· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Vertrauensschutz in Bauträgerfällen: Vorerst keine rückwirkende Anwendung von § 27 Abs. 19 UStG!
von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund und Dipl.-Betriebswirt Lars Fuisting, Düsseldorf
| Unternehmer, die Bauleistungen an Bauträger erbracht haben, dürfen vorerst nicht nach § 27 Abs. 19 UStG rückwirkend zur Zahlung der auf ihre Leistungen angefallenen Umsatzsteuer herangezogen werden. Diese steuerzahlerfreundliche Entscheidung des Finanzgerichts lässt betroffene Unternehmer zunächst einmal aufatmen ( FG Berlin-Brandenburg 3.6.15, 5 V 5026/15 ). |
1. Der Beschlussfall
Antragsteller A hatte im Jahr 2009 Bauleistungen an diverse Bauträger ausgeführt. Diese Leistungen hatte A entsprechend den damaligen Vorgaben in den Umsatzsteuer-Richtlinien nicht der Umsatzsteuer unterworfen. A ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Steuerschuld auf die Bauträger als Leistungsempfänger übergegangen ist.
Nachdem der BFH im August 2013 entschieden hatte, dass der für die Umkehr der Steuerschuld maßgebliche § 13b Abs. 2 S. 2 UStG entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auf Bauträger regelmäßig nicht anzuwenden ist, und die Bauträger hierauf die von ihnen gezahlte Umsatzsteuer zurückgefordert hatten, setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer gegenüber A fest (vgl. BFH 22.8.13, V R 37/10). Das Finanzamt stützt sich dabei auf die vom Gesetzgeber im Juli 2014 - in Reaktion auf die BFH-Entscheidung - neu geschaffene Regelung des § 27 Abs. 19 S. 2 UStG, welche den Vertrauensschutz für die hier in Rede stehenden Fälle rückwirkend ausschließt.
2. Die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg
Das FG Berlin-Brandenburg hat erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der neu geschaffenen Regelung in § 27 Abs. 19 S. 2 UStG. Denn nach § 176 Abs. 2 AO greift bei der Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen ein Vertrauensschutz, wenn ein oberster Gerichtshof des Bundes entscheidet, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nicht mit dem geltenden Recht in Einklang steht (der BFH hatte die Anwendungsvorschrift A 182a UStR in wesentlichen Punkten ausdrücklich verworfen).
Der Ausschluss des Vertrauensschutzes verstoße möglicherweise gegen das im Grundgesetz verankerte Verbot der Rückwirkung von Gesetzen. Der Gesetzgeber habe mit § 27 Abs. 19 UStG in die im Zeitpunkt seiner Verkündung bereits entstandene Steuerschuld für 2009 nachträglich eingegriffen, sodass eine unzulässige sog. echte Rückwirkung jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheine.
Dem Antragsteller drohe auch ein erheblicher Vermögensschaden, da er die Steuer seinem Vertragspartner wegen der zivilrechtlichen Verjährung regelmäßig nicht mehr nachträglich in Rechnung stellen könne.
3. Ein Fall aus der eigenen Beratung
Unsere Mandanten haben in etwa folgenden Sachverhalt verwirklicht:
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Zwei natürliche Personen (A und B) sind in mehreren Bereichen der Bauplanung und Bauausführung tätig und haben einen Unternehmensverbund gegründet. A und B sind an allen Gesellschaften pari (50 % / 50 %) beteiligt.
Gesellschaft 1 (G1) erbrachte Bauleistungen an Bauträgergesellschaft 2 (G2). Letztere versteuerte diese über § 13b UStG und forderte nach dem BFH-Urteil die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück. Das Finanzamt lehnte die Auszahlung ab, da es den Erstattungsanspruch von G2 im Hinblick auf § 27 Abs. 19 UStG mit der Steuernachzahlung von G 1 verrechnen wollte. Wesentliches Argument hierfür war die „Verbundenheit der Unternehmen“ - wohl aufgrund der Gesellschafteridentität. |
4. Die richtige Argumentation gegenüber dem Finanzamt
Dem Finanzamt ist Folgendes entgegenzuhalten:
- § 27 Abs. 19 UStG begegnet den bereits unter Punkt 2 angeführten Bedenken. Hier sollte man sich also auf den in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des FG Berlin-Brandenburg berufen. Denn sollte hier ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorliegen und kann die Steuer demnach nicht mehr von G 1 nachgefordert werden, scheidet konsequenterweise auch eine Verrechnung aus.
- Die vom Finanzamt angenommene „Verbundenheit der Unternehmen“ ist irrelevant. G1 und G2 sind getrennt voneinander zu beurteilen und insbesondere nicht organschaftlich miteinander verbunden.
- G2 darf daher die Rückerstattung der USt verlangen, ohne dass dies originäre Auswirkungen auf G1 hätte.
- Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass im Beschlussfall die Umsatzsteuer auf Grund Verjährung nicht mehr an den Bauträger hätte nachberechnet werden können. Damit ist offen, wie das Gericht entschieden hätte, wenn eine Nachberechnung noch möglich gewesen wäre.
PRAXISHINWEIS | Eine endgültige Klärung der Frage ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Derzeit ist ein solches allerdings noch nicht anhängig. |
Zu den Autoren | Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann ist Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen in Dortmund und Dipl.-Betriebswirt Lars Fuisting ist Steuerberater und Geschäftsführer der Fachwerk Steuerberatungsgesellschaft mbH in Düsseldorf.