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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Abrechnungsfehler können schnell „teuer“ werden - erst recht, wenn sie erkennbar waren!

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dozent und Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Partner der kmk Steuerberatungsgesellschaft mbH, Dortmund

    | Es kommt immer wieder vor, dass Rechnungen einem „falschen Kunden“ geschrieben werden. Die Praxis verfährt dann ggf. recht pragmatisch: der falsche Kunde wird zunächst gebeten, die auf ihn lautende Rechnung zu vernichten oder zurückzuschicken; häufig wird auch ein Storno versandt. Sodann wird dem richtigen Kunden eine Rechnung geschickt. Hier macht es sich die Praxis zu einfach. Der Gesetzgeber sieht in der falschen Abrechnung eine Gefährdung des Steueraufkommens und verlangt zu deren Beseitigung ein streng formales Vorgehen. |

    1. Vier typische Praxisfälle

    Immer wieder ergeben sich Fallgestaltungen wie die folgenden:

     

    • Beispiel 1

    Käufer K ist Einzelunternehmer und seit Jahren Kunde bei Autohaus A. Neuer­dings ist K auch - was im Autohaus nicht bekannt war - als Gesellschafter an der Y-GmbH beteiligt. K kauft ein Fahrzeug bei A und erhält wie immer eine auf ihn als Einzelunternehmer lautende Rechnung. K teilt A daraufhin mit, dass er das Fahrzeug für die Y-GmbH gekauft hat; er bittet um eine auf die Gesellschaft lautende Rechnung.

     

     

    • Beispiel 2

    Vater V ist seit vielen Jahren Privatkunde von Autohaus A. Schon immer wurde V von seinem autobegeisterten Sohn S beim Fahrzeugkauf begleitet. Nun will S, der gerade 18 Jahre alt geworden ist, selbst ein Auto kaufen. V begleitet den S nur, um seine Kontakte zu nutzen und für den Sohn einen günstigen Preis „herauszuschlagen“. Wie in den Vorjahren erhält V die Rechnung über den Autokauf. V löst das Missverständnis auf und bittet darum, das Geschäft gegenüber S abzurechnen.

     

     

    Ähnliche Fälle wurden aus der Praxis der Reparaturbetriebe bekannt:

     

    • Beispiel 3

    Im „Familienvermögen“ der Eheleute befinden sich 2 Notebooks: das eine nutzt der Ehemann (EM) für sein Einzelunternehmen, das andere seine Frau (EF) für das „Familien-Management“. Computerbetreuer C repariert das private Notebook der Ehefrau; EM bittet aber darum, dass die Rechnung „aus steuerlichen Gründen“ eine Reparatur seines Notebooks ausweist.

     

     

    • Beispiel 4

    Wie Beispiel 3. C repariert das Notebook des Privatkunden P. Da dieser mit der Rechnung „nichts anfangen kann“, bittet er um eine Rechnung, die auf seinen unternehmerisch tätigen Schwiegervater S lautet.

     

    2. Die Abrechnungsfehler

    Auf eine Rechnung gehören als Pflichtangaben u.a.

    • der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Leistungsempfängers (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 UStG, sog. Rechnungsadressat),
    • die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder der Umfang und die Art der sonstigen Leistung (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG, sog. Leistungsbeschreibung).

     

    In allen vier Beispielsfällen war zumindest eine Angabe falsch, nämlich

    • der Rechnungsadressat in den Beispielen 1, 2 und 4 und
    • die Leistungsbeschreibung in den Beispielen 3 und 4.

    3. Die Folge: Doppelte Umsatzsteuerschuld des Rechnungsausstellers und u.U. auch Zinsschuld

    Der Gesetzgeber reagiert rigoros und erhebt die Umsatzsteuer daher gleich doppelt, nämlich

    • ein erstes Mal die „normale“ - also aus dem eigentlichen Umsatz entstandene - Steuer (zutreffende Umsatzsteuer) und
    • ein zweites Mal nach § 14c Abs. 2 UStG die Steuer aus der fehlerhaften Rechnung (Mehrsteuer).

     

    Beachten Sie I Daneben besteht die Gefahr einer doppelten Vollverzinsung nach § 233a AO! Verzinst werden in diesem Fall sowohl die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als auch die daraus ebenfalls zu Unrecht in Anspruch genommene Vorsteuererstattung. Die Gefahr einer doppelten Verzinsung besteht also immer dann, wenn der Empfänger der fehlerhaften Rechnung diese zum Vorsteuerabzug verwandt hat - also in den Beispielen 3 und 4, denn die falschen Rechnungen wurden ja gerade ausgestellt, um einen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorsteuerabzug zu erreichen.

     

    MERKE | Auf den guten Glauben des Rechnungsausstellers kommt es nicht an (A 14c.2 Abs. 3 S. 4 UStAE). Die doppelte Umsatzsteuerschuld entsteht also unabhängig davon, ob der Unternehmer in gutem Glauben (Beispiele 1 und 2) oder vorsätzlich / fahrlässig (Beispiele 3 und 4) gehandelt hat. Denn die Regelungen des Umsatzsteuerrechts sollen nicht dazu dienen, Strafen für Steuerpflichtige festzulegen. Es bleibt den Mitgliedstaaten aber unbenommen, Maßnahmen nach den einschlägigen Steuerstrafvorschriften zu ergreifen (EuGH 19.9.00, C-454/98, Schmeink & Cofreth / Manfred Strobel; Folgeentscheidung des BFH 22.2.01, V R 5/99, BStBl II 04, 143).

