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  • · Fachbeitrag · Verpächterwahlrecht

    Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven durch Betriebsverpachtung im Ganzen

    von Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Die Beendigung einer betrieblichen Tätigkeit führt regelmäßig zur Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Allerdings bedarf es zur Betriebsaufgabe einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung des Steuerpflichtigen. Macht er dagegen durch Verpachtung des ganzen Betriebs von seinem Verpächterwahlrecht Gebrauch, kann hierdurch die Aufgabe des Betriebs wenn nicht verhindert, so doch zumindest zeitlich verschoben werden. Eine Aufdeckung der stillen Reserven wird so zunächst aufgeschoben und erfolgt erst mit Beendigung der Verpachtung. |

    1. Verpächterwahlrecht

    Entscheidet sich der Inhaber eines Gewerbebetriebs, seine werbende Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb in der Folge zu verpachten, spricht ihm die Rechtsprechung das sogenannte Verpächterwahlrecht zu. Er kann dann mit Beginn der Verpachtung entweder die Betriebsaufgabe erklären oder die Verpachtung lediglich als Betriebsunterbrechung behandeln. Verpächter kann dabei sowohl eine natürliche (unbeschränkt einkommensteuerpflichtige) Person als auch eine Personengesellschaft sein. Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, gilt der Gewerbebetrieb einkommensteuerrechtlich als fortbestehend. Dies hat die Anwendung der Grundsätze über die Betriebsverpachtung im Ganzen zur Folge.

     

    1.1 Gesamtrechtsnachfolge und unentgeltliche Einzelrechtsnachfolge

    Auch der Gesamtrechtsnachfolger (BFH 28.11.91, IV R 58/91, BStBl II 92, 521) sowie der unentgeltliche Einzelrechtsnachfolger (BFH 19.8.98, X R 176/95, BFH/ NV 99, 454) treten in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers mit der Konsequenz ein, das Verpächterwahlrecht gleichermaßen ausüben zu können. Sie haben die Möglichkeit, die Betriebsverpachtung erstmalig zu erklären, nachdem der Betrieb bis zum Tod durch den Rechtsvorgänger geführt wurde, eine bereits bestehende Betriebsverpachtung fortzusetzen oder ‒ in beiden Fällen ‒ die Betriebsaufgabe zu erklären (BFH 17.10.91, IV R 97/89, BStBl II 92, 392).

     

    MERKE | Ein Erbe muss den Betrieb niemals selbst geführt oder bewirtschaftet haben, um ein bereits durch den Rechtsvorgänger ausgeübtes Verpächterwahlrecht fortsetzen zu können.

     

    1.2 Teilentgeltlicher Erwerb eines im Ganzen verpachteten Betriebs

    Da es zur Übertragung und damit Nichtaufdeckung von stillen Reserven kommt, soweit der Veräußerungspreis hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, ist die teilentgeltliche Übertragung eines Betriebs (z. B. durch Zahlung eines Ausgleich an den oder die Miterben) in Ansehung des Verpächterwahlrechts der unentgeltlichen Übertragung gleichzustellen (BFH 6.4.16, X R 52/13, BStBl II 16, 710).

     

    1.3 Überlagerung von Betriebsaufspaltung und -verpachtung im Ganzen

    Die Betriebsaufspaltung und die -verpachtung im Ganzen können sich überlagern, soweit die Voraussetzungen beider Rechtsinstitute erfüllt sind. Entscheidend sind dabei die Gegebenheiten der sachlichen Verflechtung. Während die Betriebsverpachtung die Überlassung sämtlicher wesentlichen Betriebsgrundlagen voraussetzt, genügt für das Vorliegen einer sachlichen Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung die Überlassung von einer wesentlichen Betriebsgrundlage. Sind die Voraussetzungen beider Rechtsinstitute erfüllt, hat die Betriebsaufspaltung Vorrang (BFH 15.3.05, X R 2/02, BFH/NV 05, 1292).

