· Fachbeitrag · Insolvenzanfechtung
Wissenszurechnung bei der Insolvenzanfechtung nach einem Forderungskauf
| Die Liquidität in der Wirtschaft ist in den letzten Jahren gesunken. Neben der Beauftragung der Einziehung offener Forderungen führt dies auch zu einem vermehrten Forderungsverkauf, um zumindest einen Teilbetrag der offenen Forderungen schnell zu realisieren. Zieht der Forderungskäufer anschließend die Forderung ein, stellt sich in der Praxis die Frage, ob und welche Kenntnisse der Altgläubigerin und Forderungsverkäuferin der späteren Käuferin und Neugläubigerin zuzurechnen sind, wenn der Schuldner dann in Insolvenz gerät ‒ wie auch in einem Fall des LG Essen. |
Sachverhalt
Die Insolvenzverwalterin nimmt die Neugläubigerin auf Rückerstattung einer Zahlung auf eine Darlehensforderung in Anspruch, die ihr im Jahr 2020 von der Altgläubigerin abgetreten worden war. Auf Eigenantrag des Insolvenzschuldners vom 20.4.21 wurde am 17.5.21 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Vorausgegangen war in 2019 ein Schuldenbereinigungsverfahren. Im Jahr zuvor konnte der Schuldner eine Forderung eines anderen Kreditinstituts über rd. 26.000 EUR nicht bedienen. Die Altgläubigerin hatte einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner. Sie erhielt mit dem Schuldenbereinigungsplan ein Angebot einer Quote von 16,9 Prozent auf ihre Forderung, was sie ablehnte. Am 30.7.20 wurde die außergerichtliche Schuldenbereinigung als gescheitert angesehen. Insgesamt wurden rd. 46.500 EUR zur Tabelle angemeldet.
Am 3.12.20 zahlt der Schuldner 5.097,68 EUR an die von der Neugläubigerin beauftragte Inkassodienstleisterin. Diese Zahlung fordert die Insolvenzverwalterin mit der Behauptung zurück, der Schuldner sei zur Zeit der Leistung der angefochtenen Zahlung bereits zahlungsunfähig gewesen. Dem ist die Neugläubigerin mit dem Einwand entgegengetreten, dass es schon an der subjektiven wie der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. Eine mögliche Kenntnis der Altgläubigerin müsse sich die Neugläubigerin nicht zurechnen lassen.
Entscheidungsgründe
Das LG folgt im Ergebnis der Argumentation der Gläubigerin und sieht keine Grundlage für eine Insolvenzanfechtung. Das OLG Hamm (9.3.23, 27 U 147/22) hat die dagegen gerichtete Berufung der Insolvenzverwalterin jetzt nach § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
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Insolvenzanfechtungen sind keine Einreden oder Einwendungen, sondern bürgerlich-rechtliche Ansprüche und entstehen i. Ü. erst mit der Insolvenzeröffnung, sodass eine Wissenszurechnung vom Alt- auf den Neugläubiger nach § 404 InsO ausscheidet (Abruf-Nr. 237493). |
Keine Zahlung in der Drei-Monats-Grenze oder nach Eröffnung
Das LG sieht zunächst keinen Anspruch der Insolvenzverwalterin aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 130 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, 129 InsO. Anfechtbar ist nach diesen Normen eine Rechtshandlung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO, die dem anderen Teil ‒ hier der Neugläubigerin ‒ eine Befriedigung ermöglicht hat, wenn
- sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist,
- der Schuldner zurzeit der Zahlung zahlungsunfähig war und
- der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
- sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und
- der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Ein solcher Anspruch scheiterte vorliegend schon erkennbar an der nicht eingehaltenen Anfechtungsfrist. Die Zahlung erfolgte am 3.12.20, während der Insolvenzantrag erst am 20.4.21 gestellt wurde. Dass unzweifelhaft in der Zahlung eine Rechtshandlung zu sehen ist und die übrigen Gläubiger ‒ vermeintlich ‒ benachteiligt wurden, bleibt damit unerheblich.
Kein Fall der inkongruenten Deckung
Der Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3, 129 InsO herleiten, da kein Fall einer inkongruenten Deckung vorliegt. Eine inkongruente Deckung liegt vor, wenn der Gläubiger eine Befriedigung bzw. Sicherung erhält, auf die er keinen Anspruch hatte oder die er nicht in der Art oder zu der Zeit, in der sie erfolgte, zu beanspruchen hatte (Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, Ins0, 15. Aufl., § 130 Ins0, Rn. 5).
