· Fachbeitrag · Rechtsdienstleistung
Die Vorgabe von Vertragsbestimmungen gehört in die Hände von Rechtsdienstleistern
| Die Unterscheidung zwischen einer erlaubten und unerlaubten Rechtsdienstleistung kann im Einzelfall schwierig sein, wenn die Haupttätigkeit des Handelnden im unmittelbaren rechtlichen Raum stattfindet. Das kann bei der Erbringung von Architektenleistungen nicht in Zweifel gezogen werden, weil eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Vorschriften zu beachten sind. Der Architekt muss also gut abwägen, welche Aufgaben er übernimmt, da die Folgen eines Irrtums fatal sind: Der geschlossene Vertrag ist dann unwirksam, der Vergütungsanspruch möglicherweise verwirkt, eine Schadenersatzpflicht möglich und der Versicherungsschutz gefährdet. All dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH. |
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten und mit den Leistungsphasen 1 bis 8 nach der HOAI 2009 beauftragten Architekten Schadenersatz. Der Beklagte stellte der Klägerin u. a. einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte. Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte die Klägerin im März 2011 auch die Erd- und Kanalisations- sowie Rohbauarbeiten. Der Vertrag enthält die Vereinbarung „Von der Schlussrechnung des so beauftragten Unternehmens behielt die Klägerin einen 3-prozentigen Skontoabzug von 105.125,00 EUR netto (entsprechend 125.098,75 EUR brutto) ein.“
Die Baufirma hat die Unwirksamkeit der Klausel geltend gemacht und die Zahlung des einbehaltenen Betrags gefordert. Im Rahmen einer Aufrechnung mit Ansprüchen der Klägerin wurde dem Rechnung getragen. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei der vorgenommene Skontoabzug nur deshalb nicht verblieben, da die vom Beklagten vorgeschlagene Skontoklausel unwirksam gewesen sei. Der Beklagte sei deshalb zum Schadenersatz in Höhe von 125.098,75 EUR verpflichtet. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Der BGH ist dem OLG nicht gefolgt, hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
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Eine Vereinbarung, durch die sich ein Architekt verpflichtet, eine von ihm selbst entworfene, der Interessenlage des Bestellers entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, ist wegen eines Verstoßes gegen das in § 3 RDG geregelte gesetzliche Verbot nach § 134 BGB nichtig (Abruf-Nr. 238420). |
Mit dem OLG geht der BGH davon aus, dass kein Schadenersatzanspruch der Klägerin aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB besteht, jedoch sieht er die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 RDG. Es liege eine unzulässige Rechtsdienstleistung des Architekten vor, die über § 3 RDG i. V. m. § 134 BGB dem vertraglichen Ersatzanspruch die Grundlage entziehe, darüber hinaus aber die Haftung nicht ausschließe.
Nach § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Die Voraussetzungen von § 3 RDG sieht der BGH als gegeben an. Der Architekt habe eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG erbracht, die weder als Nebenleistung durch § 5 Abs. 1 S. 1, 2 RDG noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 Buchstabe h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) erlaubt gewesen sei und für die es auch sonst keine Rechtfertigung gebe.
Rechtsdienstleistung?
Der Beklagte hat eine Rechtsdienstleistung erbracht, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt hat.
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach der Rechtsprechung des BGH erfasst diese Vorschrift jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich (BGH NJW 16, 3441).
Nach diesen Maßstäben erforderte die Zurverfügungstellung der Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern eine Prüfung im Einzelfall, ob die Regelung der Interessenlage der Klägerin entspricht.
Nebenleistung?
Die Rechtsdienstleistung des Beklagten war nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 RDG erlaubt. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Ziel dieser Regelungen ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten (BGH NJW 16, 3441; BT-Drucksache 16/3655, S. 51). Auf dieser Grundlage handelte es sich bei der vom Beklagten übernommenen Pflicht, der Klägerin eine ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, nicht um eine Nebenleistung, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Architekten gehört.
Der Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten hat in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. So kann es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen (BGHZ 74, 235, 238).
Die Tätigkeit des Architekten kann zudem erfordern, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen (vgl. BGH BauR 21, 990). Insoweit soll der Architekt in seiner Berufsausübung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht behindert werden.
Der Architekt ist jedoch nicht einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt. Insoweit greift der Zweck des RDG, den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten.
Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus.
Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des Bauherrn als Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rat.
Demgegenüber wird der Architekt in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er die mit dem Bauherrn vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine Skontoklausel zur Verfügung zu stellen, die die Interessenlage des Bauherrn im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmern abbildet. Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat (vgl. schon zum RDG Kniffka, ZfBR 94, 253; vgl. des Weiteren Kniffka/Jurgeleit ‒ Zahn, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650p Rn. 152).