     

    Sind die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderlichen Voraussetzungen (in Form der sachlichen und personellen Verflechtung) nicht mehr gegeben, besteht gleichwohl die Möglichkeit, die erforderliche Aufdeckung der stillen Reserven durch eine Betriebsverpachtung im Ganzen zu verhindern (BFH 29.11.17, X R 34/15, BFH/NV 18, 623). Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Besitzunternehmer im Zeitpunkt der Begründung der Betriebsaufspaltung zur Buchwertfortführung gezwungen und die Ausübung des Verpächterwahlrechts insoweit ausgeschlossen ist. Die Anwendung der Grundsätze zur Betriebsverpachtung sowie das daraus folgende Recht, den Betrieb ungeachtet der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit fortzuführen und es nur bei ausdrücklicher Erklärung zu einer Betriebsaufgabe kommen zu lassen, gilt für die echte wie für die unechte Betriebsaufspaltung gleichermaßen (BFH 17.4.19, IV R 12/16, BStBl II 19, 745).

    2. Verpachtung mit allen wesentlichen Betriebsgrundlagen

    Eine Betriebsverpachtung im Ganzen liegt nur vor, wenn der Steuerpflichtige einen lebenden Betrieb insgesamt verpachtet, sodass die Verpachtung lediglich eine Fortführung des Betriebs in anderer Form darstellt (BFH 17.9.97, IV R 97/96, BFH/NV 98, 311). Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass der Verpächter alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seines bisherigen Unternehmens mitverpachtet.

     

    Die Wesentlichkeit der Betriebsgrundlagen bestimmt sich dabei ausschließlich anhand der funktionalen Betrachtungsweise aus Sicht des eingestellten Betriebs. Demnach sind jene Wirtschaftsgüter als wesentlich zu erachten, die dem bisherigen Unternehmen qualitativ sein Gepräge gegeben haben (BFH 6.11.08, IV R 51/07, BStBl II 09, 303). Ob und inwieweit die verpachteten Wirtschaftsgüter für den Betrieb des Pächters als wesentlich zu erachten sind, ist für die Beurteilung hingegen ohne Bedeutung.

     

    MERKE | Im Unterschied zur Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) bzw. -aufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) bleiben solche Wirtschaftsgüter, die lediglich aufgrund der Höhe ihrer stillen Reserven für den Betrieb von Bedeutung sind (sog. quantitative Betrachtungsweise), für die Beurteilung der genannten Voraussetzungen außer Betracht. Dementsprechend ist auch die Veräußerung oder Entnahme unwesentlicher Wirtschaftsgüter vor oder während der Verpachtung unschädlich. Werden unwesentliche Wirtschaftsgüter jedoch mitverpachtet, bleibt auch insoweit die Eigenschaft als (gewillkürtes) Betriebsvermögen bestehen.

     

    Inwieweit ein Wirtschaftsgut funktional wesentlich für den Betrieb ist, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Bei Produktionsbetrieben gehört neben dem Betriebsgrundstück auch der Maschinenpark zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn sein Vorhandensein für die Erreichung des Betriebszwecks unerlässlich ist und das Unternehmen ansonsten nicht betrieben werden kann (BFH 17.4.97, VIII R 2/95, BStBl II 98, 388). Das Verpächterwahlrecht ist demnach ausgeschlossen, soweit infolge einer Veräußerung oder Verschrottung der gesamte Maschinenpark nicht mehr zur Verfügung steht (BFH 13.9.94, X B 157/94, BFH/NV 95, 358).

     

    Die bloße Überlassung eines Betriebsgrundstücks reicht für die Annahme einer Betriebsverpachtung im Ganzen nur aus, soweit es sich um die einzige wesentliche Betriebsgrundlage handelt (BFH 21.5.92, X R 77-78/90, BFH/NV 92, 659). So hängen z. B. Umsatz und Gewinn bei dem Betrieb eines Einzelhandels mit Uhren, Gold- und Silberwaren sowie bei dem aus einer Bäckerei, Konditorei, Café-Restaurant und Hotel bestehenden Betrieb entscheidend von der Lage, dem hierdurch bestimmten Kundenkreis sowie dem Zustand der Betriebsgebäude ab (BFH 6.11.08, IV R 51/07, BStBl II 09, 303; 20.2.08, X R 13/05, BFH/NV 08, 1306‒1309). Entsprechendes gilt für das Grundstück eines Getränkehandels (BFH 7.11.13, X R 21/11, BFH/NV 14, 676).