Vorliegend hat die Neugläubigerin aber durch Leistung des Schuldners auf die an sie wirksam abgetretene Forderung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 7.11.19 eine Befriedigung erhalten, auf die sie einen Anspruch hatte. Die an sie wirksam abgetretene Forderung auf Rückzahlung des gewährten Kredits aus dem Kreditkartenvertrag war auch fällig. Es liegt daher ein Fall der kongruenten Deckung vor, also eine Befriedigung zur Erfüllung oder Sicherung einer Forderung, auf die der Gläubiger in dieser Form und zu dieser Zeit einen Anspruch hatte.
Vorsatzanfechtung muss auch scheitern
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 5.097,68 EUR aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 S. 2, § 129 InsO. Ein solcher Anspruch, der sowohl in Fällen der kongruenten als auch der inkongruenten Deckung möglich ist und auch nicht durch §§ 130, 131 InsO gesperrt ist, sondern selbstständig daneben steht, ist nicht entstanden. Es kann dahinstehen, ob der Schuldner mit seiner Zahlung vom 3.12.20, mithin binnen zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 17.4.21, eingegangen bei Gericht am 21.4.21 ‒ mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen ‒, gehandelt hat. Denn die Beklagte kannte zur Zeit der Handlung, also der Zahlung am 3.12.20, nicht den Vorsatz des Schuldners von der Gläubigerbenachteiligung, selbst wenn man einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zugunsten der Klägerin annehmen wollte. Insbesondere greift auch nicht die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO für das Bestehen einer Kenntnis der Beklagten ein, weil diese etwa wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Zahlung die Gläubiger benachteiligen würde. Im Einzelnen:
Grundvoraussetzungen liegen vor
Die Zahlung des Schuldners am 3.12.20 auf den Vollstreckungsbescheid vom 17.11.19 stellt eine anfechtbare Rechtshandlung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO dar. Die Zahlung hat die übrigen Gläubiger auch benachteiligt und auch die zeitlichen Voraussetzungen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO sind erfüllt. Denn die angefochtene Zahlung des Schuldners vom 3.12.20 erfolgte nach Ansicht des LG binnen zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 17.4.21, eingegangen bei Gericht am 21.4.21.
Beachten Sie | Tatsächlich war hier nur die vierjährige Anfechtungsfrist nach § 133 Abs. 2 InsO zu berücksichtigen, da die Rechtshandlung der Neugläubigerin Befriedigung gewährt hat.
Es fehlt die sichere Überzeugung von dem Schuldnervorsatz
Das LG meint, es könne dahinstehen, ob der Schuldner am 3.12.20 zahlte, um vorsätzlich, also wissentlich und willentlich, die übrigen Gläubiger zu schädigen, um der Frage dann aber doch nachzugehen und sie zu verneinen.
Beachten Sie | Für alle Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ist nach den allgemeinen Regeln der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweispflichtig.
Für die Erkenntnis der Gläubigerbenachteiligung (Wissenselement) ist es ausreichend, dass der Schuldner entweder weiß, dass seine Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt oder dass er sich diese Folge zumindest als möglich vorstellt (Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 24. Edition, Stand: 15.7.21, § 133 Ins0, Rn. 16 m. w. N.). Dies ist jedenfalls regelmäßig der Fall, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung seine bestehende Zahlungsunfähigkeit kennt, weil er in diesem Fall regelmäßig weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen.
Nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Für das Vorliegen der (drohenden) Zahlungsfähigkeit ist der Kläger als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet.
Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit kann zunächst eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Diese ist im Anfechtungsprozess entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 InsO die Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH 30.6.11, IX ZR 134/10).
Die Zahlungseinstellung ist das nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dabei genügt die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Forderungen. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, a. a. 0.).
Die Zahlungseinstellung kann sich aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens zehn Prozent. Dafür kann auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber schon auf der Grundlage von Beweisanzeichen zulässig ist.
