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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Rechtliche und steuerliche Fallstricke bei der Kapitalerhöhung einer GmbH

    von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach

    | Soll eine angeschlagene GmbH saniert oder bei einer gesunden GmbH die Kapitalbasis gestärkt werden, wird häufig über eine Kapitalerhöhung nachgedacht. Was sich einfach anhört, ist in der Praxis ein äußerst komplexer Vorgang. Soll das Bezugsrecht der Gesellschafter ausgeschlossen werden? Wie kann man sich vor der missbräuchlichen Aufnahme naher Verwandter schützen oder was ist steuerlich bei der Veräußerung von Bezugsrechten zu beachten? Diesen und vielen anderen Fragen geht dieser Beitrag auf den Grund. |

    1. Die formelle Seite der Kapitalerhöhung

    1.1 Kapitalerhöhungsbeschluss - Mehrheits- und Formerfordernisse

    Die Kapitalerhöhung bedarf eines notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses, der als Satzungsänderung - der Stammkapitalbetrag ist notwendiger Satzungsbestandteil gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG - einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen bedarf (§§ 55, 53 Abs. 2 S. 1 u. 2 GmbHG). Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist eine Ermessensentscheidung der Gesellschafter. Verpflichtungen der Gesellschafter zur Leistung begründet er nicht, sodass die Zustimmung aller Gesellschafter nicht erforderlich ist (Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 4).

     

    Beachten Sie | Der Kapitalerhöhungsbeschluss muss angeben, zu welchem Betrag die neuen Anteile erworben werden können. Die neuen Geschäftsanteile müssen auf EUR lauten und mit dem erhöhten Stammkapital übereinstimmen (§ 5 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 GmbHG).

     

    PRAXISHINWEIS | Von der Verpflichtung, die vereinbarte Einlage zu leisten, kann der (neue) Gesellschafter nicht entbunden werden. Eine Vereinbarung, wonach der Gesellschafter weniger als den Betrag seiner übernommenen Stammeinlage zu leisten hat, ist unwirksam (Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 55 Rn. 10). Eine solche Kapitalerhöhung darf das Registergericht nicht eintragen, sodass unter den genannten Umständen eine Kapitalerhöhung nicht zustande kommt. Denn das Registergericht hat zu prüfen, ob die Versicherung abgegeben ist, dass die Einlagen auf das neue Stammkapital nach § 7 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 GmbHG bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistung sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 57 Abs. 1 S. 1 GmbHG).

     

    1.2 Zulassung Dritter zur Kapitalerhöhung

    Wenn wir davon ausgehen, dass dem (Alt-)Gesellschafter ein Bezugsrecht auf die aus einer Kapitalerhöhung neu entstehenden Geschäftsanteile zusteht (vgl. BGH 18.4.02, II ZR 151/03, GmbHR 05, 925), so wird dadurch nicht verhindert, dass es ausgeschlossen werden kann, um andere Personen als neue Gesellschafter zuzulassen (§ 55 Abs. 2 S. 1 GmbHG).

     

    Der Beschluss über den Ausschluss und die Zulassung „anderer Personen“ kann - soweit die Zulässigkeit nicht bereits in der Satzung festgelegt ist - nur im Kapitalerhöhungsbeschluss und damit mit der dafür erforderlichen Mehrheit gefasst werden (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 55 Rn. 21). Die Folge des Ausschließungs- bzw. Einschränkungsbeschlusses ist, dass insoweit von vornherein kein Bezugsrecht der ausgeschlossenen Gesellschafter entsteht, was weitreichende steuerliche Auswirkungen hat (vgl. Punkt 2).

     

    MERKE | Der Ausschluss bzw. die Einschränkung des Bezugsrechts stellt einen gravierenden Einschnitt in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter dar. Ohne die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter ist der Ausschluss nur zulässig, wenn starke Interessen der Gesellschaft ein solches Vorgehen rechtfertigen.

     

    Folgende Gründe können für eine Übernahme der neuen Anteile durch Nichtgesellschafter sprechen:

     

    1.2.1 Sanierung der GmbH

    Der notwendige Kapitalbedarf einer angeschlagenen GmbH kann (mangels Sicherheitsleistung) nicht durch Aufnahme von Krediten gedeckt werden. Außerdem könnte die Gesellschaft hohe Zinslasten nicht tragen. Die Altgesellschafter sind nicht willens oder in der Lage, der Gesellschaft neues Kapital (auch in Form unverzinslicher Darlehen, z.B. bei einer 100 %igen Beteiligung) zu überlassen. In einer solchen Situation kann die Aufnahme neuer Gesellschafter, denen die neuen Anteile überlassen werden, angezeigt sein. Soweit nur einzelne Gesellschafter vom Bezugsrecht ausgeschlossen werden, liegt in der Billigung des Sanierungskonzepts die Zustimmung der ausgeschlossenen Gesellschafter (vgl. Scholz/Priester, GmbHG, § 55 Rn. 60).