     

    Sofern andere Wirtschaftsgüter ebenfalls zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind, stellt die Rechtsprechung maßgeblich darauf ab, ob diese kurzfristig wiederbeschaffbar sind.

     

    • Beispiele

    Inventar und Warenbestand gehören grundsätzlich nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Auch die gewerblich genutzten Räume einer Gaststätte bilden regelmäßig den alleinigen wesentlichen Betriebsgegenstand, sodass eine Veräußerung der Gaststätteneinrichtung für die Gewährung des Verpächterwahlrechts unschädlich ist (BFH 28.8.03, IV R 20/02, BStBl II 04, 10). Bei einem Autohaus bilden das speziell für dessen Betrieb hergerichtete Betriebsgrundstück samt Gebäuden und Aufbauten sowie die fest mit dem Grund und Boden verbundenen Betriebsvorrichtungen im Regelfall die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen. Dagegen gehören die beweglichen Anlagegüter ‒ insbesondere Werkzeuge und Geräte ‒ auch dann nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn diese im Hinblick auf die Größe des Autohauses ein nicht unbeträchtliches Ausmaß annehmen (BFH 11.10.07, X R 39/04, BStBl II 08, 220). Bei einem Einzel- oder Großhandelsunternehmen steht ein Wettbewerbsverbot einer Betriebsverpachtung im Ganzen nicht unbedingt entgegen, da eine identitätswahrende Fortführung nicht zwingend die Wiedereröffnung des Einzel- bzw. Großhandelsbetriebs mit dem gleichen Sortiment erfordert (BFH 7.11.13, X R21/11, BFH/NV 14, 676).

     

    3. Wiederaufnahmemöglichkeit des Verpächters

    Die Notwendigkeit, den betrieblichen Organismus im Ganzen durch Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen zu erhalten, hat den Hintergrund, dass eine identitätswahrende Wiederaufnahme des „vorübergehend“ verpachteten Betriebs durch den Verpächter oder seinen Rechtsnachfolger objektiv möglich sein muss. Auf eine erkennbare Wiederaufnahmeabsicht des Verpächters oder seines Rechtsnachfolgers kommt es dagegen nicht an. Vielmehr ist von einer Wiederaufnahmeabsicht auszugehen, solange die Fortsetzung des Betriebs objektiv möglich ist und der Aufgabewille nicht durch eine entsprechende Erklärung zum Ausdruck gebracht wird (BFH 8.2.07, IV R 65/01, BStBl II 09, 699). Insbesondere muss weder feststehen, ob der Inhaber des Betriebs nach Ablauf der Pachtzeit wirtschaftlich in der Lage sein wird, die veräußerten Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens wiederzubeschaffen (BFH 20.2.08, X R 13/05, BFH/NV 08, 1306‒1309), noch werden zeitliche Grenzen hinsichtlich der Verpachtungsdauer gesetzt (BFH 19.3.09, IV R 45/06, BStBl II 09, 902). Für die Annahme einer Wiederaufnahmemöglichkeit reicht auch die mögliche Fortführung des Betriebs durch einen Rechtsnachfolger aus. 


     

    Die Wiederaufnahmemöglichkeit des Verpächters wird auch nicht durch eine branchenfremde Verpachtung des Betriebs bzw. der wesentlichen Betriebsgrundlagen berührt. Denn entscheidend ist nicht, ob der Pächter den Betrieb tatsächlich fortführt, sondern ob der Verpächter den Betrieb nach der Beendigung der Verpachtung ohne wesentliche Änderungen fortführen kann (BFH 28.8.03, IV R 20/02, BStBl II 04, 10).