Hat ein Schuldner ‒ wie im Fall des LG ‒ eine kongruente Deckung geleistet, ist ein Benachteiligungsvorsatz nicht von vornherein ausgeschlossen. An den Nachweis seines Vorliegens sind jedoch erhöhte Anforderungen zu stellen, da sich im Fall einer kongruenten Deckung der Wille des Schuldners meist darin erschöpft, seinen Verbindlichkeiten gerecht zu werden, ohne die Benachteiligung anderer in den Blick zu nehmen (Kayser/Freudenberg, in: Müko-Ins0, 4. Aufl., § 133 InsO, Rn. 33). Die Feststellung setzt voraus, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als vielmehr auf die Schädigung der anderen Gläubiger durch Beseitigung von Zugriffsobjekten oder auf die Begünstigung des Leistungsempfängers ankam. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist schon keinen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners festzustellen:
- Für einen Vorsatz spricht, dass der Schuldner bereits am 1.8.18 eine Forderung einer weiteren Bank über 26.186,58 EUR nicht bedienen konnte und letztlich ein Betrag von 46.555,19 EUR zur Tabelle angemeldet wurde. Für eine Zahlungseinstellung des Schuldners könnte auch der Umstand sprechen, dass ein Schuldenbereinigungsverfahren ‒ wenn auch erfolglos ‒ durchgeführt wurde. Aus dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kann grundsätzlich der Schluss auf eine Zahlungseinstellung geschlossen werden, da sich die Schuldnerin im Zeitpunkt der Fälligkeit zur Zahlung außerstande sah und aus diesem Grund eine Stundung in Form der Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hat (BGH 30.06.11, IX ZR 134/10).
- Dagegen sprechen aber die Mehrzahl und gewichtigeren Argumente:
- Die relevante Handlung des Schuldners bestand hier in der Erfüllung seiner mit Vollstreckungsbescheid vom 17.11.19 titulierten und offenen Zahlungsforderung. Durch Zahlung am 3.12.20 wurde die im Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung erfüllt.
- Die Zahlung erfolgte auch direkt auf erste Aufforderung der Inkassodienstleisterin, die nach der Abtretung der Forderung mit der Durchsetzung beauftragt worden war.
- Dagegen streiten aber andere Aspekte: Der am 3.12.20 gezahlte Betrag über 5.097,68 EUR ist vergleichsweise überschaubar.
- Nur bloße Zahlungsverzögerungen, auch wenn sie wiederholt auftreten, sind für die Annahme einer Zahlungseinstellung nicht ausreichend (BGH 6.5.21, IX ZR 72/20). Der Schuldner hat unmittelbar die gesamte Forderung in einer Zahlung beglichen, auch wenn zuvor Durchsetzungsbemühungen der Bank als ursprüngliche Forderungsinhaberin, gescheitert waren.
Fehlende Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Neben dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist auch die Kenntnis des Neugläubigers von einem solchen Vorsatz in Zweifel zu ziehen. Eine solche Kenntnis kann entgegen § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht vermutet werden. Denn dies ist nur möglich, wenn die Neugläubigerin wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt. Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil ‒ wie hier ‒ eine Befriedigung gewährt, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach § 133 Abs. 1 S. 2 die eingetretene.
Eine selbst erlangte Kenntnis der Gläubigerin und Zessionarin kann nicht festgestellt werden. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Altgläubigerin als Zedentin der Beklagten als Zessionarin vor oder bei Abtretung mitgeteilt hat, dass zuvor ein Schuldenbereinigungsverfahren erfolglos durchgeführt wurde.
Soweit die Altgläubigerin als Zedentin vor der Abtretung der streitgegenständlichen Forderung aus dem Vollstreckungsbescheid Einziehungsmaßnahmen beauftragt hat, musste sie sich etwaige Kenntnisse ihrer Rechtsdienstleister zurechnen lassen, nicht aber die Neugläubigerin, die die Forderung 2020 im Wege der Abtretung erwarb. Es fehlt schon an einer entsprechenden Zurechnungsnorm. § 404 BGB sei weder direkt noch analog anwendbar:
- Die Anwendung des § 404 BGB bei Insolvenzanfechtungen scheitert bereits am Wortlaut der Norm. Nach § 404 BGB kann der Schuldner dem Zessionar die Einwendungen entgegensetzen, wenn diese zum Zeitpunkt der Zession bereits begründet waren. Dabei ist der Begriff der Einwendung i. S. v. § 404 BGB weit zu verstehen und umfasst alle rechtshindernden und rechtsvernichtenden Tatbestände (Busche, in Staudinger, Neubearbeitung 2017, § 404 BGB Rn. 10; vgl. Roth/Kieninger, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 404 Rn. 5). Insolvenzanfechtungen sind aber keine Einreden oder Einwendungen, sondern bürgerlich-rechtliche Ansprüche (Raupach, in: BeckOK-InsO, 19. Edit. 15.4.20; § 129 Rn. 4; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl., § 129 InsO Rn. 6; vgl. de Bra, in: Braun, Insolvenzordnung, 8. Aufl., § 129 InsO Rn. 5 ff.).
