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  • · Fachbeitrag · Gehaltsansprüche

    Insolvenzfestigkeit künftiger Forderungsabtretungen

    Die Abtretung künftiger Gehaltsansprüche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt bis zum Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Monats der Verfahrenseröffnung auch insoweit wirksam, als die Ansprüche auf einem Dienstverhältnis beruhen, das erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen worden ist (BGH 20.9.12, IX ZR 208/11, Abruf-Nr. 123569).

    Sachverhalt

    Die beklagte Bank gewährte der Schuldnerin im Jahr 2005 ein Darlehen zur Finanzierung eines Fahrzeugs. Zur Sicherung aller Ansprüche aus dem Darlehensvertrag trat die Schuldnerin der Beklagten die pfändbaren Teile ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf Arbeitseinkommen gegen den jeweiligen Arbeitgeber ab. Außerdem wurde das kreditfinanzierte Fahrzeug an die Beklagte sicherungsübereignet.

     

    Am 17.1.07 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin wechselte zum 1.9.08 von ihrem bisherigen in ein neues Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger überwies am 14.1.09 an die Beklagte 1.805,97 EUR. In diesem Betrag waren die pfändbaren Anteile des Einkommens der Schuldnerin aus den Monaten September bis Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 1.313,20 EUR enthalten. Der Kläger verlangt insoweit die Rückzahlung, weil er meint, die Einkommensabtretung sei nach dem Arbeitsplatzwechsel der Schuldnerin nicht mehr wirksam. AG und LG haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers blieb beim BGH erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der geleisteten Zahlung von 1.313,20 EUR aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gegen die Beklagte zu.

     

    Gläubiger beansprucht Arbeitseinkommen trotz Insolvenz

    Der Kläger zahlte gemäß § 170 Abs. 1 S. 2 InsO mit rechtlichem Grund, weil die Schuldnerin zur Sicherung der Darlehensforderung den pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf Arbeitseinkommen gemäß §§ 398, 400 BGB, §§ 850 ff. ZPO wirksam an die Beklagte abgetreten hatte. Diese Abtretung begründete nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ein Absonderungsrecht der Beklagten nach § 50 Abs. 1, § 51 Nr. 1 InsO in Höhe der pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens.

     

    Bestimmtheitsgrundsatz: Künftiges Arbeitseinkommen

    Die Vereinbarung über die Abtretung künftiger Gehaltsansprüche genügte dem verfügungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Im Fall der Vorausabtretung künftiger Forderungen verlangt dieser Grundsatz nicht, dass die abgetretenen Forderungen schon zum Zeitpunkt der Abtretung bestimmt sind. Sie müssen lediglich im Zeitpunkt ihrer Entstehung nach Gegenstand und Umfang bestimmbar sein (BGH WM 76, 151; ZIP 99, 2058). Deshalb schadet es nicht, wenn der Drittschuldner und der Rechtsgrund zurzeit der Abtretung noch nicht bekannt sind, sofern die übrigen Individualisierungsmerkmale die abgetretenen Forderungen zweifelsfrei kenntlich machen. Um Zweifel auszuräumen, kann bei der Ermittlung der abgetretenen Forderungen auch auf Umstände außerhalb der gegebenenfalls auslegungsbedürftigen Abtretungsvereinbarung zurückgegriffen werden. Die Abtretung künftiger Lohn- und Gehaltsansprüche in Höhe der pfändbaren Anteile - auch aus noch nicht bestehenden Arbeitsverhältnissen - ist deshalb regelmäßig wirksam (BGH WM 76, 151; WM 76, 470; WM 68, 1047). Es kommt nicht darauf an, dass der künftige Arbeitgeber zurzeit der Abtretungsvereinbarung als Drittschuldner bereits bestimmbar ist. Vielmehr genügt es, dass er zurzeit des Entstehens der Lohnforderung bestimmt werden kann.

     

    Regelung in AGB steht nicht entgegen

    Die Vorausabtretung ist auch wirksam vereinbart, wenn es sich bei ihr um eine AGB handeln sollte. Grundsätzlich können Vorausabtretungen von Lohn- und Gehaltsansprüchen auch in AGB für Ratenkreditverträge wirksam vereinbart werden (BGHZ 108, 98). Sie müssen allerdings in den Vertrag einbezogen sein und der besonderen Inhaltskontrolle standhalten. Dies ist vorliegend der Fall. Es handelt sich bei der Vorausabtretung weder um eine überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB noch führt sie unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Übersicherung zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.

     

    Die Einbeziehung der Klausel in den Darlehensvertrag scheitert nicht an § 305c Abs. 1 BGB. Überraschend im Sinne dieser Norm ist eine Klausel nur, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Dies kann auf eine Klausel zutreffen, durch die sich der Verkäufer im Rahmen eines Abzahlungskaufes im Voraus die Lohn- und Gehaltsansprüche des Vertragspartners abtreten lässt (OLG Karlsruhe NJW 81, 405; OLG Hamm, BB 83, 1304). In Verbraucherkreditverträgen stellt eine Lohnabtretungsklausel hingegen ein gängiges Sicherungsmittel dar, und zwar auch, wenn der Kredit der Finanzierung eines bestimmten Gegenstandes dient (OLG Frankfurt NJW 86, 2712).

