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  • · Fachbeitrag · Bauvertrag

    Sicherungsverlangen auch noch nach Kündigung möglich

    • 1. Auch nach einer Kündigung des Bauvertrags kann der Unternehmer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB verlangen.
    • 2. Der Unternehmer muss die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung schlüssig darlegen.
    • 3. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des dargelegten Vergütungsanspruchs streitig, ist dem Unternehmer für seine schlüssig dargelegte Vergütung eine Sicherheit ohne Klärung der Streitfragen zu gewähren. Anderes gilt, wenn die Klärung der Streitfragen nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt.

    (BGH 6.3.14, VII ZR 349/12, Abruf-Nr. 140730)

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Geltendmachung von Forderungen aus Werkverträgen, vor allem Bauverträgen gehört zur täglichen Praxis des Rechtsanwalts. Das gilt für die Vertretung des Bauherrn ebenso wie für das Bauunternehmen oder zwischen Bauunternehmen bei Subunternehmerverträgen. Besondere Schwierigkeiten macht hier die Abrechnung, wenn der Bauvertrag - warum auch immer - gekündigt wird. Hier entsteht oft Streit, der vor allem Zeit kostet, in der der Bauunternehmer wegen seiner Restforderung nicht gesichert ist. Die Entscheidung des BGH zeigt auf, wie der Bauunternehmer Sicherheit erlangen kann und entscheidet damit eine wichtige Streitfrage in Rechtsprechung und Literatur.

     

    Der Anspruch des Bauunternehmers auf Sicherheitsleistung kann in § 648a Abs. 1 BGB begründet sein, der zum 1.9.09 grundlegend umgestaltet wurde.

     

    • Im Wortlaut: § 648a Abs. 1 BGB

    Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon kann vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Satz 1 gilt in demselben Umfang auch für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten. Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat. Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bleiben bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Die Sicherheit ist auch dann als ausreichend anzusehen, wenn sich der Sicherungsgeber das Recht vorbehält, sein Versprechen im Falle einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Bestellers mit Wirkung für Vergütungsansprüche aus Bauleistungen zu widerrufen, die der Unternehmer bei Zugang der Widerrufserklärung noch nicht erbracht hat.

     

    Während der Unternehmer nach der Altfassung des Gesetzes keinen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung hat, gewährt ihm die Neufassung nun einen solchen Anspruch, der auch mittels Klage geltend gemacht werden kann (BGH BauR 10, 1219).

     

    Der Anspruch besteht nach Auffassung des BGH auch nach einer Kündigung, weil der Wortlaut des Gesetzes hier keine Einschränkungen zeigt und der Unternehmer auch keine Vorleistungen mehr erbringen muss (a.A. noch LG Hamburg 6.12.12, 313 O 243/12). Mit der Neufassung wollte der Gesetzgeber also nicht mehr die Vorleistung des Unternehmers, sondern generell seinen Vergütungsanspruch sichern. Das ergebe sich aus dem Wortlaut, der Gesetzgebungsgeschichte und dem Regelungszusammenhang.

     

    Ist damit entschieden, dass auch der Vergütungsanspruch nach der Kündigung geschützt wird, stellt sich die Frage, in welcher Höhe. Dies war bisher umstritten:

     

    Übersicht / Streitfrage um die Höhe des Sicherungsbedürfnisses

    • Nach einer hauptsächlich in der Literatur vertretenen Ansicht ist der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 648a Abs. 1 BGB nicht unabhängig von dem konkreten Sicherungsbedürfnis des Unternehmers zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Die Höhe der Sicherheit müsse dem geschuldeten Leistungsumfang angepasst werden, wenn sich der Leistungsumfang gegenüber der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung geändert habe (vgl. MüKo/Busche, BGB, 6. Aufl., § 648a Rn. 24; Bamberger/Roth/Voit, BGB, 3. Aufl., § 648a Rn. 7; Schmitz in: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 29.9.13, § 648a BGB Rn. 59/1,2; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 648a Rn. 14; Schmidt, NJW 13, 497).

