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  • · Fachbeitrag · Feststellungsklage

    Gesellschafter und das Risiko der Durchgriffshaftung

    Wurde über das Vermögen einer GbR das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die vom Gesellschafter gegen den Gesellschaftsgläubiger erhobene Klage auf Feststellung unzulässig, diesem nicht persönlich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft zu haften (BGH 12.7.12, IX ZR 217/11, Abruf-Nr. 122562).

    Sachverhalt

    Der Kläger zeichnete 1991 eine Beteiligung als Gesellschafter an der Gemeinschuldnerin, einer GbR (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am 21.4.10 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte gewährte der Schuldnerin mehrere Darlehen. Durch Schreiben vom 21.10.09 machte sie daraus gegenüber dem Kläger als Gesellschafter der Schuldnerin einen Betrag von über 21.000 EUR geltend. Der Kläger, der einen wirksamen Beitritt zu der Schuldnerin in Abrede stellt und seine Beteiligung gekündigt hat, nimmt die Beklagte auf die Feststellung in Anspruch, ihr aus den Darlehensverträgen nicht persönlich zur Zahlung verpflichtet zu sein. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, das OLG die Berufung nach § 522 ZPO zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens (§ 256 Abs. 1 ZPO) steht § 93 InsO entgegen. Danach kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden. Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus:

     

    • Die Sperrwirkung besteht darin, dass die Gläubiger nicht mehr gegen persönlich haftende Gesellschafter vorgehen können und diese nicht mehr befreiend an die Gläubiger der Gesellschaft leisten können. Der Gläubiger kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens einen Haftungsanspruch gegen persönlich haftende Gesellschafter weder durch Klage noch durch Zwangsvollstreckung durchsetzen (BGHZ 178, 171 Rn. 10).

     

    • Die Ermächtigungswirkung verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaft die treuhänderische Befugnis, die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter gebündelt einzuziehen. Hierbei handelt es sich wie bei § 171 Abs. 2 HGB nicht um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Der in Anspruch genommene Gesellschafter tilgt durch die Zahlung an den Insolvenzverwalter der Gesellschaft konkrete Gläubigerforderungen, deren Selbstständigkeit durch die Verfahrenseröffnung unangetastet geblieben ist (BGH, a.a.O., Rn. 11).

     

    Zweck des § 93 InsO ist es, einen Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der Haftsummen zu verhindern, den Haftungsanspruch der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die Gesellschafterhaftung auszudehnen (BT-Drucksache 12/2443, S. 140). Die Ermächtigung des Verwalters zur Geltendmachung der Haftungsforderungen schließt i.V.m. der Sperrfunktion im Sinne einer Ausschließlichkeitsermächtigung während der Dauer des Insolvenzverfahrens eine Verfolgung dieser Ansprüche gegen den Gesellschafter aus. Da die Sperr- und Ermächtigungswirkung die alleinige Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen der Gesellschaftsgläubiger gegen Gesellschafter begründen, müssen die einzelnen Gläubiger ein entsprechendes Vorgehen gegenüber dem Insolvenzverwalter einfordern und diesen mit den erforderlichen Informationen versehen, damit er einen Haftungsanspruch wirksam durchsetzen kann.

     

    Bei der gerichtlichen Geltendmachung der Gesellschafterhaftung wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, weil der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an ihn konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH WM 06, 573; WM 07, 122). Die Prozessführung für die Einziehung von Forderungen gegen Gesellschafter liegt während der gesamten Verfahrensdauer allein bei dem Insolvenzverwalter. Die Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters umfasst damit auch die Prozessführungsbefugnis. Im Umkehrschluss verlieren die Gesellschaftsgläubiger die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die Gesellschafter. Mithin ist eine nach Verfahrenseröffnung von einem Gesellschaftsgläubiger gegen einen Gesellschafter verfolgte Haftungsklage als unzulässig abzuweisen.

     

    Wegen der alleinigen Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Einziehung der Ansprüche erweist sich auch die vom Kläger gegen die Beklagte als Gesellschaftsgläubigerin erhobene, eine Haftung leugnende Feststellungsklage als unzulässig. Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters erstreckt sich sowohl auf Aktiv- als auch auf Passivprozesse. Ebenso wie der Gesellschaftsgläubiger gehindert ist, den Gesellschafter in Regress zu nehmen, fehlt umgekehrt dem Gesellschafter die Befugnis, sich durch die Klage gegen einen Gesellschaftsgläubiger seiner Haftung zu erwehren. Hätte die hier erhobene Feststellungsklage Erfolg, stünde rechtskräftig fest, dass die Beklagte den Kläger nicht als Gesellschafter der Schuldnerin in Anspruch nehmen kann. Damit würde jedoch dem Insolvenzverwalter die ihm durch § 93 InsO vorbehaltene Einziehungs- und Prozessführung entzogen. Würde die negative Feststellungsklage hingegen aus sachlichen Gründen abgewiesen, hätte das Urteil dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (BGH NJW 95, 1757). Dann stünde fest, dass die Beklagte als Gesellschaftsgläubigerin gegen den Kläger als Gesellschafter Rückgriff nehmen kann. Ein solches von dem Gesellschaftsgläubiger erstrittenes Erkenntnis wäre jedoch, weil der Kläger auf der Grundlage des Feststellungsurteils nicht befreiend an die Beklagte leisten dürfte, mit der in § 93 InsO zugunsten des Insolvenzverwalters verankerten Sperrwirkung unvereinbar.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung schließt es damit auch aus, dass sich der Gesellschafter mit dem Gläubiger außergerichtlich über die Forderung und einen möglichen Abfindungsbetrag einigt. Eine solche Vereinbarung würde den Gesellschafter nicht vor der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter schützen und den Gläubiger einem Rückforderungsverlangen nach § 812 BGB aussetzen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 9 | ID 37358280