    4. Verpächter- und Pächterverhalten

    Werden die verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen ‒ vor oder während der Verpachtung ‒ durch den Pächter oder Verpächter so erheblich umgestaltet, dass eine Nutzung in der ursprünglichen Form nicht mehr möglich und die Identität des (vorübergehend) eingestellten Betriebs somit nicht mehr gewährleistet ist, kann objektiv nicht mehr von der Möglichkeit einer identitätswahrenden Fortführung des Betriebs durch den Verpächter ausgegangen werden. Werden die Räumlichkeiten eines Einzelhandelsgeschäfts unter Veräußerung des verbliebenen Warenbestands und Verschrottung der Einrichtungsgegenstände in einen Imbissbetrieb umgebaut, sodass eine Wiederaufnahme des ursprünglichen Betriebs nur durch wesentliche Änderungen möglich wäre, hat dies die Zwangsbetriebsaufgabe zur Folge (BFH 2.2.90, III R 173/86, BStBl II 90, 497).

     

    PRAXISTIPP | Aufgrund der erheblichen Steuerfolgen sollten maßgebliche Umgestaltungen sowohl durch den Verpächter als auch durch den Pächter wohldurchdacht sein. Wer eine Zwangsaufgabe vermeiden will, muss daher darauf achten, dass eine Wiederaufnahme der ursprünglichen Tätigkeit ohne große vorherige Investitionen möglich bleibt.

     

    Für die Beurteilung, ob die durchgeführten Umgestaltungen zu einer wesentlichen Änderung führen, ist maßgeblich auf den Zustand abzustellen, in dem sich der Betrieb bei Einstellung der letzten werbenden Tätigkeit befunden hat (BFH 8.2.07, IV R 65/01, BStBl II 09, 699). Werden z. B. Stallgebäude für den Betrieb einer Schreinerei umgebaut und vermietet, führt diese Umgestaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen nicht zu einer Betriebsaufgabe, wenn die Viehhaltung mit der Verpachtung aufgegeben wurde (BFH 20.1.05, IV R 35/03, BFH/NV 05, 1046). Auch ist die Erweiterung des Verpachtungsbetriebs durch den Verpächter ‒ beispielsweise durch Hinzuerwerb weiterer Betriebsgrundstücke ‒ unschädlich (BFH 24.9.98, IV R 1/98, BStBl II 99, 55).

     

    Beachten Sie | Sofern die Umgestaltung vor oder zu Beginn der Verpachtung stattfindet, hindert sie von vornherein die Anwendung der Grundsätze über die Betriebsverpachtung im Ganzen. Auf die kurzfristige Wiederbeschaffbarkeit veräußerter Wirtschaftsgüter kommt es dabei grundsätzlich nicht an (BFH 17.4.97, VIII R 2/95, BStBl II 98, 388).

    5. Rechtsfolgen

    Sind die Voraussetzungen der Betriebsverpachtung im Ganzen erfüllt, steht dem Steuerpflichtigen das Wahlrecht zu, dennoch die Betriebsaufgabe ab Beginn der Verpachtung zu erklären. In diesem Fall sind die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens unter Aufdeckung der stillen Reserven in das Privatvermögen zu überführen. Der Aufgabegewinn unterliegt dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (soweit die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind) sowie der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG. Nachfolgend erzielt der Steuerpflichtige aus der Verpachtung lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG).

     

    Unterbleibt eine ausdrückliche Aufgabeerklärung des Steuerpflichtigen, ist der Betrieb grundsätzlich als fortbestehend zu behandeln. Das hat zur Folge, dass aus der Verpachtung weiterhin gewerbliche Einkünfte erzielt werden und die Realisierung der stillen Reserven aufgeschoben wird. Der Steuerpflichtige hat dann die Möglichkeit, die Betriebsaufgabe jederzeit während der Verpachtung zu erklären. Hierdurch werden verschiedene Möglichkeiten steuergünstiger Gestaltungen eröffnet. So kann er die Betriebsaufgabeerklärung in einem Veranlagungszeitraum abgeben, in dem die Steuerlast mangels anderer Einkünfte möglichst niedrig ist oder er die persönlichen Voraussetzungen nach den §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 3 EStG erfüllt.

