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  • · Fachbeitrag · Vergütung

    Kürzung der Vergütung des Sachverständigen gemäß § 8a Abs. 4 JVEG

    | Die gerichtliche Forderungseinziehung hat ein hohes Kostenrisiko. Zu den wenig kalkulierbaren Kosten gehört die Sachverständigenvergütung. Die Auslagenvorschussanforderungen des Gerichts geben Hinweise für eine Risikoabschätzung. Es ist für die Parteien wesentlich, dass sie davon ausgehen können, dass der Kostenrahmen eingehalten wird. Überschreitet der Sachverständige den Kostenrahmen, kann dies zum Verlust seines Vergütungsanspruches oder zur Beschränkung führen. Der Bevollmächtigte ist schon aus dem Mandatsvertrag verpflichtet, dem nachzugehen. Der Sachverständige wiederum muss wissen, wie er argumentieren kann. Hier hilft eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt. |

     

    Sachverhalt

    Für zwei Sachverständigengutachten hatte das AG einen Kostenvorschuss von 10.500 EUR und 400 EUR bestimmt und dies dem Sachverständigen mitgeteilt. Die Parteien zahlten. Tatsächlich hat der Sachverständige dann über 14.000 EUR und 642 EUR abgerechnet. Nachdem er zunächst einen unzureichenden Kostenvorschuss angesprochen hatte und dieser erhöht worden war, hat er entgegen der Aufforderung in seiner Beauftragung nicht nach § 407a Abs. 4 S. 2 Alt. 2, 2. Var. ZPO darauf hingewiesen, dass er den erhöht festgesetzten Kostenvorschuss möglicherweise überschreiten würde. Erst mit der Übersendung der Rechnung hat er um eine weitere Erhöhung des Kostenvorschusses gebeten. Das AG hat die Vergütung auf den Kostenvorschuss begrenzt, während das LG auf die Beschwerde des Sachverständigen die Vergütung in vollem Umfang zugesprochen hat. Auf die vom LG zugelassene weitere Beschwerde der Staatskasse nach § 4 Abs. 5 JVEG musste sich das OLG mit dem Fall beschäftigen.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach dem OLG Frankfurt kommt es für die Begrenzung der Sachverständigenvergütung auf das tatsächliche Verhalten und nicht einen fiktiven Verlauf an (12.11.19, 18 W 155/19, Abruf-Nr. 213930). Kurz zusammengefasst:

     

    • Leitsatz: OLG Frankfurt 12.11.19, 18 W 155/19

    § 8a Abs. 4 JVEG ist nicht dahin einschränkend auszulegen, dass die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterbleibt, wenn davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige nach § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre. Dies ist auch nicht für die Erheblichkeit im Sinne von § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO vorausgesetzt (Abruf-Nr. 213930).

     

    Nach § 8a Abs. 4 JVEG erhält der Sachverständige die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und er nicht rechtzeitig gemäß § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat.

     

    Die Kosten für das erste Gutachten von über 14.000 EUR übersteigen den Vorschuss von 10.500 EUR um gerundet 36 Prozent und damit im Sinne des § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO erheblich. Das Gleiche gilt für die Kosten von 642 EUR für das zweite Gutachten, die den angeforderten Vorschuss von 400 EUR um gerundet 61 Prozent übersteigen.

     

    Wie damit umzugehen ist, ist umstritten:

     

    • Die OLG Dresden (26.9.14, 3 W 980/14) und Karlsruhe (10.4.17, 13 W 25/17) vertreten die Ansicht, dass eine Erheblichkeit im Sinne von § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO nur gegeben ist, wenn es bei einer pflichtgemäßen Anzeige durch den Sachverständigen nicht zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre.

     

    • Nach a. A. des OLG Frankfurt ist dagegen allein auf das objektive Verhältnis zwischen dem angeforderten Vorschuss und den tatsächlich angefallenen Kosten abzustellen. Jedenfalls dann, wenn ‒ wie hier ‒ die tatsächlich angefallenen Kosten den angeforderten Vorschuss um deutlich mehr als 20 Prozent übersteigen, ist die Auffassung, diese Überschreitung sei nicht erheblich, weder mit dem Wortlaut von § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar.

     

    Das OLG Frankfurt bleibt bei seiner Ansicht und stellt vor allem auf die Gesetzesbegründung ab (BT-Drucksache 17/11471, S. 260). Dort heißt es: „Wenn die Vergütung einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden. Dadurch soll aber keine generelle Kappungsgrenze für jede Überschreitung des Vorschusses geschaffen werden, sondern nur für Fälle des erheblichen Übersteigens. Die Literatur nimmt Erheblichkeit erst bei einer um zwanzig Prozent übersteigenden Vergütung an (Zöller/Greger, 25. Aufl., § 413 ZPO, Rn. 6.)“. Durch die Verwendung des Wortes „erst“ habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass ein erhebliches Übersteigen auch schon bei einer Überschreitung von weniger als 20 Prozent denkbar, bei einer Überschreitung von mehr als 20 Prozent indes jedenfalls gegeben sein soll.

