· Fachbeitrag · Insolvenzanfechtung
Gläubigerbenachteiligung bei Barzahlung aus unpfändbarem Geldbetrag
| Im Forderungsmanagement steht die Insolvenzanfechtung weiter auf der Tagesordnung. Immer wieder erreichen uns dazu Anfragen. In diesem Zusammenhang ist auf eine aktuelle Klarstellung des BGH hinzuweisen, die die in FMP schon lange vertretene Auffassung bestätigt: Gibt der Schuldner „sein letztes (unpfändbares) Hemd“, fehlt es regelmäßig an der objektiven Gläubigerbenachteiligung. Nun hat der BGH außerdem geklärt, dass Versicherungsforderungen in der Insolvenzanfechtung nicht privilegiert sind. |
Sachverhalt
Der Schuldner hatte bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen. Weil er die Versicherungsprämien nicht zahlte, erging ein Vollstreckungsbescheid. Auf die Vollstreckung zahlte der Schuldner an den Gerichtsvollzieher 300 EUR in bar. Genau diesen Betrag verlangt der Treuhänder nun von der Beklagten zurück. AG und LG haben die Klage abgewiesen, weil die Prämienforderungen schon nicht dem Insolvenzbeschlag unterfielen und deshalb auch die Anfechtungsregeln keine Anwendung fänden. Das hat den BGH nicht überzeugt.
Entscheidungsgründe
Die Begründung hält aus seiner Sicht einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Weil andere Fragen zu klären waren, hat er die Entscheidungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Seine Kernaussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
|
|
Relevanz für die Praxis
Die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer ist nach dem BGH eine anfechtbare Rechtshandlung. Anfechtbar nach § 131 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Sicherung oder Befriedigung gewährt hat. Insolvenzgläubiger ist dabei jeder persönliche Gläubiger, der einen zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Es kommt mithin darauf an, ob der Gläubiger in der Insolvenz eine Forderung im Sinne des § 38 InsO oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 InsO) gehabt hätte (BGH NJW 12, 1585). Ansprüche eines Versicherers auf Versicherungsprämien aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung stellen nur eine Insolvenzforderung dar. Dies gilt nach dem BGH ebenfalls für Ansprüche auf Versicherungsprämien für eine private Krankenversicherung, womit er dem OLG Schleswig (ZInsO 15, 802) widerspricht.
Ausnahmebestimmungen für Ansprüche eines Krankenversicherers auf rückständige Versicherungsprämien bestehen also nicht. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO und § 850e Nr. 1 S. 2 Buchst. b ZPO bleiben unerheblich, weil lediglich die Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners berührt wird. Für eine Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO kommt es aber ausschließlich auf die Art des Anspruchs des Gläubigers an, der gesichert oder befriedigt werden soll. Dass bestimmte Ansprüche des Schuldners gemäß § 36 InsO nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, führt nicht dazu, dass Gläubiger, deren Forderungen der Schuldner mit Mitteln aus seinen nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Ansprüchen befriedigen könnte, keine Insolvenzgläubiger wären.
MERKE | Der BGH stellt bei dieser Gelegenheit klar, dass sich aus seiner Entscheidung vom 19.2.14 (VersR 14, 452) nichts anderes ergibt. Sie betraf (nur) die Frage des Wahlrechts nach § 103 InsO. Darüber hinaus komme ihr für die Frage der Anfechtung keine Bedeutung zu. |
Unerheblich bleibt nach dem BGH auch, dass die Anfechtung einer Zahlung der Versicherungsprämie zu einem Beitragsrückstand nach § 193 Abs. 6 VVG führen könnte. Denn dies führe weder zum Wegfall noch sonst zur Beendigung des Krankenversicherungsvertrags. Der Vertrag könne allenfalls mit einer eingeschränkten Leistungspflicht des Versicherers ruhen. Daraus lasse sich keine Privilegierung des Versicherers in der Insolvenz ableiten.
Der BGH zeigt, wie der Versicherer in der Insolvenz vor einer Anfechtung geschützt ist, ohne dass sich der Schutz von dem anderer Gläubiger unterscheidet, und wie zugleich der Versicherungsnehmer seinen Krankenversicherungsschutz wahrt:
- Ein Versicherungsnehmer kann die Versicherungsprämien im Rahmen eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) zahlen oder
- die Zahlung erfolgt aus dem pfändungsfreien und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögen.
PRAXISHINWEIS | Besonders interessant ist der Hinweis des BGH, dass es sich auch um Zahlungen aus dem pfandfreien Vermögen handelt, wenn sie von einem P-Konto (§ 850k ZPO) erfolgen. In vielen Fällen weiß der Gläubiger nicht nur, von welchem Konto aus die Zahlung erfolgte, sondern auch, ob es sich dabei um ein P-Konto handelt. Damit erhält der Gläubiger ein formales Argument, um die anfechtungsfreie Zahlung zu begründen, auch wenn grundsätzlich der Anfechtende - mithin dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder - darlegungs- und beweispflichtig ist. Es kann sich für den Gläubiger also rentieren, den Schuldner in prekären finanziellen Verhältnissen auf diese Zahlungsmethoden hinzuweisen. |
Im konkreten Fall waren genau diese Zahlungsumstände zu klären: Das LG hatte festgestellt, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung 300 EUR in bar an den Gerichtsvollzieher gezahlt hatte. Insoweit kommt eine Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in Betracht. Dazu muss jetzt noch vorgetragen werden. Diesen langen Weg kann sich der Gläubiger ersparen, wenn er sofort zu dieser Frage vorträgt, also - seiner Darlegungs- und Beweislast entsprechend - bestreitet, dass die Zahlung aus pfändbarem Einkommen des Schuldners stammte oder sogar positiv die Zahlung von einem P-Konto belegen kann.