     

    Trotz Erzielung von gewerblichen Einkünften i. S. v. § 15 EStG ist die Verpachtung nicht als werbende Tätigkeit zu qualifizieren, sodass die Gewerbesteuerpflicht mit Beginn der Verpachtung entfällt. Gleichermaßen kommt dem Steuerpflichtigen die Steuerermäßigung nach § 35 EStG nicht mehr zugute. Sonder- und Ansparabschreibungen bzw. Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG können wegen des Fehlens einer werbenden Tätigkeit ebenfalls nicht mehr vorgenommen werden (BFH 19.11.07, VIII B 70/07, BFH/NV 08, 380).

    6. Fortführungsfiktion

    Rechtsstreitigkeiten ergeben sich insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige nach Jahren den Betrieb veräußert und gegenüber der Finanzverwaltung erklärt, es habe bereits vor etlichen Jahren einschneidende Veränderungen in der Betriebsstruktur durch Veräußerungen des Verpächters oder Umgestaltungen des Pächters gegeben, die seinerzeit zu einer (vom FA nicht erkannten) Betriebsaufgabe in rechtsverjährter Zeit geführt hätten. Das Problem liegt dabei sicherlich zumindest z. T. auch auf der Ebene der Finanzverwaltung, die es oftmals unterlassen hat, nach Ausübung des Verpächterwahlrechts auch in den Folgejahren zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine (weitere) Betriebsverpachtung im Ganzen weiterhin vorgelegen haben. Im Jahr 2011 hat der Gesetzgeber daher in § 16 EStG mit Abs. 3b eine Regelung getroffen, wonach in den Fällen der Betriebsunterbrechung und der Betriebsverpachtung im Ganzen ein Gewerbebetrieb sowie ein Anteil i. S. d. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 EStG nicht als aufgegeben gilt, bis

    • der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 1 EStG ausdrücklich gegenüber dem FA erklärt oder
    • dem FA Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsaufgabe erfüllt sind.

     

    6.1 Form und Inhalt der Aufgabeerklärung

    Die Betriebsaufgabeerklärung i. S. d. § 16 Abs. 3b S. 1 Nr. 1 EStG kann formlos erfolgen. Aus Beweisgründen sollte sie jedoch schriftlich und unter Angabe eines Aufgabedatums erfolgen. Bei Mitunternehmerschaften muss sie einvernehmlich von allen Mitunternehmern abgegeben werden. Da die Betriebsaufgabe „erklärt“ werden muss, liegt keine solche vor, wenn der Steuerpflichtige die Einkünfte aus dem verpachteten Betrieb lediglich als Vermietungseinkünfte in seiner Steuererklärung aufführt.

     

    6.2 Betriebsaufgabeerklärung durch Betriebsinhaber

    Bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Betriebsunterbrechung/-verpachtung im Ganzen muss der Steuerpflichtige dies gegenüber dem FA erklären. Ansonsten gilt der Betrieb so lange nicht als aufgegeben, bis der Steuerpflichtige die Betriebsaufgabe erklärt oder dem zuständigen FA Tatsachen bekannt werden, dass zwischenzeitlich eine Betriebsaufgabe stattgefunden hat.

     

    Die Aufgabe wird rückwirkend für den vom Steuerpflichtigen gewählten Zeitpunkt anerkannt, wenn die Aufgabeerklärung spätestens drei Monate nach diesem Zeitpunkt beim zuständigen FA abgegeben wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der vom Steuerpflichtigen gewählte Zeitpunkt in einem zurückliegenden Kalenderjahr liegt. Wird dieser Zeitrahmen nicht eingehalten, gilt der Betrieb erst in dem Zeitpunkt als aufgegeben, in dem die Aufgabeerklärung beim FA eingeht.

     

    MERKE | Eine rückwirkende Betriebsaufgabe setzt voraus, dass der Betrieb zu dem gewählten Zeitpunkt die aktive werbende Tätigkeit bereits beendet hat.

