· Fachbeitrag · Insolvenz
Bewusst unrichtige Angaben werden bestraft
Verschweigt der Schuldner einen Gläubiger, muss er darlegen, dass das Verschweigen ausnahmsweise weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Ansonsten ist die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen (AG Göttingen 23.12.14, 74 IK 83/14, Abruf-Nr. 144351). |
Sachverhalt
Über das Vermögen des Schuldners ist im März 2014 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Das Forderungsverzeichnis führt 23 Gläubiger auf. Eine darin nicht aufgeführte Gläubigerin beantragte darauf die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, da ihre seit November 2012 fällige und im März 2013 durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung nicht im Gläubigerverzeichnis angegeben war. Nachdem das AG durch den Rechtspfleger zunächst die Restschulbefreiung ankündigte, das Verfahren aufhob und die Stundung für das Restschuldbefreiungsverfahren bewilligte und bekannt machte, verweigerte es ihm dann die Restschuldbefreiung.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Die Restschuldbefreiung ist nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn der Schuldner in der nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
MERKE | Der Schuldner muss im Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen auch Forderungen angeben, deren Bestehen er bestreitet. Verschweigt er solche Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist ihm die Restschuldbefreiung ebenfalls zu versagen (BGH FMP 09, 187, Abruf-Nr. 092504). |
Es gibt keine Möglichkeit die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen. Auch dem Treuhänder steht insoweit kein Antragsrecht zu. Sehr wohl kann aber der Bericht des Treuhänders die Anhaltspunkte für einen Versagungsantrag aufzeigen und insoweit als Mittel der Glaubhaftmachung dienen.
Das AG sieht den Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO, obwohl sich der Schuldner zum Vorwurf, den antragstellenden Gläubiger bewusst und gewollt im Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt zu haben, nicht geäußert hat. Dabei postuliert es eine (widerlegliche) Vermutung des qualifizierten schuldhaften Verhaltens: Der Schuldner habe keine Stellung genommen und damit auch nicht dargelegt, dass das Verschweigen ausnahmsweise weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Das entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Gläubiger kann nur vortragen, dass ihm eine Forderung zusteht, die der Schuldner kannte. Bei einer Forderung aus Vertrag wird dies regelmäßig zutreffen. Es ist dann Sache des Schuldners darzulegen, warum das Verschweigen ausnahmsweise weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war (BGH 28.6.12, IX ZB 259/11). In der Konsequenz bedeutet es, dass der Gläubiger, der feststellt, vom Schuldner nicht berücksichtigt worden zu sein, seine Forderung stets nachträglich anmelden und dann sofort einen Versagungsantrag stellen muss.
Musterformulierung / Versagungsantrag |
An das Amtsgericht ... ‒ Insolvenzgericht ‒
In dem Insolvenzverfahren, Az. ..., betreffend ... ‒ Schuldner ‒
beantrage ich im Namen und in Vollmacht des ... ‒ Gläubigers ‒, dem Schuldner gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen.
Mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag muss der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis), eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht), ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen vorlegen. Den Verzeichnissen und der Vermögensübersicht ist die Erklärung beifügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.
Der Schuldner hat ausweislich der Insolvenzakte ein Verzeichnis seiner Gläubiger vorgelegt (Bl. ... GA) und dessen Richtigkeit und Vollständigkeit versichert (Bl. ... GA). Wie sich aus dem Verzeichnis ergibt, wurde dabei aber der vom Unterzeichner vertretene Gläubiger nicht berücksichtigt.
Wie sich aus der ebenfalls bei den Akten befindlichen nachträglichen Anmeldung des von mir vertretenen Gläubigers (Bl. ... GA) sowie der nachfolgenden Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle (Bl. ... GA) ergibt, steht dem Gläubiger aber eine Forderung zu, die ebenfalls hätte Berücksichtigung finden müssen.
Nur aus anwaltlicher Vorsorge wird darauf hingewiesen, dass der Schuldner einen Gläubiger und dessen Forderung auch aufzuführen muss, wenn er die Berechtigung der Forderung bestreitet. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Dem Schuldner war die Forderung hinreichend bekannt, was sich daraus ergibt, dass ...
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Schuldner den Gläubiger vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig im Gläubigerverzeichnis nicht berücksichtigt hat. Eine Glaubhaftmachung ist insoweit entbehrlich (BGH 28.6.12, IX ZB 259/11).
Die unterlassene Aufnahme der Forderung in die Aufstellung der Gläubiger und des Gläubigers in das Gläubigerverzeichnis stellt ein Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO dar, der zur Versagung der Restschuldbefreiung führen muss.
Soweit das Gericht weiteren Vortrag oder eine weitergehende Glaubhaftmachung für erforderlich hält, wird ausdrücklich um einen Hinweis nach §§ 4 InsO, 139 ZPO gebeten.
Rechtsanwalt |
Prozessual bot der Fall noch einige Besonderheiten:
- Die Sicht des AG kann selbstverständlich nur greifen, wenn dem Schuldner Gelegenheit gegeben wurde, sich zu dem Versagungsantrag und der unterlassenen Berücksichtigung zu äußern.
- Für die Bewilligung der Stundung und deren Aufhebung ist eigentlich der Rechtspfleger zuständig. Der Richter konnte die Entscheidung aber nach § 18 Abs. 2 S. 3 RPflG an sich ziehen.
- Da der Beschluss des Rechtspflegers über die Ankündigung der Restschuldbefreiung bereits bekannt gemacht war, stellte sich die Frage, ob er überhaupt noch geändert werden konnte. Sie ist höchstrichterlich geklärt: Beschlüsse des Insolvenzgerichts, die mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sind, können grundsätzlich innerhalb laufender Beschwerdefrist von Amts wegen geändert werden (BGH NJW-RR 06, 1554).