· Fachbeitrag · Verjährungshemmung
Abtretung der Klageforderung vor Zustellung
Eine Abtretung der Klageforderung nach Eintritt der Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO, aber vor Zustellung der Klage an den Beklagten, führt nicht zur Beendigung der Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist (BGH 15.11.12, I ZR 86/11, Abruf-Nr. 131534). |
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den in Italien ansässigen Beklagten wegen Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht auf Schadenersatz in Anspruch. Der Beklagte wurde im Rahmen des von der Klägerin beauftragten Transportes von Schokolade auf einer Raststätte überfallen. Die Versenderin stellte der Klägerin für die abhandengekommene Ware über 60.000 EUR in Rechnung, die sie nun von dem Beklagten erstattet verlangt.
Die Klägerin hat den Beklagten wegen des streitgegenständlichen Verlusts zunächst unter Berufung auf eine vorgerichtliche Abtretung der ursprünglichen Anspruchsinhaberin (N.) auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Nach Einreichung, aber vor Zustellung der Klage an den Beklagten hat sie den geltend gemachten Schadenersatzanspruch an die N. zurückabgetreten. Diese hat die Klageforderung nach Zustellung der Klage gegen Ansprüche aufgerechnet, die dem Beklagten unstreitig gegen sie zustanden. Die Klägerin hat daraufhin die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit mit Ausnahme der verlangten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in der Hauptsache erledigt sei. Im Berufungsverfahren ist die Klägerin zu ihrem ursprünglichen Zahlungsantrag zurückgekehrt, weil die N. - so der Vortrag der Klägerin - erneut sämtliche Schadenersatzansprüche aus dem Transport gegen den Beklagten an sie abgetreten habe. Die von der N. erklärte Aufrechnung sei mangels Zustimmung des Beklagten nicht wirksam geworden. Die N. sei damit einverstanden, dass sie, die Klägerin, die Ansprüche aus dem Transportvertrag weiterverfolge und Zahlung an sich verlange. Der Beklagte ist dem mit der Einrede der Verjährung entgegengetreten. Während das LG die Klage abgewiesen hat, ist das OLG der Klägerin gefolgt. Der BGH ist dem OLG gefolgt.
Entscheidungsgründe
Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch, weil der Lauf der im vorliegenden Fall maßgeblichen Verjährungsfrist von einem Jahr (Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR) in noch unverjährter Zeit gemäß Art. 32 Abs. 3 CMR, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO gehemmt worden ist.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 1.8.06 Inhaberin der streitgegenständlichen Schadenersatzforderung und damit Berechtigte im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Das OLG hat angenommen, dass die Klägerin durch die nach italienischem Recht zu beurteilende Abtretung der in Rede stehenden Schadenersatzforderung vom 29.3.06 unmittelbar und mit sofortiger Wirkung zu deren Inhaberin geworden ist. Das ist nicht angegriffen.
Als Forderungsinhaberin war die Klägerin daher materiell Berechtigte nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, als sie die Klageschrift in noch unverjährter Zeit am 1.8.06 beim LG eingereicht hat. Dies hat gemäß § 167 ZPO in Verbindung mit § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hemmung der noch laufenden Verjährungsfrist geführt. Der Umstand, dass die Klägerin die mit der Klage geltend gemachte Schadenersatzforderung vor Zustellung der Klageschrift wieder an die N. zurückabgetreten hat, ändert hieran nichts. Für die Verjährungshemmung ist es nicht erforderlich, dass die materielle Berechtigung auch noch zum Zeitpunkt der Klagezustellung fortbesteht.
Erfolgt die Zustellung der Klageschrift demnächst, verlegt § 167 ZPO den Zeitpunkt der Verjährungshemmung generell auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht. Dass die Klägerin den Rechtsverlust zum Zeitpunkt der Klagezustellung wegen der von ihr zuvor erklärten Abtretung selbst herbeigeführt hat, ändert daran nichts. Denn mit Einreichung der Klageschrift konnte die Klägerin die von Amts wegen zu bewirkende Zustellung, die Voraussetzung für den Eintritt der Rechtshängigkeit war, nicht mehr beeinflussen. Durch § 167 ZPO sollen die Parteien bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsablauf bewahrt werden, weil sie hierauf keinen Einfluss nehmen können (BGH NJW 03, 2830). Da sich der genaue Zeitpunkt der Klagezustellung oft - etwa, wie hier, bei einer Zustellung im Ausland - nicht kurzfristig durch eine Nachfrage bei Gericht in Erfahrung bringen lässt, ist für die Beteiligten einer Forderungsübertragung nicht ohne Weiteres erkennbar, wer bei Klagezustellung Inhaber der übertragenen Forderung ist. Käme es für die Verjährungshemmung ungeachtet des § 167 ZPO auch auf die Berechtigung im Zeitpunkt der Klagezustellung an, wäre der Zessionar, der dem klagenden Zedenten keine Einziehungsermächtigung erteilt hat, zur Vermeidung verjährungsbedingter Nachteile genötigt, ins Ungewisse hinein die Forderung selbst erneut gerichtlich geltend zu machen. Nach der § 167 ZPO zugrunde liegenden Wertung, das Verjährungsinteresse des Schuldners gegenüber dem Interesse des Anspruchstellers auf Rechtsdurchsetzung unter den Voraussetzungen des § 167 ZPO zurückzustellen, ist eine solche mehrfache gerichtliche Befassung mit der Streitsache nicht gerechtfertigt. Eine Abtretung der Klageforderung an einen Dritten nach Eintritt der Hemmungswirkung gemäß § 167 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB führt daher nicht zur Beendigung der Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist. Daher ist im Streitfall für die Verjährungshemmung maßgeblich, dass die Klägerin bei Einreichung der Klage am 1.8.06 im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB berechtigt war, den streitgegenständlichen Schadenersatzanspruch geltend zu machen (BGH TranspR 10, 200).
Praxishinweis
Der BGH stärkt zwar die Gläubigerrechte. Der Fall zeigt aber auch, dass Abtretungsketten gefährlich sind und Rechtsverluste heraufbeschwören können. Für die Praxis kann es sinnvoll sein, den Anspruchsinhaber schnell und rechtssicher festzustellen und diesen zumindest nach außen agieren zu lassen. Die materiell-rechtliche Abtretung kann dann auch als stille Zession erfolgen, gegebenenfalls mit einer gleichzeitigen treuhänderischen Rückabtretung.
Ein weiterer Aspekt, den es bei der Abtretung einer streitbefangenen Forderung zu beachten gibt, folgt aus dem Kostenrecht. Macht der Kläger einen auf ihn übergangenen Anspruch geltend, ohne dass er vor Erhebung der Klage dem Beklagten den Übergang mitgeteilt und auf Verlangen nachgewiesen hat, fallen ihm nach § 94 ZPO die Prozesskosten insoweit zur Last, als sie entstanden sind, indem der Beklagte durch Unterlassen der Mitteilung oder des Nachweises veranlasst worden ist, den Anspruch zu bestreiten. Soll die Abtretung im Prozess offen gelegt werden, muss sie also stets vor Klageerhebung dem Schuldner angezeigt und - was mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein kann - nachgewiesen werden. Wegen des erforderlichen Nachweises sollte die Abtretung auch stets gesondert, also losgelöst vom möglichen Kausalgeschäft (Forderungskauf) vereinbart werden.