· Fachbeitrag · Wohlverhaltensperiode
Keine „schnelle“ Einbeziehung von Neuverbindlichkeiten
Nimmt der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode den Antrag auf Restschuldbefreiung zurück, nachdem er neue Schulden begründet hat, ist ein am folgenden Tag zur Durchführung eines neuen Insolvenzverfahrens gestellter Antrag auf Kostenstundung und Restschuldbefreiung unzulässig (BGH 20.3.14, IX ZB 17/13, Abruf-Nr. 141082). |
Sachverhalt
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15.5.00 das Insolvenzverfahren eröffnet und am 25.7.06 die Restschuldbefreiung angekündigt. Gegenstand waren Verbindlichkeiten von 6.750.000 EUR. Am 7.9.10 nahm er den Antrag auf Restschuldbefreiung zurück, um am Folgetag schon einen neuen Antrag wegen einer um rd. 910.000 EUR höheren Gesamtverbindlichkeit zu stellen. Das AG eröffnete das Verfahren am 13.10.10. Im Schlusstermin am 12.7.12 beantragte die Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung. Darauf hat das Insolvenzgericht - bestätigt durch das Beschwerdegericht - sowohl den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung als auch den Versagungsantrag des Gläubigers für unzulässig erklärt. Nach der Rücknahme des Erstantrags habe der Schuldner vor Ablauf von drei Jahren keinen Folgeantrag stellen dürfen. Hiergegen wendet sich der Schuldner.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Der BGH folgt den Vorinstanzen. Dabei stellte sich zunächst die Frage, ob das Insolvenzgericht durch die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht schon eine - rechtskräftige - Entscheidung über die Zulässigkeit des erneuten Antrags getroffen hat. Das verneint er.
MERKE | Auch wenn die Zulässigkeit des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, kann der Gläubiger die verfrühte erneute Antragstellung thematisieren und damit auf die Unzulässigkeit des Antrags hinweisen. |
Checkliste / Das gilt für Wiederholungsanträge |
|
Der BGH betont, dass es auf die Motivation für die Rücknahme des ersten Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung nicht ankommt. Insbesondere sei nicht erheblich, ob ein Versagungsantrag gestellt worden sei und die Rücknahme dessen (positive) Bescheidung verhindern solle.
Anliegen des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, nach dem die Restschuldbefreiung zu versagen ist, wenn der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 oder § 297 InsO versagt worden ist, sei es, einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast zu verhindern. Die Restschuldbefreiung soll als Hilfe für unverschuldet in Not geratene Personen dienen, nicht als Zuflucht für diejenigen, die bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen wollen.
MERKE | Derjenige, der bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen will, soll durch das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht geschützt werden. |
Etwas anderes kann sich nach der neuen Rechtslage ab dem 1.7.14 ergeben: § 287a InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BGBl. I 2013, S. 2379) regelt ausdrücklich mehrere Fälle, in denen ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig ist. Die hier bestimmten Fristen von zehn Jahren (§ 287a Abs. 2 Nr. 1) und drei Jahren (§ 287a Abs. 2 Nr. 2) beginnen jeweils mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Versagungsantrag. Nach neuem Recht gibt es aber keine ausdrückliche Sperrfrist für den Fall der Antragsrücknahme mehr.
MERKE | Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen die in § 287a InsO zusammengefassten Regelungen abschließend sein. Es werden mehrere Fallgestaltungen genannt, die der Regierungsentwurf bewusst anders entscheidet als bisher der BGH. Allerdings wird hier wiederum der Fall der Antragsrücknahme nicht ausdrücklich genannt. |
Der BGH kündigt in seiner Entscheidung an, nach dem 1.7.14 seine Rechtsprechung zur Sperrwirkung des zurückgenommenen Antrags nach Inkrafttreten des § 287a InsO zu überprüfen. Derzeit sei § 287a InsO noch nicht anwendbar. Eine „Vorwirkung“ lehnt er ab (so schon BGH 7.5.13, IX ZB 51/12, Abruf-Nr. 132512).
Da die Gesetzesbegründung widersprüchlich ist, das heißt, einerseits zwar von einer abschließenden Regelung in § 287a InsO spricht, andererseits aber den Fall der Antragsrücknahme nicht bei den Fällen erwähnt, die anders als in der bisherigen Rechtsprechung gelöst werden sollen, ist noch nicht ausgemacht, dass der Schuldner künftig diese Möglichkeit zur kurzfristigen Einbeziehung von Neuverbindlichkeiten nutzen kann. Für den (Neu-)Gläubiger wäre dies ein Schlag. Möglicherweise müsste dies dann auch verfassungsrechtlich - gemessen an Art. 14 GG - geprüft werden.