· Fachbeitrag · Insolvenz
Grundsätze der Gläubigerbenachteiligungsabsicht beachten
| Zahlungen des Schuldners auf notleidende Forderungen sind immer mit dem Risiko einer nachträglichen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach § 133 InsO verbunden. Der begünstigte Einzelgläubiger will diese natürlich abwenden. Zuletzt hat der BGH seine früher sehr massefreundliche Rechtsprechung gewandelt und den Einzelgläubiger mehr geschützt. Anfechtbar ist nach § 133 InsO eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil ‒ also der empfangende Gläubiger und Anfechtungsgegner ‒ zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis des Gläubigers wird nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. |
1. Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung
Die Insolvenzanfechtung hat also fünf Voraussetzungen:
- eine Rechtshandlung des Schuldners,
- innerhalb der Anfechtungsfrist von regelhaft vier Jahren nach § 133 Abs. 2 ZPO,
- die (subjektive) Gläubigerbenachteiligungsabsicht,
- die Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht oder jedenfalls der drohenden Zahlungsunfähigkeit und
- als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die objektive Gläubigerbenachteiligung.
Der BGH hatte am 6.5.21 (IX ZR 72/20, Abruf-Nr. 223398) bereits entschieden, dass die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht allein darauf gestützt werden kann, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig war.
Für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, für den die Indizwirkung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht gilt, muss hinzukommen, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können.
2. So sieht es der BGH
Entsprechendes gilt ‒ so stellt der BGH jetzt noch einmal klar ‒ für den Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.
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Für die gesetzliche Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Anfechtungsgegner nicht wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können (Abruf-Nr. 234331). |
Der Nachweis der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wird allerdings durch die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO erleichtert. Die Voraussetzungen des Vermutungstatbestands sind allerdings von der Neuausrichtung der Rechtsprechung des BGH nicht betroffen.
Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligte (dazu BGH 6.5.21, IX ZR 72/20).
Checkliste / Vermutungswirkung |
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Beachten Sie | Für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz muss der Anfechtungsgegner demnach nicht wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können.
Dies hatte das OLG im betroffenen Fall möglicherweise rechtsfehlerhaft anders beurteilt. Darauf kam es dem BGH aber nicht an, weil das OLG schon die Kenntnis der Beklagten von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verneint hat.