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  • · Fachbeitrag · Verbraucherkreditvertrag

    Anforderungen an eine wirksame Widerrufsbelehrung beim „Baukastenvertrag“

    | Ist eine Widerrufsbelehrung unwirksam, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Folge: Dem Schuldner steht möglicherweise zeitlich unbeschränkt die Option offen, sich von seinen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen und die Forderungsbeitreibung zumindest erheblich zu verzögern. In einer aktuellen Entscheidung des BGH wird deutlich, welche Anforderungen an die von Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB geforderte klare und verständliche Wiedergabe einer Widerrufsinformation bei „Baukastenverträgen“ bestehen, d. h. wenn innerhalb des Vertrages Ankreuzoptionen zur Vertragsgestaltung bestehen. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er nimmt die beklagte Sparkasse auf Unterlassung einer aus seiner Sicht nicht hinreichend hervorgehobenen Widerrufsinformation in den Formularen der Bank für Immobiliendarlehensverträge mit Verbrauchern in Anspruch. In dem Vertragsformular war die Widerrufsbelehrung in einem besonderen Kasten mit Überschrift in Fettschrift enthalten.

     

    Während das LG der Klage stattgegeben hat, wies das OLG sie ab. Die Information sei im konkreten Fall so gestaltet gewesen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht bei der gebotenen Lektüre des Vertrags wahrnehme und nicht über die Belehrung hinweglese. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, dass auch andere Informationen und Belehrungen in gleicher Weise hervorgehoben seien.

     

    Der BGH hat die Entscheidung des OLG bestätigt und keinen Anlass für Beanstandungen bei der Widerrufsbelehrung gesehen. Die Entscheidung lässt sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

     

    • Leitsätze: BGH 23.2.16, XI ZR 549/14
    • 1. Das Widerrufsrecht bezweckt beim Verbraucherdarlehen ebenso wie beim Fernabsatzgeschäft den Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung.
    • 2. Wegen der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucher bei einem Verbraucherkreditvertrag schreibt § 495 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 EGBGB ausdrücklich die grafisch hervorgehobene Information des Verbrauchers vor.
    • 3. Ist in einem „Baukastenformular“ für einen Verbraucherkreditvertrag mit Ankreuzmöglichkeiten die Widerrufsbelehrung in einer Umrahmung und mit Überschriften in Fettdruck enthalten, sodass die Gestaltungselemente die Widerrufsbelehrung so augenfällig von dem keine Belehrungen oder Pflichthinweise enthaltenden Vertragstext abheben, dass ein Verbraucher, der den Text mit der gebotenen Sorgfalt liest, sie besonders wahrnehmen wird, ist diese Art der Belehrung wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
     

    Relevanz für die Praxis

    Aus ‒ auch negativen ‒ Entscheidungen des BGH zum Inhalt und zur Gestaltung von Widerrufsbelehrungen gilt es, die positiven Aspekte herauszuziehen. Denn zukunftsgerichtet können Sie daran die Widerrufsbelehrungen Ihrer Mandanten permanent überprüfen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung anpassen. So vermindern Sie das Risiko künftiger Widerrufe und die damit verbundenen negativen Folgen.

     

    Im Rahmen einer Risikofolgenabschätzung kann es bei erkannter Unwirksamkeit von in der Vergangenheit verwandten Widerrufsbelehrungen sinnvoll sein, den Vertragspartnern eine neue Widerrufsbelehrung zu erteilen. Dies gilt, auch wenn damit aktuell das Risiko besteht, dass von der Widerrufsbelehrung in einem gewissen Umfang tatsächlich Gebrauch gemacht wird.

     

    Sofern unwirksame Widerrufsbelehrungen für die Vergangenheit erkannt werden, eine Risikofolgenabschätzung aber von einem Austausch absehen lässt, kann gleichwohl für eine Risikorücklage gesorgt werden. So wird vermieden, dass die Liquidität und die sonstige Geschäftstätigkeit durch die spätere Realisierung des Risikos in Einzelfällen beeinträchtigt wird.