     

     

    PRAXISHINWEIS |  

    (1) In den Beispielen 3 und 4 drohen dem Unternehmer also zusätzlich zur Steuerschuld und zur Zinsschuld auch strafrechtliche Konsequenzen!

     

    (2) Gerade bei Werkstattleistungen fallen derartige Abrechnungsfehler bei einem Abgleich des Betriebsprüfers dadurch auf, dass die meisten Ersatzteile ja typbezogen abgerechnet werden.

     

    4. Die Fehlerbeseitigung erfordert ein Kundenanschreiben

    Zunächst muss der Unternehmer die fehlerhafte Rechnung für ungültig erklären (Abschn. 14c.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE).

     

    MUSTERSCHREIBEN / Stornorechnung

    ... des Rechnungsausstellers an den Rechnungsempfänger

     

    Unsere Rechnung [Rechnungsnummer] vom … [Rechnungsdatum] 

    hier: Storno

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    mit Rechnung ….. [Nummer] vom ….. [Datum] haben wir Ihnen gegenüber … [etwa: die Lieferung eines Neufahrzeugs/die Wartung Ihres Notebooks] abgerechnet (§ 14 Abs. 1 UStG).

     

    Hiermit zeigen wir Ihnen an, dass die Rechnung von uns irrtümlich erstellt wurde und damit ungültig ist, da die Ihnen gegenüber abgerechnete Leistung nicht erbracht wurde. Es ist nicht erforderlich, dass Sie uns das Original der Bezugsrechnung wieder zurückschicken, zumal diese durch dieses Schreiben ihre Wirkung verliert (BFH 19.9.96, V R 41/94, BStBl II 99, 249).

     

    Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie aus dem Vorgang daher keine Vorsteuern abziehen durften bzw. dürfen (§ 15 UStG). Selbstverständlich erstatten wir Ihnen alle Zahlungen auf diese Rechnung, sobald Sie Ihrerseits aufgrund der Rechnung evtl. in Anspruch genommene Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückgezahlt haben.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Beachten Sie | Für dieses Musterschreiben ist ohne Bedeutung, ob der Kunde bei Ihnen als Unternehmenskunde geführt wird oder nicht! Denn letztlich können Sie ja nicht wissen, was Ihr Kunde so alles „treibt“!

    5. Das weitere Vorgehen ist streng formell geregelt!

    Um den Abrechnungsfehler weitgehend unbeschadet zu korrigieren, müssen Sie wie folgt vorgehen:

     

    Checkliste / 

    • Zunächst muss der Rechnungsaussteller den unberechtigten Steuerausweis gegenüber dem Kunden/dem Rechnungsempfänger für ungültig erklären (A 14c.2 Abs. 3 S. 1 UStAE, siehe Musterschreiben).

     

    • Dann muss der Rechnungsaussteller die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages bei seinem eigenen Finanzamt schriftlich beantragen. Dem Antrag sind ausreichende Angaben über die Identität des Rechnungsempfängers beizufügen (§ 14c Abs. 2 S. 5 UStG, A 14c.2 Abs. 5 S. 1 u. 2 UStAE).

     

    • Die Gefährdung des Steueraufkommens muss beseitigt sein; das ist der Fall, wenn der Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an das Finanzamt zurückgezahlt worden ist (§ 14a Abs. 2 S. 3 und 4 UStG). Die hierzu erforderliche Auskunft hat das ­Finanzamt des Unternehmers vom Finanzamt des Rechnungsempfängers einzuholen und zu ermitteln, in welcher Höhe und wann unberechtigt abgezogene Vorsteuer durch den Rechnungsempfänger zurückgezahlt wurde (A 14c.2 Abs. 5 S. 3 UStAE).

     

    • Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist.

     

    • Wurde beim Empfänger der Rechnung kein Vorsteuerabzug vorgenommen, ist der wegen unberechtigten Steuerausweises geschuldete Betrag beim Aussteller der Rechnung für den Zeitraum zu berichtigen, in dem die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG entstanden ist (§ 14c Abs. 2 S. 5 UStG, A 14c.2 Abs. 5 S. 4 ff. UStAE).
     

    Wichtig I Hat der Kunde keinen Vorsteuerabzug aus der fehlerhaften Rechnung vorgenommen (wahrscheinlich Beispiele 1 und 2), entsteht keine Zinslast!

    6. Abschließende Hinweise

    Die vorstehenden strengen Anforderungen an die Rechnungsberichtigung gelten nur für den unberechtigten Steuerausweis; der „normale“ unrichtige Steuerausweis folgt den weitaus weniger strengen Anforderungen des A 14.11 UStAE (vgl. insoweit A 14c.1 Abs. 5 UStAE).

     

    Bei unberechtigtem Steuerausweis schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Steuer bis zur Korrektur nach § 14c Abs. 2 UStG. Nach der Korrektur wird das Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer erstatten - allerdings ohne nach § 233a AO Guthabenzinsen festzusetzen, da der Rückzahlungsanspruch ja erst mit Vornahme der Korrekturhandlungen entsteht. Auf Seiten des Rechnungsempfängers ist der Vorsteuerabzug rückgängig zu machen - allerdings verzinst nach § 233a AO!

     

    Die zur Rechnungsberichtigung unabdingbare Auskunft hat das Finanzamt des Rechnungsausstellers nach dessen Antrag einzuholen. Bis zu einer positiven Auskunft sollten Zahlungen an den Rechnungsempfänger „eingefroren“ werden.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 33 | ID 42225623