· Fachbeitrag · Schuldnerpsychologie
Defizite im Schreiben und Telefonieren erkennen
| Empfängerhorizont ‒ ein „Zauberwort“ für Juristen. Bei der Forderungsbeitreibung steht dahinter allerdings der Grundsatz: Gläubiger müssen sich in den Schuldner hineinversetzen. Denn Untersuchungen zeigen, dass Schuldner einem Schreiben inklusive dem Öffnen nur etwa 20 Sekunden Aufmerksamkeit schenken. Dann wird es weggelegt oder weggeworfen. Diese kurze Zeitspanne müssen Gläubiger also optimal nutzen. |
1. Sichtweise des Schuldners
Es fragt sich zunächst: Wie kann dies vermieden werden? Hierzu muss man zunächst betrachten, wie Schuldner sich Gläubigerschreiben ansehen.
Checkliste / So schaut ein Schuldner Ihr Schreiben an |
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Diese Positionen beeinflussen ein Weiterlesen und Reagieren. Ein unbekannter Absender ist ein Filter, ein „Nein“ zum Weiterlesen, die richtige Anrede und der Name richtig geschrieben sind ein „Ja“. Eine nicht lesbare Unterschrift? Wieder ein „Nein“! Stark vereinfacht gesagt: Stehen am Ende der 20 Sekunden mehr „Nein“ als „Ja“, wird der Schuldner das Schreiben weglegen. Es ist unwahrscheinlich, dass er es noch einmal anfassen wird.
2. So verbessern Sie Ihre Schreiben
Wenn Sie über die o.g. 20 Sekunden hinauskommen wollen, müssen Sie möglichst viele „Ja“ sammeln. Die folgende Checkliste hilft Ihnen zu diesem Ziel zu gelangen.
Checkliste / So verbessern Sie Ihr Anschreiben |
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3. Wenn der Schuldner trotzdem anruft
Viele Schuldner melden sich etwa wie folgt: „Ich habe gerade so ein Schreiben bekommen, was ist das, das kenne ich nicht.“ Der Schuldner hat das Schreiben erkennbar nicht zu Ende gelesen. Er hat gleich angerufen. Zunächst gilt: Gut dass er sich überhaupt meldet! Das war aber nicht Ihr Ziel.
Das Ziel in einem Forderungsschreiben ist die Zahlung. Der Anruf ist nur ein Nebenziel und das Angebot einer Telefonnummer dient eigentlich nur der Glaubwürdigkeit und Fairness. Also steckt in dem Schreiben etwas, das den Schuldner zur Rechtfertigung auffordert und das führt zum sofortigen Anruf. Hier mangelt es wahrscheinlich an Wertschätzung und Zurückhaltung im Schreiben. Das sind zwei Begriffe, die mit einem Forderungsschreiben nur selten in Verbindung gebracht werden. Dahinter steckt sogar ein Nobelpreis. Kahneman wurde 2002 für seine Forschung ausgezeichnet, dass Menschen nicht rational, sondern in unsicheren Situationen unter Wahrnehmungsverzerrungen entscheiden. Dabei wird bei einem drohenden Verlust irrational gehandelt. Das macht Ihr Schuldner hier. Es droht der Verlust an Ansehen und Geld. Mit dem Anruf versucht er, diesen Verlust zu vermeiden. Er könnte auch einfach auf seinen Kontoauszug schauen. Tut er aber nicht. Deswegen sind (unmittelbar) wirksame Forderungsschreiben stets vorwurfs- und drohungsfrei.
Der Schuldner will in dem Telefonat nur seine Unschuld beteuern. Wenn eine Rechnung nicht gezahlt wird, dann ist die einzige gültige Ausrede: „Vergessen“. Das ist menschlich. Jetzt müssen Sie richtig reagieren. Sie dürfen nicht in den Reflex verfallen, dem Schuldner nachweisen zu wollen, dass er etwas falsch gemacht hat. Für das Ergebnis der Forderung ist nur wichtig, dass gezahlt wird. Wenn man dem Schuldner gleich zugesteht, er habe die Zahlung wohl nur vergessen, ist die Situation gleich entspannter. Gut, dass er anruft, die Rechnung geht gern noch einmal raus. Konfliktreiche Gespräche entstehen bei starken Unsicherheiten, z.B. komplett unbekannten Situationen (Rechtsanwaltsschreiben, Paragraphen als Argumente oder starke Drohungen). Denn jeder Schuldner glaubt, er sei ein pünktlicher Zahler. Daraus entstehen drei immer wieder auftretende Schuldnertricks, die es auszuhebeln gilt:
Checkliste / Drei beliebte Schuldnertricks |
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Die Einsicht jetzt wohl doch zahlen zu müssen geschieht allein im Kopf des Schuldners und ist verbal nicht zu hören. Hier brechen die meisten Mitarbeiter (leider) ab und schwenken um auf Nachweise, Prüfen oder Wiederanrufe. Ein kleiner Schritt noch und die Einsicht kann in einer Zahlung enden. Dazu ist es wichtig die Forderung zu stellen: Hier sind noch 200 EUR offen. Dann sollte eine Frage zur Handlungsauslösung folgen: Wann und wie wollen Sie zahlen?
4. Inkassoschreiben-Test
Testen Sie anhand des oben Gesagten selbst, wie wirksam ihre Inkassoschreiben sind und erkennen Sie ihren Handlungsbedarf. Hier kann es helfen, sich professionelle Hilfe zu sichern. Über eine höhere Zahlungsquote macht sich das schnell bezahlt.
Checkliste / Inkassoschreiben-Test | ||
Kommt bei uns häufig vor | Kommt bei uns nicht vor | |
(-) Unsere Schreiben haben mehr als sieben Zeilen Fließtext.
(-) Wir haben mehr als eine Zahl pro Satz.
(+) Wir sagen klar, dass der Schuldner zahlen soll. | ...
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(+) Unsere Kontonummer ist auch ohne Brille lesbar.
(-) Wir bieten schon im Schreiben Ratenzahlung an.
(-) Wir fordern zum Anrufen auf. | ...
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(+) Unsere Telefonnummer ist leicht zu finden.
(+) Wir bieten Kontakt per E-Mail und Social Media an.
(-) Unsere Schreiben wurden von Juristen formuliert. | ...
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(+) Unsere Inkassoschreiben sagen genau, was der Schuldner tun soll: Anrufen oder zahlen.
(-) Wir nennen dem Schuldner Konsequenzen, wenn er nicht zahlt. |
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(-) Wir begründen unsere Beauftragung.
(+) Wir bekommen auf jedes Schreiben eine Zahlung oder einen Anruf. | ...
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