· Fachbeitrag · Insolvenz
Vorsicht bei der Sammelanmeldung
Nach § 174 Abs. 2 InsO muss der Gläubiger bei einer Sammelanmeldung, der mehrere Forderungen eines Berechtigten zugrunde liegen, für jede einzelne Forderung den zugrunde liegenden maßgeblichen Sachverhalt darlegen (OLG Thüringen 20.3.13, 2 U 554/12, Abruf-Nr. 132354). |
Entscheidungsgründe
Die Feststellungsklage war unzulässig. Die Schuldnerin hat die streitgegen-ständliche Darlehensforderung nicht ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet. Die ordnungsgemäße Anmeldung ist Sachurteilsvoraussetzung für eine Feststellungsklage nach § 180 Abs. 1 InsO (BGH WM 09, 468; MDR 01, 1438).
Nach § 174 Abs. 2 InsO sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Mit dem Grund der Forderung ist der Klagegrund und damit der Sachverhalt gemeint, aus dem die Forderung entspringt. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben kann, muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden (BGH MDR 01, 1438). Die Individualisierung der Forderung dient daneben dem Zweck, den Verwalter und die übrigen Insolvenzgläubiger in den Stand zu versetzen, den geltend gemachten Schuldgrund einer Prüfung zu unterziehen (BGH NJW 09, 2217; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 174 Rn. 29). Mithin muss der Gläubiger bei der Anmeldung den Lebenssachverhalt schlüssig darlegen, der in Verbindung mit einem - nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden - Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH ZIP 09, 483). Allerdings kann der Gläubiger zur Darlegung seiner Forderungen auf beigefügte Unterlagen Bezug nehmen. Diese Verweisung auf Anlagen ist jedoch unzureichend, wenn daraus der Grund der Forderung nicht hervorgeht.
Handelt es sich um eine Sammelanmeldung, der mehrere Forderungen eines Berechtigten zugrunde liegen, muss für jede einzelne Forderung eine Substanziierung erfolgen (BGH ZIP 09, 483). Jede einzelne Forderung muss individualisierbar sein, damit es dem Verwalter und anderen Gläubigern möglich bleibt, einzelne Forderungen zu bestreiten. Von daher genügt es nicht, die einzelnen Forderungen nur zu addieren und lediglich den Gesamtbetrag mit einer Aufstellung der hieran beteiligten Gläubiger anzugeben.
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, erfüllt die Anmeldung nicht hinreichend die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 InsO. Bei der Anmeldung handelt es sich um eine Sammelanmeldung. Die Schuldnerin hat jedoch in dem Anmeldeformular lediglich eine einheitliche Hauptforderung in Höhe von über 6.000.000 EUR genannt, ohne diese Summe nach Einzelforderungen aufzugliedern.
Sie hat dem Formularschreiben auch keine Anlage beigefügt, die die einzelnen Forderungen benennt, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzt (AG Münster Rpfleger 82, 78). Aus den beigefügten Rechnungen und weiteren Unterlagen lässt sich auch nicht für jede Einzelforderung der betreffende Lebenssachverhalt - wie von § 174 Abs. 2 InsO gefordert - entnehmen. Die sog. „Rechnung Kundenstamm“ nennt zwar einen Bruttobetrag in Höhe von rund 9.400 DM und bezieht sich dabei auf eine Rahmenvereinbarung vom 18.4.96. Die Schuldnerin hat aber diese Rahmenvereinbarung der Anmeldung nicht beigefügt. Zudem ist diese Rahmenvereinbarung, aus der sich die Forderung ergeben soll, offenbar nicht zwischen der Schuldnerin und der Drittschuldnerin abgeschlossen worden, sondern zwischen der Schuldnerin und der Fa. MK GmbH. Von daher hätte die Schuldnerin zumindest durch Beifügung eines weiteren Dokuments darlegen müssen, weshalb die Drittschuldnerin verpflichtet sein sollte, für den Kundenstamm zu zahlen. Ähnliche Mängel sieht das OLG für weitere Rechnungspositionen.
Selbst wenn man sich aber auf den Standpunkt stellen würde, die aufgezeigten Unklarheiten berührten nicht die streitgegenständliche Darlehensforderung, es komme vielmehr allein darauf an, ob diese Einzelforderung ordnungsgemäß nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet worden sei, bleibt es bei der Unzulässigkeit der Feststellungsklage. Denn auch isoliert betrachtet, ist der Grund des betreffenden Zahlungsanspruchs nicht hinreichend bei der Anmeldung angegeben worden. So fordert der BGH, dass der Gläubiger „zum Verpflichtungsgrund des Schuldners vorzutragen [hat], wenn sich die Forderung ursprünglich nicht gegen ihn, sondern gegen einen Dritten richtete“ (ZIP 09, 483).