- Auch war der Anspruch auf Insolvenzanfechtung zum Zeitpunkt der Zession noch nicht entstanden. Der Anspruch der Insolvenzanfechtung entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. Schoon, in: Beck0K-Ins0, 19. Edit. 15.04.2020, § 147 Rn. 6).
- Für eine analoge Anwendung fehlt es an der vergleichbaren Interessenlage, selbst wenn man eine planwidrige Regelungslücke als weitere Analogievoraussetzung annähme. Ziel des § 404 BGB ist es, sicherzustellen, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt wird (Busche, in Staudinger, Neubearbeitung 2017, § 404 BGB Rn. 11; vgl. Roth/Kieninger, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 404 Rn. 1). Dem Insolvenzschuldner standen aber keine Verteidigungsmittel gegen die Altgläubigerin als Zedentin zu, die durch die Abtretung verloren gegangen wären. Die Insolvenzanfechtung ist kein Recht des Insolvenzschuldners, sondern ein Mittel der Gläubiger. Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, die Gläubiger zu schützen, die Masse anzureichern und so insgesamt das Verfahren zu fördern (Kirchhof/Freudenberg in: MüKo-Ins0, 4. Aufl., vor § 129 Rn. 1 ff.).
Das LG hält die von der Insolvenzverwalterin ins Feld geführten Entscheidungen des BGH vom 30.4.15 (IX ZR 1/13, NJW-RR 15, 1321) und vom 21.3.13 (IX ZR 32/12, NJW 13, 2282) für nicht einschlägig. Bei der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit i. S. v. §§ 130, 131, 133 InsO handele es sich um eine subjektive Eigenschaft, die in der Person des Forderungsinhabers begründet liegt und nicht in der Forderung selbst. Die Kenntnis tritt nicht erkennbar nach außen.
Relevanz für die Praxis
Ebenso scheitert nach dem LG eine Zurechnung über § 166 Abs. 2 BGB. Nach § 166 Abs. 1 BGB muss sich der Vertretene die Kenntnis seines Wissensvertreters zurechnen lassen. Dies gilt auch für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Insolvenzanfechtungen (BGH NZI 13, 253 Tz. 28).
§ 166 BGB wird nicht nur auf die rechtsgeschäftliche Vertretung angewendet, sondern auch bei Personen, die mit der Aufgabe betraut sind, für den Geschäftsherren im Geschäftsverkehr aufzutreten (Herrler, in: Staudinger (2019), § 166 BGB Rn. 5; Schubert, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 166 BGB Tz. 28; Bork, BGB AT, Rn. 1662 f.). Danach findet aus folgenden Gründen keine Zurechnung statt:
- Die von der Altgläubigerin beauftragten Rechtsdienstleister waren nicht Vertreterin der Neugläubigerin.
- Auch eine Zurechnung als Wissensvertreterin nach § 166 BGB analog ist nicht möglich. Die Rechtsdienstleister haben den Schuldner schon nicht zur Zahlung an die Neugläubigerin, sondern an die Altgläubigerin aufgefordert.
- Die Neugläubigerin handelte auch unstreitig im eigenen Interesse, als sie den Schuldner über die von ihr beauftragte Inkassodienstleisterin mit der Durchsetzung der aus Abtretung erhaltenen Forderung betraute. Auch diese hatte keine Kenntnis, die sich die Neugläubigerin zurechnen lassen müsste, denn auf ihre erste Aufforderung hin beglich der Schuldner die Forderung in einer Summe.
- Der Betrag war auch vergleichsweise gering, sodass aus der Zahlung als solcher sich keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und dessen ‒ unterstellten ‒ Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ergaben.