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  • · Fachbeitrag · Deliktshandlung

    Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung richtig beschreiben

    Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird. Einer schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestands bedarf es nicht (BGH 9.1.14, IX ZR 103/13, Abruf-Nr. 140462).

     

    Sachverhalt

    Der Gläubiger hat im Insolvenzverfahren des Schuldners eine Darlehensforderung von rd. 570.000 EUR angemeldet und zugleich den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angegeben. Hierzu hat er auf Nachfrage angegeben, dass gegen den Schuldner - u.a. wegen der Vorlage falscher Bonitätsunterlagen und Kickback-Vereinbarungen - wegen Kreditbetrugs ermittelt werde. Die Darlehensforderung wurde antragsgemäß festgestellt, im Übrigen widersprach der Schuldner, worauf der Gläubiger Feststellungsklage wegen des Rechtsgrundes nach § 184 InsO erhob. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG sie wegen unzureichender Anmeldung als unzulässig abgewiesen. Vor dem BGH hat der Gläubiger einen vorläufigen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Der BGH fasst die vier Anforderungen an die originäre Anmeldung einer Forderung lehrbuchartig zusammen:

     

    Checkliste / 4 Anforderungen an die originäre Anmeldung einer Forderung

    • Nach § 174 Abs. 1 InsO sind bei der Anmeldung Grund und Betrag der Forderung anzugeben.

     

    • Anzugeben sind nach § 174 Abs. 2 InsO auch die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt. Der Begriff des Grundes der Forderung entspricht dem in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt.

     

    • Welchen Anforderungen der in § 174 Abs. 2 InsO verlangte Tatsachenvortrag genügen muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Es ist ein Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem - nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden - Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH NZI 09, 242; NZI 13, 388).

     

    • Die Feststellung einer Forderung zur Tabelle kann nach Grund, Betrag und Rang nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung bezeichnet worden ist (§ 181 InsO). Dies ist Grundlage für die
      • Eintragung in die Insolvenztabelle, aus der der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 InsO),
      • Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft und
      • Prüfung des Verwalters und anderer Gläubiger, ob die Forderung bestritten werden soll oder nicht (§ 178 Abs. 1 S. 1, § 179 Abs. 1 InsO).
     

    Welche Darlegungsanforderungen dagegen in den Fällen gelten, in denen die Kennzeichnung der Forderung als auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhend nur im Hinblick auf die spätere Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) Bedeutung erlangt, wird unterschiedlich beurteilt:

     

    • Teils wird die schlichte, etwa im Ankreuzen des im Anmeldeformular hierfür vorgesehenen „Kästchens“ liegende Behauptung des Gläubigers, die Forderung stamme aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, für ausreichend gehalten.
    • Nach anderer Ansicht reicht es aus, den nach Ansicht des Gläubigers maßgeblichen Vorgang hinreichend zu individualisieren.
    • Mehrheitlich wird Tatsachenvortrag verlangt, der eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung als „plausibel“ erscheinen lässt oder sogar schlüssig darlegt.

     

    MERKE | Der BGH verwirft alle drei Ansichten und verlangt eine in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfreie Bestimmung des Anspruchs, nach der der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Sämtliche Tatbestandsmerkmale der behaupteten unerlaubten Handlung müssen dagegen nicht dargelegt werden. Das wird als Obersatz nun heranzuziehen sein.

     

    Das gibt dem Gläubiger bei der Forderungsanmeldung Gestaltungsmöglichkeiten. Schon der Verdacht einer unerlaubten Handlung kann ausreichen, um den entsprechenden Forderungsgrund anzumelden, wenn die Forderung zunächst als vertraglicher Anspruch besteht. Es kann dann abgewartet werden, ob der Schuldner dem Rechtsgrund überhaupt widerspricht oder zu welchem Ergebnis etwa staatsanwaltliche Ermittlungen führen. Erst wenn der Schuldner widerspricht, muss der Gläubiger prüfen, ob er das Risiko einer Feststellungsklage eingehen will und er glaubt, den Anspruch dort beweisen zu können. Die Erklärungspflicht des Schuldners, die sekundäre Darlegungs- und Beweislast, Beweiserleichterungen oder Urkundenvorlagepflichten (§§ 142, 144 ZPO) können dabei helfen. Dabei trägt auch der Schuldner ein Prozess(kosten)risiko, wenn er leichtfertig dem Rechtsgrund widerspricht. Am Ende zeigt die Praxis immer wieder, dass Schuldner kein gehobenes Interesse für den Verlauf des Restschuldbefreiungsverfahrens haben und auch gerichtliche Belehrungen nicht zum Anlass für eine aktive Beteiligung nehmen. Ergebnis dieser Haltung ist, dass der Anmeldung nicht widersprochen wird.

     

    Der Schuldner bedarf des in einer ausführlichen Begründung liegenden Schutzes nicht. Nach § 175 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer Deliktshandlung angemeldet hat. Es reiche daher aus, wenn der Schuldner wisse, um welche Forderung es geht und welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird. Weil der Widerspruch nicht begründet werden muss, braucht dem Schuldner in dieser Phase des Verfahrens nicht ermöglicht werden, den Vortrag des Gläubigers gezielt anzugreifen.

     

    Die Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten verlangen gleichfalls keinen substanziierten Tatsachenvortrag des Gläubigers in der Anmeldung:

     

    • Dem Insolvenzverwalter steht, wenn der Bestand der Forderung nicht vom Vorliegen einer Deliktshandlung abhängt, kein auf den Rechtsgrund der angemeldeten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht zu (BGH NZI 08, 250).

     

    • Auch die anderen Insolvenzgläubiger haben kein eigenes Interesse daran, dass die beantragte Feststellung unterbleibt. Ihre Quotenaussichten werden hiervon nicht beeinträchtigt.

     

    Checkliste / Durch die Anmeldung vierfach profitieren

    Kann der Gläubiger die Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erreichen, profitiert er vierfach:

     

    • 1. Die mit diesem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldete Forderung ist durch die Eintragung in die Insolvenztabelle auch tituliert, wenn dies bei Anmeldung noch nicht der Fall war.
    • 2. Durch die Qualifizierung nimmt die Forderung nach § 302 InsO an der Restschuldbefreiung nicht teil und kann nachfolgend weiter beigetrieben werden, insbesondere auch im Wege der Zwangsvollstreckung.
    • 3. Die Zahl der konkurrierenden Gläubiger hat durch die erteilte Restschuldbefreiung nachhaltig abgenommen, sodass die Chance eines erfolgreichen Vermögenszugriffs beim Schuldner steigt.
    • 4. Muss die Zwangsvollstreckung wirklich betrieben werden, kann der Schuldner den Schutz der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO bei der Pfändung von Arbeitseinkommen für sich nicht in Anspruch nehmen. Vielmehr ist ihm nach § 850f Abs. 2 ZPO nur soviel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt bedarf, d.h. Hartz IV.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 53 | ID 42531115