     

    • Dagegen gehen die Instanzgerichte (LG Nürnberg-Fürth 12.4.10, 17 O 1183/09; LG Stuttgart 3.12.10, 8 O 284/10; LG Paderborn 9.6.11, 3 O 521/10; OLG Celle BauR 12, 1808) davon aus, dass eine Kündigung an der von dem Unternehmer zu beanspruchenden Sicherheit der Höhe nach nichts ändere, weil die Möglichkeit, eine Sicherheit zu fordern, dem Unternehmer den einfachen und flexiblen Zugriff auf die zum Bauen bestimmten Finanzmittel des Bestellers eröffnen solle. Da dieser Anspruch bereits ab Vertragsschluss bestehe, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Unternehmer noch keinerlei Vorleistungen erbracht habe, bestehe er erst recht, wenn bereits Leistungen erbracht worden seien. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe unabhängig davon, welches Schicksal der zugrunde liegende Werkvertrag in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Kündigung genommen habe. Dies ergebe sich bereits aus § 648a Abs. 1 S. 3 BGB, wonach der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass der Besteller Erfüllung verlangen könne, er das Werk abgenommen oder eine Aufrechnung erklärt habe. Der Gesetzgeber habe dem Werkunternehmer im Hinblick auf das Insolvenzrisiko des Bestellers eine schnelle Sicherheit geben wollen, um dann anschließend im Werklohnprozess die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs unter Berücksichtigung etwaiger Gegenansprüche klären zu können. Da sich das Insolvenzrisiko durch die Kündigung nicht vermindere, könne diese auf den Anspruch des Unternehmers auf Bestellung einer Sicherheit keinen Einfluss haben.
     

    Den BGH überzeugen beide Ansichten nicht vollständig, sodass er eine differenziertere Sicht der Dinge wählt, die an den Sachvortrag des Bevollmächtigten gegenüber den bisherigen Vorgaben der Rechtsprechung höhere Anforderungen stellt:

     

    • Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist dem Unternehmer einerseits eine Sicherheit zu gewähren, die ihren Zweck nicht verfehlt, ihn vor dem Ausfall des Bestellers zu schützen (Insolvenzrisiko). Deshalb kann ein den Rechtsstreit über die Stellung einer Sicherheit verzögernder Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nicht zugelassen werden.

     

    • Andererseits besteht kein Grund, den Unternehmer aus seiner Verpflichtung zu entlassen, die Höhe der ihm nach der Kündigung auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung zustehenden Vergütung schlüssig darzulegen. Für den Bevollmächtigten gilt es, diesem Aspekt Rechnung zu tragen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden, nämlich der der freien Kündigung und der der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund, d.h. einer wesentlichen Vertragsverletzung des Unternehmers.

     

    • Nach § 649 S. 2 BGB muss sich der Unternehmer nach einer freien Kündigung auf die vereinbarte Vergütung das anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Im VOB-Vertrag ist dies ausdrücklich Gegenstand der getroffenen Vereinbarung, § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. Diesen Anspruch muss der Bevollmächtigte für den Unternehmer darlegen. Der BGH zeigt in seiner Entscheidung auf, dass es dazu nicht genügt, nur den entgangenen Gewinn zu beziffern.

     

    Checkliste / So wird die Vergütung nach der freien Kündigung berechnet

    Es ist in drei Stufen vorzugehen:

     

    • 1. Es ist darzulegen, welche Leistungen aufgrund der Kündigung noch nicht erbracht wurden und wie hoch die hierauf entfallende Vergütung ist. Dabei sollten die entsprechenden Ziffern des Leistungsverzeichnis angegeben werden, damit das Gericht dies einfach nachvollziehen kann. Der Übersichtlichkeit halber empfehlen sich also zwei Rechnungen, d.h. eine für die erbrachten (Teil-)Leistungen einschließlich der Zusatz- und Mehrleistungen und eine für die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen.
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    • 2. Im zweiten Schritt ist darzulegen, für welche Leistungen Aufwendungen erspart wurden und wie hoch diese sind. Dies betrifft insbesondere die Sachleistungen, d.h. das Material. Hier ist der Einstandspreis anzugeben und vom vertraglichen Verkaufs- bzw. Überlassungspreis in Abzug zu bringen, auch wenn dies bedeutet, dass in gewisser Weise die eigene Kalkulation offen gelegt werden muss. Dies erfordert gegebenenfalls auch eine Offenlegung der Kalkulation von Mischpositionen, in denen ein Einheitspreis für Arbeit und Material angeboten wurde. Hier kann auch dargelegt werden, dass bestimmte Aufwendungen schon getätigt - und damit nicht erspart - wurden, weil das Material einerseits auf Maß hergestellt, geliefert, aber vor der Kündigung noch nicht eingebaut wurde und andererseits wegen der Individualität nicht zurückgegeben werden konnte.
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    • 3. Vor allem im Hinblick auf die Personal- und Maschinenkosten ist dann darzulegen, inwieweit diese bei anderen Projekten eingesetzt werden konnten und welche Vergütung hierfür gezahlt wurde. Nur die Differenz zuungunsten des Unternehmers kann er als Vergütung verlangen. Die Vermutungsregel des § 649 S. 3 BGB, wonach dem Unternehmer 5 Prozent der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen, wird diesem in den seltensten Fällen genügen. Allerdings kann hilfsweise auch hierauf abgestellt werden.
     