     

    6.3 Betriebsaufgabeerklärung durch Rechtsnachfolger

    Die Betriebsaufgabeerklärung ist im Erbfall auch durch den/die Rechtsnachfolger rückwirkend für einen Zeitpunkt vor Eintritt des Erbfalls zulässig, frühestens jedoch mit der Einstellung der aktiven Tätigkeit durch den Erblasser. Bei mehreren Rechtsnachfolgern ist die Betriebsaufgabeerklärung einheitlich vorzunehmen. Der Aufgabegewinn ist dem Erblasser zuzurechnen, dem auch ‒ bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ‒ die Begünstigungen nach den §§ 16 Abs. 4, 34 EStG zustehen. Im Fall der vorweggenommenen Erbfolge ist eine Betriebsaufgabeerklärung durch den oder die Betriebsnachfolger frühestens für den Zeitpunkt des Übergangs des Betriebs auf den oder die Rechtsnachfolger möglich. Der Rechtsvorgänger kann die Betriebsaufgabe innerhalb des Dreimonatszeitraums nur bis zum Tag der Betriebsübergabe erklären.

     

    6.4 „Neue Tatsachen“ zur Betriebsaufgabe

    Die Betriebsfortführungsfiktion endet, sofern dem FA keine Betriebsaufgabeerklärung vorliegt, ihm aber Tatsachen bekannt werden, dass eine Betriebsaufgabe stattgefunden hat. Dies kann z. B. dadurch bewirkt werden, dass das FA von der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen erfährt, die einer Betriebsfortführung entgegensteht. Ist dies der Fall, geht die Finanzverwaltung bei der Aufdeckung der stillen Reserven nach den Regelungen des BMF-Schreibens vom 22.11.16 (IV C 6 - S 2242/12/10001, BStBl I 16, 1326) vor.

     

    Hat die Betriebsaufgabe beim Rechtsvorgänger des Steuerpflichtigen oder in einem Veranlagungszeitraum stattgefunden, für den bereits Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung eingetreten ist, ist der Aufgabegewinn in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem das FA Kenntnis von der Betriebsaufgabe erlangt hat. Allerdings ist hinsichtlich der einzelnen, zum Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter wie folgt zu differenzieren:

     

    • Die im Zeitpunkt der Kenntniserlangung des FA noch vorhandenen Wirtschaftsgüter sind zu diesem Zeitpunkt mit dem gemeinen Wert anzusetzen.
    • Die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter, die bereits in vorherigen Wirtschaftsjahren veräußert oder unentgeltlich übertragen wurden, sind im Jahr der Veräußerung oder der unentgeltlichen Übertragung zu erfassen, sofern dies nach den Änderungsnormen der AO noch möglich ist.

     

    Ob dem FA die für die Betriebsaufgabe maßgeblichen Daten bekannt werden, hängt entscheidend von dem Kenntnisstand der Personen ab, die den betreffenden Steuerfall innerhalb des FA bearbeiten. Maßgebend ist, ob der zuständige Veranlagungsbearbeiter aufgrund der seinen Arbeitsbereich betreffenden Informationen Kenntnis von der Betriebsaufgabe erlangt. Dagegen ist die Kenntnis anderer Arbeitsbereiche des FA (z. B. der Grundstücksstelle) für die Frage der Beendigung der Fortführungsfiktion unerheblich.

     

    MERKE | Wenn die Rede von „Bekanntwerden von Tatsachen“ ist, liegt es nahe, die Grundsätze anzuwenden, die für das nachträgliche Bekanntwerden von neuen Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gelten. Als bekannt gelten dort jedoch auch die Tatsachen, die dem FA zwar bisher nicht bekannt waren, die es jedoch bei gehöriger Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätte kennen müssen.

     

    6.5 Zeitlicher Anwendungsbereich

    Die gesetzliche Neuregelung ist nur auf Aufgaben i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 1 EStG nach dem 4.11.11 anzuwenden (§ 52 Abs. 34 S. 9 EStG a.F.). Gemeint ist dabei nicht der Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Betriebsaufgabe, sondern die Betriebsaufgabe an sich, die nach dem 4.11.11 stattgefunden haben muss. Für frühere Betriebsaufgaben gelten R 16 Abs. 5 EStR 2008 und H 16 (5) EStH 2011 unverändert fort (BMF 22.11.16, IV C 6 - S 2242/12/10001, BStBl I 16, 1326).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 132 | ID 47930980