Mieter ‒ im Eigentum der Beklagten verbleiben. Die Klägerin zahlte dementsprechend bei Mietbeginn die 800 DM und die Beklagte legte den Betrag mit einer Stückzahl von 409 Aktien an. Aufgrund von Kapitalerhöhungen wuchs die Anzahl der Aktien während der Mietzeit auf 832 Stück Aktien an. Mit Schreiben vom 4.4.18 kündigte die Klägerin den Mietvertrag und forderte die Beklagte auf, die 832 Aktien herauszugeben, die mittlerweile einen Wert von 115.648,00 EUR hatten. Die Beklagte verweigerte die Herausgabe und zahlte stattdessen an die Klägerin dem von D-Mark in EUR umgerechneten Betrag in Höhe von 409,03 EUR.
Entscheidungsgründe
Das AG sieht sich ganz nah bei der Mieterin und hat ihr den Anspruch auf Herausgabe der 832 Aktien zugesprochen (19.7.22, 203 C 199/21, Abruf-Nr. 233120).
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Der Anspruch sei aufgrund der Sicherungsabrede begründet. Darin sei vereinbart worden, dass die Aktien nach Beendigung des Mietverhältnisses an die Mieter herauszugeben seien.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der im Mietvertrag vereinbarten Ersetzungsbefugnis für die Vermieter. Zwar sei dort vereinbart worden, dass die Vermieter durch Zahlung von 800 DM an die Mieter den Herausgabeanspruch ersetzen könnten. Diese Regelung verstoße aber gegen § 551 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 BGB. Danach stünden die Erträge aus der Mietsicherheit unabhängig von der Anlageform dem Mieter zu. Bei dieser Form der Anlage gehörten auch etwaige Kursgewinne zu den Erträgen. Von dieser Vorschrift abweichende Vereinbarungen seien nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam. Das gelte auch für die hier vereinbarte Ersetzungsbefugnis. Dadurch werde nämlich dem Vermieter das Recht eingeräumt, einen Teil der Erträge, nämlich den der Kursgewinne, für sich in Anspruch zu nehmen. Daher stünden der Klägerin die Herausgabe der Aktien im Wert von 115.648 EUR zu.
Relevanz für die Praxis
In diesem Zusammenhang stellen sich immer wieder praktische Fragen zur Abwicklung und Inanspruchnahme der Kaution. Hier wesentliche Hinweise:
Checkliste / Für welche Ansprüche dient die Mietkaution? |
Die Mietkaution soll dem Vermieter eine Sicherheit bieten, falls der Mieter seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Dabei sind folgende Fallkonstellationen denkbar:
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Bevor der Vermieter die Kaution zurückzahlt, sollte er prüfen, ob die Sicherheit noch benötigt wird oder verwertet werden darf. Hat der Vermieter gegen den Mieter die o. g. Forderungen aus dem Mietvertrag, kann er die Kaution verwerten, also mit der Forderung des Mieters auf Rückzahlung der Kaution aufrechnen.
Beachten Sie | Die Kaution darf nur mit Ansprüchen verrechnet werden, die aus dem eigenen Mietverhältnis resultieren (BGH 11.7.12, VIII ZR 36/12). Es ist z. B. nicht zulässig, die Mietkaution mit einer Forderung aus einem früheren Mietverhältnis zu verrechnen, die z. B. durch den Vorvermieter an den jetzigen Vermieter abgetreten wurde.
Innerhalb welcher Frist muss der Vermieter abrechnen?
Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter eine Abrechnung zu erstellen und ggf. die Mietkaution zu erstatten. Dabei ist dem Vermieter nach Vertragsbeendigung eine angemessene Abrechnungsfrist einzuräumen. Erst nach Fristablauf und Abrechnung wird der Anspruch auf Erstattung der Kaution fällig.
Dabei handelt es sich nicht um eine starre Frist. In der Regel wird aber ein Zeitraum von drei bis sechs Monaten als angemessen und ausreichend erachtet. Dabei darf auch eine streitige Forderung in die Abrechnung eingestellt werden. Denn die Mietsicherheit hat nach dem Ende des Mietverhältnisses nicht nur Sicherungsfunktion, sondern dient auch der Verwertung (BGH 24.7.19, VIII ZR 141/17).
Längere Frist bei Betriebskostenabrechnungen
Über den regelmäßigen Abrechnungszeitraum von drei bis sechs Monaten hinaus kann der Vermieter aber einen Teil der Mietkaution zurückbehalten, wenn künftige Forderungen aus einer Betriebskostenabrechnung zu erwarten sind (BGH 18.1.06, VIII ZR 71/05).
MERKE | Das dürfte aktuell insbesondere vor dem Hintergrund der extrem gestiegenen Energiekosten von Bedeutung sein. |
Kein „Abwohnen“ der Mietkaution
Die Mietkaution soll den Vermieter während der Mietzeit sichern. Daher kann und soll der Mieter während der Mietzeit nicht über die Mietsicherheit verfügen.
Der Rückzahlungsanspruch des Mieters wird daher erst nach Beendigung des Mietvertrags fällig. Somit kann der Mieter nicht mit einer eigenen Forderung, die er gegen den Vermieter hat, gegen die Mietkautionsforderung aufrechnen.
MERKE | Insbesondere darf der Mieter die Mietkaution nicht „abwohnen“, also seine Mietzahlungen z. B. drei Monate vor Vertragsbeendigung einstellen und den Vermieter auf die Mietkaution verweisen (OLG Frankfurt a.M. 3.3.04, 2 W 10/04; AG München 5.4.16, 432 C 1707/16). |