    • Nach außerordentlicher Kündigung des Bestellers aus wichtigem Grund steht dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung nur für die erbrachte Leistung zu. Auch diesen Anspruch muss der Unternehmer schlüssig darlegen (BGH NJW 06, 2475; NJW 03, 1450; BauR 93, 469).

     

    Damit der Bevollmächtigte schlüssig vortragen kann, muss sein Mandant Vorarbeiten leisten, nämlich die Schlussrechnung schnellstmöglich erstellen, die den Vergütungsanspruch untermauert.

     

    MERKE | Die VOB/B sieht in § 14 Abs. 3 dafür sogar eine Frist von zwölf Tagen vor, wenn die Bauleistung in nicht mehr als drei Monaten zu erbringen war. Die Frist verlängert sich um jeweils sechs Tage je weitere drei Monate Ausführungszeit. Diese Frist besagt aber nicht, dass die Schlussrechnung nicht schon früher vorgelegt werden darf.

     

    Jeder Praktiker wird gegen diese Sicht einwenden, dass der Streit meist auch bei der Frage beginnt, welche Form der Kündigung vorliegt. Während der Besteller meist von einer außerordentlichen Kündigung ausgehen wird, behauptet der Unternehmer, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht vorliegt und eine freie Kündigung anzunehmen ist. Dieser Streit ist oft erst nach einer Beweisaufnahme zu entscheiden, was den Rechtsstreit erheblich verzögern kann und damit dem Sicherungsbedürfnis nicht hinreichend Rechnung trägt.

     

    Dem trägt der BGH allerdings auf der dritten Ebene seiner Entscheidung Rechnung. Ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs wird im Prozess auf Stellung einer Sicherheit nicht zugelassen. Das bedeutet, dass hinsichtlich der Form der Kündigung allein vom Vortrag des Unternehmers auszugehen ist. Hierauf aufbauend muss dann die Höhe der Forderung durch Vorlage der Schlussrechnung schlüssig dargelegt werden. Damit liegt es allein in der Hand des Unternehmers, wie weit sich die Stellung der Sicherheit verzögert.

     

    TIPP | Da das Stellen der Sicherheit den Besteller in seiner finanziellen Handlungsfähigkeit beeinträchtigt, kann ein primäres Vorgehen nach § 648a BGB den Druck auf eine Vergleichsweise Lösung auf Seiten des Bestellers erhöhen und die investitionshemmende Zeit für den Unternehmer aufgrund der Ungewissheit über den ihm zufließenden Betrag verkürzen. Das Stellen der Sicherheit verringert daneben die Gefahr, die Forderung mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen zu müssen oder sie sogar nur in einem Insolvenzverfahren anmelden zu können.

     

    Der BGH geht davon aus, dass der Gesetzgeber die erheblichen praktischen Nachteile für den Besteller in Form der Belastung seiner Kreditlinie, die Notwendigkeit, dem Nachunternehmer ebenfalls eine Sicherheit stellen zu müssen, die Nichtberücksichtigung erheblicher Einwendungen zu Grund und Höhe der Vergütung, der Gefahr der Übersicherung und auch dem Risiko, die Sicherheit aufgrund der Liquidität des Unternehmers nicht zurückzuerlangen, bewusst in Kauf nehmen wollte. Ihnen kann also kein Vorrang vor den Interessen des Unternehmers eingeräumt werden.

     

    MERKE | Auf solche Einwendungen muss der Bevollmächtigte also nicht in der Sache antworten. Er kann sie vielmehr unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung als unerheblich zurückweisen. Hilfsweise sollte er um einen rechtlichen Hinweis nach § 139 ZPO bitten, wenn das angerufene Gericht sie gleichwohl als erheblich erachtet.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 141 | ID 42775874