     

    MERKE | Wollte man auf die (fiktive) Zustimmung der Parteien, insbesondere der beweisbelasteten Partei abstellen, käme es auch darauf an, ob diese rechtsschutzversichert ist (OLG Karlsruhe, a. a. O.). In diesem Fall wäre nämlich wohl stets von einer Zustimmung auszugehen. Die nicht beweisbelastete Partei, die allerdings nachträglich die Kosten zu tragen haben könnte, ohne eine Rechtsschutzversicherung zu haben, ist dann aber in ihrer Risikoabschätzung beeinträchtigt.

     

    Das Argument des OLG Dresden, der Betrag, um den die angefallenen Kosten den Vorschuss übersteigen, sei in das Verhältnis zum Streitwert zu setzen, sieht das OLG Frankfurt als Widerspruch zum Wortlaut des § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO. Diese Regelung sieht eine Relation zum Wert des Streitgegenstands nur hinsichtlich der für das Gutachten insgesamt anfallenden Kosten (Var. 1), nicht aber hinsichtlich des Teils der Kosten vor, die den angeforderten Vorschuss übersteigen. Diese sind (allein) zum Vorschuss ins Verhältnis zu setzen (Var. 2).

     

    Der Anwendung von § 8a Abs. 4 JVEG steht nach dem OLG Frankfurt § 8a Abs. 5 JVEG nicht entgegen. § 8a Abs. 5 JVEG bestimmt, dass § 8a Abs. 4 JVEG nicht anwendbar ist, wenn der Vergütungsberechtigte die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen wird nach der Systematik des § 8a JVEG vermutet, sodass es dem Sachverständigen obliegt, entlastende Umstände darzulegen (OLG Hamm 8.5.15, 12 U 62/14).

     

    Es ist nach dem OLG einem Sachverständigen durchaus zuzumuten, stets über die für ein Gutachten bereits aufgewendete Arbeitszeit informiert zu sein, um das Gericht rechtzeitig darauf hinweisen zu können, dass voraussichtlich Kosten anfallen, die den angeforderten Vorschuss erheblich übersteigen. Dafür benötigt er auch keinen kaufmännischen Angestellten.

     

    MERKE | Die gesetzliche Verschuldensvermutung wäre widerlegt, wenn der Sachverständige keine genaue Kenntnis von der Höhe des für sein Gutachten zur Verfügung stehenden Vorschusses gehabt hätte, vor allem, wenn es an einer entsprechenden Mitteilung des Gerichts fehlte (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG-FamGKG‒JVEG, 4. Aufl., § 8a Rn. 20; LSG Bayern 8.6.15, L 15 SF 255/14 E und 11.11.15, L 15 RF 43/15; Schneider, JVEG, 3. Aufl., § 8a Rn. 43, OLG Hamm 6.6.14, I-11 U 153/12).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Rechtsfolge der Pflichtverletzung des Sachverständigen ist: Seine Vergütung wird auf die Höhe des Auslagenvorschusses gekürzt. Wie der o. g. Sachverhalt zeigt, kann dies eine erhebliche Kürzung bedeuten.

     

    Nach dem OLG Frankfurt ist § 8a Abs. 4 JVEG nicht dahin einschränkend auszulegen, dass die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterbleibt, wenn davon auszugehen ist, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre. Soweit die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des im Zuge des 2. KostRMoG vom 23.7.13 geschaffenen § 8a Abs. 4 JVEG auf dieses Kriterium abgestellt hat (vgl. z. B. OLG Stuttgart 12.11.07, 8 W 452/07; OLG Naumburg 19.6.12, 1 W 30/12), ist sie überholt. § 8a Abs. 4 JVEG lässt aufgrund seines eindeutigen Wortlauts, an dem der Gesetzgeber auch bei der späteren Änderung des § 8a JVEG (vgl. § 8a JVEG i. d. F. v. 11.10.16) festgehalten hat, keine einschränkende Auslegung zu.

     

    Das OLG lehnt damit die vom LG vertretene teleologische Reduktion von § 8a Abs. 4 JVEG im Vergleich der Norm mit § 8a Abs. 2 und Abs. 3 JVEG ab. Der Gesetzgeber habe in § 8a JVEG hinsichtlich der verschiedenen möglichen Pflichtverletzungen eines Sachverständigen differenziert und für die Nichtbefolgung der Anzeigepflicht aus § 407a Abs. 4 S. 2, 2. Var. ZPO mit der Kappung der Vergütung eine spezielle Rechtsfolge angeordnet. Diese gesetzgeberische Wertung der Verletzung der Anzeigepflicht ist hinzunehmen.

     

    MERKE | Geschützt wird der Sachverständige, der seiner Hinweis- und Nachforderungspflicht nachkommt, aber keine Antwort erhält. Nach dem OLG Stuttgart (11.8.17, 8 W 262/17) darf ein Sachverständiger, der rechtzeitig den Hinweis auf die zu erwartende Überschreitung des bezahlten Auslagenvorschusses gibt, solange er keine gegenteilige Anweisung erhält, mit der Begutachtung fortfahren, ohne fürchten zu müssen, später nur eine Vergütung bis zur Grenze des § 8a Abs. 4 JVEG zu erhalten.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 47 | ID 46348246