PRAXISTIPP | Die vom BGH getroffene Auslegung des RDG verletzt deshalb den Beklagten nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). |
Keine vertragliche Leistungspflicht
Die von dem Beklagten übernommene Rechtsdienstleistung war des Weiteren durch Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) weder unmittelbar noch mittelbar erlaubt.
Nach dieser Regelung erhält ein Architekt ein Entgelt für das „Mitwirken bei der Auftragserteilung“. Insoweit wird vertreten, der Architekt sei verpflichtet, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt sind. Soweit der Verordnungsgeber insbesondere für rechtsbesorgende Tätigkeiten im Rahmen der HOAI eine Vergütung vorgesehen habe, sei damit ein Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG geschaffen, weil ansonsten eine Leistung vergütet werde, die wegen § 134 BGB nicht wirksam vereinbart werden könne (Locher/Koeble/Frik-Locher, Kommentar zur HOAI, 15. Aufl., Einl. Rn. 209; vgl. zudem Langen, AnwBl. 09, 436, 438).
Ein Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG kann nach Ansicht des BGH aber unmittelbar aus Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) bereits deshalb nicht abgeleitet werden, weil der Verordnungsgeber durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 § 1 MRVG nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln. Mit Art. 10 § 1 MRVG habe der Gesetzgeber die Bundesregierung ausschließlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen.
Aus Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) kann daher auch nicht mittelbar geschlossen werden, eine Vereinbarung über die Zurverfügungstellung einer Skontoklausel, die die Interessen des Bauherrn berücksichtigt, zur Verwendung in den Verträgen mit bauausführenden Unternehmern sei vom Berufsbild des Architekten gedeckt. Die HOAI steht als Rechtsverordnung im Rahmen der Normenhierarchie unter dem RDG als formellem Gesetz, das deshalb Vorrangwirkung entfaltet (BVerfGE 56, 216, Rn. 74).
Dementsprechend ist nicht das RDG unter Heranziehung der Honorarregelungen der HOAI auszulegen. Vielmehr ist umgekehrt bei der Frage der Auslegung von Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) zu berücksichtigen, dass es keine Vergütung für eine Verpflichtung geben kann, die nach § 3 RDG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist.
Unerheblich: Hilfestellung durch Rechtsanwalt
Schließlich ist die von dem Beklagten übernommene unzulässige Rechtsdienstleistung nicht deshalb gerechtfertigt, weil er sich nach seinem Vortrag hinsichtlich der Skontoklausel der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hat. Die Einbeziehung eines Rechtsanwalts als Erfüllungsgehilfen zur Erbringung der Rechtsdienstleistung ändert nach ständiger Rechtsprechung des BGH nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit der entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung (BGH NJW-RR 19, 1524).
Rechtsfolge
Vereinbarungen, die auf die Erbringung einer unerlaubten Rechtsdienstleistung zielen, sind nach § 134 BGB nichtig (vgl. BGH NJW 20, 208).
Die Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien zur Pflicht des Beklagten, eine der Interessenlage der Klägerin entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, führt nicht dazu, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht besteht. Zwar ergibt sich ein solcher Anspruch, wie vom OLG ausschließlich geprüft, nicht aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB. Er kann jedoch unter den Voraussetzungen von § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB bzw. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 RDG (NJW-RR 19, 1524; OLG Koblenz NZBau 21, 187) zuzusprechen sein. Das zu prüfen, hat der BGH dem OLG überantwortet.
MERKE | Nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Das OLG wird nun klären müssen, ob der Architekt schon mit der Übernahme der Leistung eine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat.
Sollte das OLG zu diesem Ergebnis und damit einer Haftung kommen, wird zu berücksichtigen sein, dass der Schaden wohl nicht von der Haftpflichtversicherung des Architekten gedeckt sein wird, weil die erbrachte Leistung nicht zum Tätigkeitsspektrum des Architekten und damit nicht zum Leistungsumfang der Versicherung gehört. |
Relevanz für die Praxis
Nach Ansicht des OLG hat der Architekt mit der eingangs genannten Skontoklausel eine AGB vorgeschlagen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht standhalte. Denn nach der Skontoklausel beginne die Skontofrist erst nach der Prüfung der Rechnung durch den Architekten und der Weiterleitung der geprüften Rechnung mit dem Eingang beim Auftraggeber, ohne dass der Auftragnehmer auf diesen Zeitraum vom Eingang der Rechnung beim Architekten bis zu deren Eingang beim Auftraggeber irgendeinen Einfluss hätte.
Damit könne der Beginn der Skontofrist vonseiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitraum verschoben werden, der unter Umständen Monate nach Rechnungseingang beim Architekten liege. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar. Diese Überlegungen hat der BGH ausdrücklich als nicht zu beanstanden angesehen.