Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Versagungsgründe

    Widerruf der Restschuldbefreiung

    | Was passiert eigentlich, wenn sich erst nach der einmal erteilten Restschuldbefreiung herausstellt, dass in der Vergangenheit ein Versagungsgrund vorlag? Auch dann kann der Gläubiger noch forderungserhaltend handeln. Unter den Voraussetzungen des § 303 InsO kann die Erteilung der Restschuldbefreiung nämlich widerrufen werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verbraucherinsolvenzverfahren vor dem 1.7.14 und danach. |

    1. Formelle Aspekte des Widerrufs

    In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass der Gläubigerantrag nur innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung zulässig gestellt werden und ein Widerruf nur bis zu sechs Monate nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt werden kann. Die Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO muss der Gläubiger nach § 294 ZPO glaubhaft machen, was auch umfasst, dass er vor der Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis vom Widerrufsgrund hatte.

     

    • Im Wortlaut: § 303 Abs. 1 InsO

    Auf Antrag eines Insolvenzgläubigers widerruft das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn

    1. sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat,

    2. …

    3. der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens obliegen.

     

    2. Praxisproblem bei Altverfahren

    Für Verfahren, die vor dem 1.7.14 beantragt wurden, ergibt sich das folgende Problem: Nach § 303 Abs. 1 InsO kann die Restschuldbefreiung nur widerrufen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat. Damit sind die Obliegenheiten aus § 295 InsO gemeint, weil einen Schuldner nach altem Recht ‒ anders als nach neuem Recht ‒ im eröffneten Verfahren keine Obliegenheiten treffen. Während des laufenden Insolvenzverfahrens kann der Schuldner die Obliegenheiten nach § 295 InsO nicht verletzen, weil diese erst mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO a. F.) entstehen und von ihm deswegen erst in der Wohlverhaltensperiode zu beachten sind (BGHZ 183, 258; BGH NZI 12, 330; NZI 13, 601). Einen Widerruf der Restschuldbefreiung wegen des Vorliegens von Versagungsgründen nach § 290 InsO, die dem Gläubiger erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung bekannt geworden sind, sieht die Regelung nach dem Wortlaut der alten Fassung nicht vor.

     

    MERKE | Nach der neuen Rechtslage haben sich also die Möglichkeiten des Gläubigers noch verbessert, den nachträglichen Widerruf der erteilten Restschuldbefreiung zu erreichen.

     

    In einer aktuellen Entscheidung hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, bzw. ob und wie diese zu schließen ist.

    3. Von diesem Fall ging der BGH aus

    Auf einen Eigenantrag des Schuldners im Dezember 2006 hat das Gericht am 8.2.07 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Der Gläubiger hat zur Tabelle festgestellte Forderungen angemeldet. Am 2.5.13 erteilte das Insolvenzgericht dem Schuldner durch rechtskräftigen Beschluss die Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren dauert noch an.

     

    Nun beantragt der Gläubiger den Widerruf der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner einen Umzug nicht mitgeteilt und massezugehörige Einnahmen und massezugehöriges Vermögen verheimlicht habe. Die gegen die Antragszurückweisung erhobene sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen, allerdings die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese führte für den Gläubiger zumindest zu einem vorläufigen Erfolg.

    4. Keine planwidrige Regelungslücke, aber ...

    Der BGH sieht keine planwidrige Lücke (8.9.16, IX ZB 72/15, Abruf-Nr. 189205). Ein Widerruf der Restschuldbefreiung kann danach auch dann nicht auf Pflichtwidrigkeiten aus der Zeit vor der Restschuldbefreiung gestützt werden, wenn das Insolvenzverfahren noch andauert.

     

    Er ermöglicht dem Gläubiger aber gleichwohl, die Versagung der Restschuldbefreiung zu erreichen. Denn die im laufenden Insolvenzverfahren erteilte Restschuldbefreiung könne widerrufen werden, wenn der Schuldner nach ihrer Erteilung seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Dies gelte auch, wenn er die vor Erteilung der Restschuldbefreiung begonnene Pflichtverletzung danach fortsetzt.

     

    Hier lagen die Voraussetzungen des § 303 InsO nicht vor. Der BGH verneint auch, ihn analog anzuwenden, obwohl er dies schon einmal erwogen hatte. Stellten Schuldner in Einzelfällen die weitere Mitarbeit nach Restschuldbefreiung ein, könnte neben § 98 InsO zur zwangsweisen Durchsetzung der Pflichten des Schuldners auch § 303 InsO analog anzuwenden sein (BGH NJW 10, 2283).

     

    MERKE | Diese Überlegung hat der Gesetzgeber aufgegriffen und in § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO in der heute geltenden Fassung angeordnet, dass auf Gläubigerantrag die Restschuldbefreiung widerrufen werden kann, wenn der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im noch nicht aufgehobenen Insolvenzverfahren nicht nachkommt.

     

     

    Im konkreten Fall waren nach Ansicht des LG nur Pflichtverletzungen vor der erteilten Restschuldbefreiung vorgetragen. Hier muss der Gläubiger also ansetzen. Er muss versuchen, im noch laufenden Insolvenzverfahren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners zu aktivieren, insbesondere diejenigen nach § 97 InsO. Kommt der Schuldner diesen nicht nach, ist ein nachträglicher Widerruf der Restschuldbefreiung noch möglich.

     

    MERKE | Das seit dem 1.7.14 geltende Insolvenzrecht durchbricht die Zäsurwirkung des Schlusstermins insoweit, als nach § 297a InsO nun einem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden kann, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Fall des § 211 InsO nach der Einstellung herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat.

     

    Der BGH widerspricht allerdings dem Verständnis des LG als Vorinstanz. Der Gläubiger habe dem Schuldner sehr wohl auch vorgeworfen, seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht nachgekommen zu sein. Der Gläubiger hatte nämlich vorgetragen, dass der Schuldner Einnahmen in den Jahren 2011 und 2012, die er in der Schweiz erzielt habe, Patentanmeldungen aus dem Jahr 2012 und Lebensversicherungen, die sein Arbeitgeber in den Jahren 1979, 1993 und 1996 zu seinen Gunsten geschlossen habe, dem Insolvenzgericht auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mitgeteilt habe. Auch der Umzug in die Schweiz im Jahr 2012 habe er verschwiegen.

     

    Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners aus § 97 InsO bestehen für die Dauer des gesamten Insolvenzverfahrens. Sie bestehen auch fort, wenn dem Schuldner nach Ablauf der Abtretungsfrist vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt wird (BGHZ 183, 258). Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO bestehen allerdings nur noch in dem Umfang, in dem die Beschlagnahmewirkung fortbesteht, beziehen sich also nicht auf den Neuerwerb.

     

    Wenn der Schuldner, dem die Restschuldbefreiung erteilt wird, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben ist, die ihn auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung treffenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, kann analog § 303 Abs. 1 InsO a.F (vgl. § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO nF) die Restschuldbefreiung widerrufen werden, wenn ein Gläubiger dies zumindest bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt. Der Gesetzgeber hat nicht bedacht, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt werden kann, bevor das Insolvenzverfahren beendet ist.

     

    Die Entscheidung des BGH versetzt Gläubiger in die Lage, den Bestand seiner Forderung bis zur letzten Minute, nämlich ein Jahr nach der erteilten Restschuldbefreiung, gegen unredliche Schuldner verteidigen zu können. Dabei kann ihnen in die Hände spielen, dass Schuldner nach der Erteilung der Restschuldbefreiung oft „unvorsichtiger“ werden und ihren Pflichten nicht mehr uneingeschränkt nachkommen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 209 | ID 44369441