· Fachbeitrag · Auskunfts- und Mitwirkungspflichten
Keine Fortwirkung früherer Verstöße
(AG Göttingen 10.10.14, 74 IN 223/14, Abruf-Nr. 144126) |
Sachverhalt
Die Schuldnerin nahm in einem ersten Insolvenzeröffnungsverfahren erst nach Erlass eines Haftbefehls an einer Besprechung mit dem Sachverständigen teil, der darauf die Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse empfahl. Der Schuldner unterließ einen Eigenantrag verbunden mit dem Antrag auf Gewährung von Restschuldbefreiung. Die Schuldnerin stellte sodann unmittelbar folgend einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit der Bitte um Kostenstundung und Restschuldbefreiung.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Das AG musste entscheiden, ob der Eigenantrag daran scheitert, dass die Schuldnerin im Erstverfahren vorsätzlich gegen die ihr gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO obliegenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verstieß. Das hat das AG entgegen der früheren Rechtsprechung des BGH (ZInsO 10, 344) verneint.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Stundungsantrag gemäß § 4 a Abs. 1 InsO nicht nur in den dort genannten Fällen eines Versagungsgrundes gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO (bzw. in den bis zum 30.6.14 beantragten Verfahren auch in den Fällen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zurückzuweisen ist, sondern auch bei zweifelsfreien Vorliegen eines sonstigen Versagungsgrundes gemäß § 290 InsO, insbesondere in den Fällen der Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 InsO (BGH ZInsO 05, 207; Busch in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, § 4a Rn. 7; Ahrens in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl., § 290 Rn. 10). Diese Rechtsprechung zur Vorwirkung der Versagungsgründe gilt auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zum 1.7.14 fort (a.A. Ahrens, NJW 14, 1841).
Der Gläubiger, der zu den Anträgen des Schuldners gehört wird, sollte prüfen, ob solche Versagungsgründe vorliegen und sie sodann gegenüber dem Insolvenzgericht geltend machen.
Der BGH hatte für den hier vorliegenden Fall die Rechtslage bis zum 30.6.14 anders beurteilt, wurde allerdings darin durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BGBl. 2013 I S. 2379) zum 1.7.14 korrigiert. § 287a Abs. 2 InsO enthält danach nun eine abschließende Aufzählung, wann ein Restschuldbefreiungsantrag unzulässig ist. Die „Sperrfristrechtsprechung“ des BGH ist darüber hinausgehend nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung und Literatur überholt. Ob der BGH das genauso sieht, wird noch abzuwarten bleiben. In seinem Beschluss vom 20.3.14 (BGH NZI 14, 416) hat er dies ‒ provokant ‒ noch vor in Kraft treten der Gesetzesänderung in Zweifel gezogen.
Deutliche Worte findet das AG dann für den Gesetzgeber wegen des misslichen Ergebnisses, das eigentlich unredliches Verhalten im Ergebnis belohnt: Es bleibt festzuhalten, dass ein Schuldner durch eine verzögerte Antragstellung die eigentlich gebotene Abweisung eines eigenen Antrags „aushebeln“ kann, sei es bewusst oder unbewusst. Dieses Ergebnis ist jedoch vom Rechtsanwender hinzunehmen. Es ist das Ergebnis einer verfehlten Gesetzgebung, die die Problematik der Praxis und deren Hinweise ignoriert (z.B. AG Göttingen ZInsO 10, 686; Schmerbach, ZInsO 10, 647). Die Stundungsvorschriften in §§ 4a ff. InsO sind den Vorschriften über PKH nachgebildet. Dort besteht die Möglichkeit, einen Antrag wegen Mutwilligkeit gemäß § 114 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Mutwilligkeit wird bejaht, wenn eine Rechtsverfolgung von einer verständigen bemittelten Partei unterlassen würde. Eine verständige Partei würde bei einem Hinweis einen Restschuldbefreiungsantrag in einem laufenden Fremdantragverfahren stellen. Es wird abzuwarten bleiben, ob der Gesetzgeber im Rahmen einer späteren Evaluation des Gesetzes § 287a Abs. 2 InsO ergänzt.
Auch wenn das Ergebnis für den Gläubiger misslich ist, sollte er aus der Vorgehensweise des Schuldners die richtigen Schlüsse ziehen: Er zeigt sich wenig kooperativ und kommt seinen Pflichten nur unzureichend nach. Aktivieren Sie daher die Obliegenheiten des Schuldners, insbesondere seine Erwerbsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO, um auf eine Verfehlung zu hoffen und so die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen zu können.