Der Darlehnsvertrag wurde zwischen der Schuldnerin und der Firma MD GmbH geschlossen. Die Drittschuldnerin war hieran nicht beteiligt. Der Beklagte hat bestritten, dass der Anmeldung der Übernahmevertrag zwischen der Drittschuldnerin und der Firma MD GmbH beilag, der erst die schuldrechtliche Verbindung zwischen der Schuldnerin und der Drittschuldnerin herbeiführen kann. Auch erst mit Kenntnis des Übernahmevertrags ist es möglich, zu prüfen, ob die Darlehensforderung überhaupt von diesem Vertrag erfasst ist.
Da die Darlehensforderung aus den genannten Gründen selbst bei isolierter Betrachtung nicht ordnungsgemäß angemeldet worden ist, kann letztlich dahinstehen, ob es mit § 174 Abs. 2 InsO vereinbar ist, wenn aus einer Sammel-anmeldung nicht hervorgeht, auf welche Einzelforderungen Verrechnungen mit Gutschriften und sonstigen Gegenansprüchen vorgenommen werden. Eine solche Situation ist vorliegend gegeben. Zwar lässt sich - wie oben aufgezeigt - anhand der Unterlagen der Anlage K 2 ermitteln, wie sich die Höhe der Hauptforderung zusammensetzt, jedoch bleibt hierbei offen, auf welche eigenen Forderungen sich die Verrechnung mit den beiden Gutschriften (48.521,07 DM und 199.569,37 DM) und mit dem Sicherungseinbehalt in Höhe von 181.069,21 DM bezieht. Es werden insgesamt 429.159,65 DM mit Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin verrechnet, ohne dass klar ist, welche Forderungen der Schuldnerin in welcher Höhe durch die Verrechnungen vermindert bzw. getilgt werden.
Wenn mehrere Forderungen im Raum stehen und der Gläubiger Verrechnungen mit - streitigen - Gegenansprüchen des Schuldners vornimmt, muss aus einer Sammelanmeldung deutlich hervorgehen, welche Verrechnung sich auf welche Forderung bezieht. Ansonsten wäre der Insolvenzverwalter nicht in der Lage zu prüfen, ob die Aufrechnungsvoraussetzungen bei den einzelnen Gegenforderungen vorliegen, z.B. wenn Aufrechnungshindernisse bestehen. Auch wäre der Gläubiger ansonsten in der Lage, mit den Verrechnungen flexibel zu arbeiten. So könnte er im Nachhinein, das heißt, nach der Anmeldung, die Verrechnung gegenüber einer anderen Forderung vornehmen, die in der Sammelanmeldung enthalten ist. Damit könnte er die Höhe der angemeldeten Einzelforderungen nach oben oder unten verändern. Dies widerspricht jedoch dem Zweck des § 181 InsO.
Der Beklagte hätte auch nicht auf den Anmeldemangel hinweisen müssen. Selbst wenn man eine derartige Hinweispflicht bejahen würde, würde sie allenfalls eine Haftung des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO begründen, hätte jedoch keine Auswirkungen auf die Anforderungen, die § 174 Abs. 2 InsO stellt. Im Übrigen teilt der Senat die u.a. vom OLG Stuttgart (ZIP 08, 1781) vertretene Ansicht, dass ein Insolvenzverwalter allenfalls auf offensichtliche Mängel der Anmeldung hinweisen muss, nicht hingegen verpflichtet ist, den Gläubiger vor Einlegung des Widerspruchs auf Schlüssigkeitsmängel hinzuweisen. Vielmehr trägt der Gläubiger das Risiko einer unzulänglichen Forderungsanmeldung.
Praxishinweis
Die Anmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren ist kein Selbstläufer. Insbesondere in Fällen, in denen eine gewisse Masse zu verteilen ist, wird sowohl seitens des Insolvenzverwalters als auch der Übrigen Insolvenzgläubiger ganz genau hingeschaut. Die Ausführungen des OLG überzeugen in rechtlicher wie praktischer Hinsicht. Es müssen Zweifel über die Art, den Grund und den Umfang der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung vermieden werden.
Es ist deshalb erforderlich, bei einer Sammelanmeldung aus verschiedenen Einzelforderungen jede Forderung so zu begründen, als solle wegen ihr Klage erhoben werden. Sie ist mithin nach dem Anspruchsgrund und der Höhe gesondert für jede Einzelposition darzulegen. Dabei sollten die Ausführungen „unter Beweis gestellt“ werden, sodass im Wege einer Selbstkontrolle nachvollzogen werden kann, ob die Berechtigung der Anmeldung auch für einen Dritten nachvollziehbar ist. Am Ende sollte eine rechnerische Zusammenfassung der Einzelforderungen folgen, um die Gesamtforderung nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Hier sind auch Nebenforderungen wie Kosten und Zinsen zu erläutern.
Im Hinblick auf die Hinweispflicht des Insolvenzverwalters sollte nicht auf dessen aktives Tun gewartet werden. Vielmehr sollte ausdrücklich um einen Hinweis gebeten werden, soweit Bedenken gegen die Anmeldung bestehen.