· Fachbeitrag · Insolvenz
Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung
Die Tilgung einer fremden Schuld kann unentgeltlich sein, auch wenn der Empfänger an den Zahlenden Leistungen erbracht hat, sofern sich der Zahlungsempfänger hierzu nur gegenüber seinem Schuldner verpflichtet hatte (BGH 17.10.13, IX ZR 10/13, Abruf-Nr. 133486). |
Sachverhalt
Der Beklagte war als Arbeitnehmer bei einer Schwestergesellschaft der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Im Anstellungsvertrag hatte er sein Einverständnis damit erklärt, zeitlich befristet auch in Partnerfirmen der Arbeitgeberin eingesetzt zu werden. Im Februar und März 2007 erbrachte er Arbeitsleistungen für die Insolvenzschuldnerin. Diese zahlte an ihn zweimal 2.372,97 EUR und gab dabei als Verwendungszweck „Gehalt 02 2007 WW.“ und „Gehalt 03 2007 WW.“ an. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter die beiden Zahlungen angefochten und mit der Klage die Rückgewähr von insgesamt 4.745,94 EUR nebst Zinsen verlangt. AG und LG haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision vor dem BGH hatte dagegen vorläufig Erfolg.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Umstritten waren dabei die Anforderungen an die „Unentgeltlichkeit“ einer Leistung.
Checkliste / Ständige Rechtsprechung des BGH zum Begriff der Unentgeltlichkeit |
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW 08, 655; NJW-RR 10, 1144) ist bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, zwischen Zwei-Personen-Verhältnissen und Drei-Personen-Verhältnissen zu unterscheiden:
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Das LG hatte im konkreten Fall aber anders argumentiert: Die Entgeltlichkeit der Leistungen der Insolvenzschuldnerin ergebe sich daraus, dass der Beklagte gegenüber ihr Arbeitsleistungen erbracht habe, die mit den in Rede stehenden Zahlungen vergütet werden sollten.
Der BGH wechselt demgegenüber die Perspektiven: Die Frage der Entgeltlichkeit ist im Zuwendungsverhältnis zwischen dem verfügenden Insolvenzschuldner (Zahlung Arbeitslohn) und dem Leistungsempfänger (Schwesterunternehmen) zu beurteilen. In diesem Verhältnis bestand keine Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin zur Leistung an den Beklagten, welche jene als entgeltlich qualifizieren würde, und auch sonst keine Vereinbarung, nach der die Arbeitsleistungen des Beklagten ein Ausgleich - nicht notwendig eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB - für die Leistungen der Schuldnerin waren oder jedenfalls sein sollten. Nur im Verhältnis zum Schwesterunternehmen hatte der Beklagte sich damit einverstanden erklärt und dadurch die Verpflichtung übernommen, auf deren Weisung Arbeitsleistungen auch an die Insolvenzschuldnerin zu erbringen. Dementsprechend war auch nur das Schwesterunternehmen ihm zur Lohnzahlung verpflichtet.
MERKE | Allein der Umstand, dass eine Leistung erbracht wird, besagt noch nicht, dass eine darauf erfolgte Zahlung auch als Gegenleistung zu qualifizieren ist. Das zwingt dazu, jeweils im Einzelfall die Leistungsbeziehungen offen zu legen und das jeweilige Insolvenzrisiko abzuschätzen. Gegebenenfalls muss dann eine eigenständige Verpflichtung begründet werden. Hier wäre es also erforderlich gewesen, dass sich die Insolvenzschuldnerin gegenüber dem beklagten Arbeitnehmer zumindest auch zur Zahlung des Arbeitslohnes an diesen verpflichtet hätte. |
Allein der Umstand, dass der Beklagte vor den Zahlungen der Schuldnerin Arbeitsleistungen erbracht hatte, ist für die Frage der Entgeltlichkeit dieser Zahlungen also ohne Bedeutung. Dies hat der BGH für Leistungen des Zahlungsempfängers an seinen Schuldner mehrfach entschieden (BGH WM 13, 1079).
Für Leistungen an den zahlenden Dritten und späteren Insolvenzschuldner gilt nichts anderes. Mangels einer im Zuwendungsverhältnis getroffenen Vereinbarung über eine ausgleichende Gegenleistung kann die Entgeltlichkeit nur danach beurteilt werden, ob zum Zeitpunkt der Zahlungen (§ 140 Abs. 1 InsO) eine werthaltige Forderung des Zahlungsempfängers gegen seinen Schuldner bestand, die infolge der Zahlungen des Insolvenzschuldners erlosch.
Ob die Forderung des Beklagten gegen die Schwestergesellschaft im Zeitpunkt der Zahlung der Insolvenzschuldnerin werthaltig war, konnte der BGH nicht feststellen und hat die Sache deshalb zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
MERKE | Die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtungsvoraussetzungen liegen beim Insolvenzverwalter. Im Dreipersonen-Verhältnis muss er also vortragen, dass der Dritte als eigentlicher Leistungsempfänger - er erhält die Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer - nicht selbst leistungsfähig gewesen wäre, mithin die Forderung des Arbeitnehmers nicht werthaltig war. Da der Beklagte als Arbeitnehmer hierzu keine Aussagen wird treffen können, muss er auch unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungs- und Beweislast nichts vortragen. Er kann sich darauf beschränken, zu bestreiten, dass seine Forderung nicht werthaltig gewesen wäre. |