     

    Der BGH hat seiner o. g. Entscheidung nun bereits die aktuelle Rechtslage in dem durch Art. 2 des „Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht“ vom 29.7.09 (BGBl. I, S. 2355 ff.) geänderten § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB zugrunde gelegt:

     

    • Dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift kann nach dem BGH kein Erfordernis einer besonderen Hervorhebung entnommen werden. Maßstab sei nur, dass bestimmte Pflichtangaben „klar und verständlich“ sein müssten. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich nichts anderes. Hervorhebungen seien nach der EU-VerBrKrRL zwar in bestimmten Fällen, nicht aber für Widerrufsbelehrungen vorgesehen.

     

    • Auch im systematischen Zusammenhang mit anderen Regelungen sieht der BGH kein Erfordernis für Hervorhebungen. Eher das Gegenteil könne angenommen werden.

     

    • Gegen eine besondere Hervorhebung spreche auch, dass nach § 492 Abs. 2 BGB die Information über das Widerrufsrecht in die Vertragsurkunde aufzunehmen ist (Ein-Urkunden-Modell). Anders als teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe WM 15, 1712) vertreten, verneint der BGH auch eine aus Sinn und Zweck des Widerrufsrechts gefolgerte Hervorhebung der dazu vom Darlehensgeber zu machenden Angaben.

     

    • Letztlich sieht der BGH in einer Reihe weiterer Vorschriften keine Grundlage dafür, es für erforderlich zu halten, die Widerrufsbelehrung grafisch hervorzuheben.

     

    PRAXISHINWEIS | Sofern ein Schuldner also den Vertrag unter Hinweis auf die mangelnde graphische Hervorhebung der Widerrufsbelehrung widerruft und seine Leistungspflicht verneint, können Sie dies unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung zurückweisen.

     

     

    Um es noch einmal deutlich zusammenzufassen, da dies in der Praxis oft missverstanden wird: Die Angaben zum Widerrufsrecht in einem Verbraucherdarlehensvertrag müssen nicht hervorgehoben werden. Denn es kann von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher erwartet werden, dass er den Text eines Darlehensvertrags sorgfältig durchliest. Widerrufsangaben müssen allerdings umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll durch sie nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben.

     

    Der EuGH stellt dabei auf das o. g. Leitbild eines verständigen Verbrauchers ab (EuGH VersR 15, 605; EuGH WM 16, 14). Angesichts der Bedeutung von Immobilienfinanzierungsdarlehen kann erwartet werden, dass die Verträge sehr sorgfältig gelesen werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Dass eine graphische Hervorhebung rechtlich nicht erforderlich ist, hindert allerdings den belehrungspflichtigen Unternehmer nicht, eine solche Hervorhebung zu wählen. Die Bank war so verfahren, indem die Belehrung in einem Kasten aufgenommen wurde, der mit fetter Schrift überschrieben war. Die Gefahr einer solchen Verfahrensweise besteht darin, dass damit andere Aspekte des Vertrags, die hervorzuheben sind, in den Hintergrund treten. Insgesamt ist also eher Vorsicht geboten.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Ein Mehr an Widerrufsbelehrung schadet nicht, FMP 16, 68
    • Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen, FMP 14, 189
    • Kein Widerruf eines Prozessvergleichs aus dem Verbraucherrecht, FMP 16, 5
    • Darlehensvertrag beim Autohändler als Fernabsatzvertrag?, FMP 14, 183
    • Schon jetzt kein „ewiges Widerrufsrecht“ mehr, FMP 16, 63
    • Unwirksame Widerrufsbelehrungen mit erheblichen Folgen, FMP 15, 163
    • Widerruf von Darlehensverträgen: BGH schlägt erste Pflöcke ein, FMP 16, 81
    • Keine Verwirkung des Widerrufsrechts, FMP 15, 111
    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 97 | ID 44048248