     

    Nichts anderes kann in der Forderungsbeitreibung bei Ratenzahlungsvergleichen gelten, wenn der Schuldner zum Gesamtausgleich eine mangelnde Zahlungsfähigkeit reklamiert. Gerade dann wird dem Gläubiger nämlich ein Sicherungsinteresse zuzubilligen sein, dass sein Sicherungsinteresse bei Abschluss des Vertrags ausgehend von einer hinreichenden Leistungsfähigkeit übersteigt.

     

    Die Lohnabtretungsklausel führt im Streitfall auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Schuldnerin und damit zu ihrer Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich kann eine formularmäßige Sicherungsabtretung aller Ansprüche aus Arbeits- und Dienstverhältnissen, insbesondere in Kumulation mit anderen Sicherheiten wie etwa einer Sicherungsübereignung des kreditfinanzierten Fahrzeugs, zwar eine unzulässige Übersicherung und damit eine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers bewirken. Für das Vorliegen einer ursprünglichen, bereits bei Abschluss des Darlehensvertrags bestehenden Übersicherung fehlt es jedoch an einer konkreten Darlegung. Eine mögliche nachträgliche Übersicherung macht die formularmäßige Sicherungsklausel nicht unwirksam. Aus dem Zweck des Sicherungsvertrags ergibt sich die Pflicht des Sicherungsnehmers, Sicherheiten zurückzugewähren, die endgültig nicht mehr benötigt werden. Eine vertragliche Freigaberegelung ist hierfür nicht erforderlich. Ist ein Freigabeanspruch sogar ausdrücklich vereinbart, kommt es auf die Angemessenheit der vereinbarten Deckungsgrenze nicht an, weil an die Stelle einer unangemessenen Klausel die regelmäßig angemessene Deckungsgrenze von 110 vom Hundert tritt (BGH BGHZ 137, 212, 219, 224; WM 05, 1168).

     

    Mit Recht hatte das LG - so der BGH - auch angenommen, dass einem Übergang des pfändbaren Teils der Gehaltsansprüche der Schuldnerin für die Monate September bis Dezember 2008 auf die Beklagte auch nicht § 91 Abs. 1 InsO entgegensteht.

     

    § 91 ZPO begrenzt den Forderungserwerb

    Nach § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist der Verfügungstatbestand mit dem Zustandekommen des Abtretungsvertrags abgeschlossen. Der Rechtsübergang vollzieht sich jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung (BGHZ 88, 205; 167, 363). Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Zessionar deshalb gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht mehr zu Lasten der Masse erwerben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest.

     

    Aber: Besonderheiten bei Dauerschuldverhältnissen

    Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit dem Vertragsschluss betagt entstehen oder erst befristet mit der Inanspruchnahme der Gegenleistung. Nur im ersten Fall hat der Abtretungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition. Bei Dienstverträgen entsteht der Vergütungsanspruch erst mit der Erbringung der Dienstleistung (BGH ZIP 08, 1488; ZIP 10, 335). Der Zessionar hat demnach noch keine gesicherte Rechtsposition an künftigen Lohn- oder Gehaltsansprüchen des Schuldners erlangt, solange die Arbeitsleistung von diesem noch nicht erbracht wurde. Werden die Leistungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, schließt § 91 Abs. 1 InsO den Erwerb der hierdurch entstandenen abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche aus.

     

    § 91 InsO wird durch § 114 InsO verdrängt

    Im Rahmen ihres Anwendungsbereichs verdrängt § 114 Abs. 1 InsO aber § 91 Abs. 1 InsO. Folge: Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Abtretungen von künftigen Lohn- und Gehaltsansprüchen sind für die Dauer von zwei Jahren nach Verfahrenseröffnung wirksam.

     

    BGH entscheidet Streitfrage

    Ob die Ausnahmeregelung des § 114 Abs. 1 InsO dabei nur Ansprüche auf Bezüge aus einem zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden oder auch solche aus einem erst während des Insolvenzverfahrens eingegangenen Dienstverhältnis erfasst, ist umstritten.

     

    • Eine Auffassung verneint die Anwendbarkeit des § 114 Abs. 1 InsO auf die Abtretung von Gehaltsansprüchen, die durch ein erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangenes Dienst- oder Arbeitsverhältnis begründet wurden (LG Mosbach ZInsO 09, 198; Moll in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 114 Rn. 21; Hoffmann/Wrede, ZVI 11, 85, 89 ff.). § 114 Abs. 1 InsO könne sich nur auf Bezüge aus Dienstverhältnissen beziehen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestanden, weil nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 91 Abs. 1 InsO keine Rechte an der Insolvenzmasse mehr begründet werden könnten. Nach seinem Wortlaut betreffe § 114 Abs. 1 InsO nur „Bezüge aus einem Dienstverhältnis“, eine Erstreckung auf künftige Dienstverhältnisse sei nur im Wege der Analogie zu erreichen, von der im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift nur begrenzt Gebrauch gemacht werden dürfe.

     

    • Die Gegenauffassung lehnt eine Differenzierung zwischen bereits bestehenden und erst nach der Verfahrenseröffnung begründeten Dienstverhältnissen bei der Anwendung des § 114 Abs. 1 InsO ab (LG Trier ZInsO 10, 1941; AG Montabaur ZIP 11, 2069; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl., § 114 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Kießner, InsO, 2012, § 114 Rn. 40; im Ergebnis auch HmbKomm-InsO/Ahrendt, 4. Aufl., § 114 Rn. 3). Der Wortlaut der Vorschrift biete keine Anhaltspunkte dafür, dass nur Gehaltsansprüche aus bereits vor der Verfahrenseröffnung bestehenden Dienstverhältnissen vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sein sollten. Vielmehr sprächen Sinn und Zweck der Vorschrift für die Einbeziehung von abgetretenen Dienstbezügen, die auf einem erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Dienst- oder Arbeitsverhältnis beruhen.

     

    Der BGH schließt sich im Sinne des Abtretungsgläubigers der zweiten Auffassung an. Aus dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 InsO lässt sich eine Beschränkung auf Gehaltsansprüche aus Dienstverhältnissen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestanden haben, nicht ableiten. Die Formulierung „Bezüge aus einem Dienstverhältnis“ unterscheidet nicht zwischen bereits bestehenden und erst künftig begründeten Dienstverhältnissen. Gegen eine solche Unterscheidung sprechen Sinn und Zweck der Norm. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes werden Lohnvorausabtretungen durch § 114 Abs. 1 InsO privilegiert, weil zahlreiche Verbraucher außer einer Lohnzession oft keine anderen Sicherheiten für eine Kreditgewährung anbieten könnten und bei einer Einschränkung dieses Sicherungsmittels Nachteile bei der Kreditversorgung in Kauf genommen werden müssten (BT-Drucksache 14/5680, S. 17).

     

    Die Abtretung der künftigen Gehaltsansprüche der Schuldnerin ist auch insoweit gemäß § 114 Abs. 1 InsO insolvenzfest, als sie sich auf Ansprüche aus dem am 1.9.08 neu begründeten Arbeitsverhältnis bezieht, und zwar für die Zeit bis zum Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Kalendermonats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Da das Verfahren am 17.1.07 eröffnet wurde, erstreckt sich die wirksame Abtretung auf die streitgegenständlichen pfändbaren Gehaltsanteile der Schuldnerin bis Dezember 2008.

    Praxishinweis

    Gläubiger sollten sich die Möglichkeit der Sicherung durch eine Lohnabtretung nicht entgehen lassen. Sie ist nicht nur in der Einzelzwangsvollstreckung kostengünstiger, weil die Abtretung lediglich offen gelegt werden muss und die Pfändung der Lohnansprüche erspart wird, sondern erbringt nach der Entscheidung des BGH auch in der Insolvenz einen entscheidenden Vorteil mit sich.

     

    Musterformulierung / Lohnabtretung

    Der Schuldner tritt hiermit seine gegenwärtigen und künftigen pfändbaren Lohn- und Gehaltsansprüche im Sinne des § 850 ZPO einschließlich der Abfindungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Kurzarbeitergeldes gegenüber seinen gegenwärtigen und künftigen Arbeitgebern an die Gläubigerin ab.

    Für den Fall eines vertraglichen Abtretungsverbots wird der Gläubigerin unwiderruflich das Recht zum Einzug der pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens eingeräumt. Die Abtretung ist auf die Beträge beschränkt, die nach der vorstehenden Vereinbarung noch jeweils zur Zahlung offen stehen.

    Die Gläubigerin nimmt die Abtretungen an. Sie verpflichtet sich, die Abtretung erst offen zu legen, wenn der Schuldner mehr als eine Woche mit einer Rate nach dieser Vereinbarung in Rückstand gerät.

    Die Vereinbarung sollte dann von Schuldner und Gläubiger unterschrieben sein. Dies ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung. In der Praxis wird die Abtretung aber weitgehend nur bei einem schriftlichen Nachweis akzeptiert.

     

    Die Abtretung kann dabei - wie im Fall des BGH - mit der Begründung des Rechtsverhältnisses erfolgen, aber auch jederzeit später, insbesondere, wenn die Forderung notleidend geworden ist.

     

    Dabei hat sich bewährt, den Schuldner in jeder Lage des Verfahrens, das heißt schriftlich, im Telefoninkasso und im Außendienst auf den Abschluss einer Vereinbarung anzusprechen und die Vereinbarung auch dann zu treffen, wenn aktuell daraus keine Zahlungen zu erwarten sind.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Bei abgetretenen Forderungen ist höchste Vorsicht geboten, FMP 12, 184
    • Forderungsabtretung kann sich in der Insolvenz lohnen, FMP 11, 138
    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 4 | ID 37358210