     

    1.2.2 Überlassung lebenswichtiger Gegenstände

    Ein Dritter besitzt einen Gegenstand, der für die die GmbH lebenswichtig ist. Der Dritte ist zu einer Überlassung nur bereit, wenn er als Gesellschafter der GmbH beitreten kann. Eine Vermietung oder Verpachtung wird strikt abgelehnt. Ein solcher Gegenstand kann z.B. ein Patent sein.

     

    1.2.3 Stärkung des Eigenkapitals der Gesellschaft

    Aufnahme von Neugesellschaftern zur Stärkung der Eigenkapitalbasis kann ein Ausweg sein, wenn die Gesellschafter finanziell nicht in der Lage sind, die für eine Kapitalerhöhung notwendigen Eigenmittel aufzubringen. Dies ist oft bei stark expandierenden Unternehmen der Fall.

     

    1.2.4 Missbräuchliche Aufnahme naher Verwandter

    Die Kapitalerhöhung und Zulassung Dritter als Gesellschafter kann missbräuchlich dazu verwendet werden, die Stellung von Minderheitsgesellschaftern zu schwächen, wenn nahen Angehörigen das Bezugsrecht überlassen wird, z.B. wenn der Mehrheitsgesellschafter mit 78 % der Anteile beteiligt ist, während ein anderer Gesellschafter den Rest der Anteile hält.

     

    Hinweis | Gegen eine missbräuchliche Zulassung Dritter als neue Gesellschafter kann sich der benachteiligte Gesellschafter durch eine Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses zur Wehr setzen.

     

    1.3 Zulassungsbeschluss

    Ist im Kapitalerhöhungsbeschluss das Bezugsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen, muss in einem Zulassungsbeschluss in bestimmbarer Weise festgelegt werden, mit wem Übernahmeverträge für das erhöhte Stammkapital abgeschlossen werden sollen (Scholz/Priester, GmbH, § 55 Rn. 60). Für den Zulassungsbeschluss genügt, da keine Satzungsänderung, die einfache Mehrheit (Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 55 Rn. 27).

     

    1.4 Übernahme der neuen Geschäftsanteile

    Von der Kapitalerhöhung als solche zu trennen ist die Übernahme der neuen Geschäftsanteile, zu der die Gesellschafter aus gesellschaftsrechtlichen Gründen (Treuepflicht) nicht verpflichtet sind, sowie sie sich nicht untereinander durch einen Konsortialvertrag zur Übernahme verpflichtet haben.

     

    Übernehmer der Geschäftsanteile können neben den schon vorhandenen Gesellschaftern alle natürlichen und juristischen Personen sein, die als Gründer in Betracht kommen können (Zimmermann in Rowedder, GmbHG, § 55 Rn. 29). Die Übernahmeerklärung bedarf der notariellen Beglaubigung.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Annahme der Übernahmeerklärung wird die GmbH durch die Gesellschafter vertreten, die allerdings Vollmacht erteilen können. Ohne ausdrückliche Bevollmächtigung kann der Geschäftsführer insoweit nicht tätig werden; seine gesetzliche Vertretungsmacht reicht hierfür nicht aus (vgl. Bartl in Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb, GmbH-Recht, § 55 Rz. 12).

     

    Mit dem Übernahmevertrag wird der Übernehmer zur Leistung der Einlage verpflichtet. Hingegen soll die Gesellschaft nicht zur Anmeldung der Kapitalerhöhung verpflichtet sein (vgl. BGH 11.1.99, II ZR 170/98, GmbHR 99, 287; Lutter in Lutter/Hommelhoff, § 55 Rn. 39). Die Kapitalerhöhung wird mit Eintragung wirksam; mit deren Wirksamwerden entstehen die neuen Geschäftsanteile (Scholz/Priester, § 55 Rz. 97).

     

    1.5 Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der Zulassung Dritter

    Die Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Ausschluss des Bezugsrechts der Gesellschafter und der Zulassung Dritter zu. Liegt z.B. kein Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts vor, kann der betroffene Gesellschafter den Gesellschafterbeschluss, der nicht nichtig ist, anfechten. Hat der anfechtende Gesellschafter Erfolg, kann die Kapitalerhöhung zu den vorgesehenen Bedingungen nicht erfolgen.

    2. Steuerliche Folgen der Veräußerung von Bezugsrechten

    Die Veräußerung von Bezugsrechten kann unter einem doppelten Gesichtspunkt zu steuerlichen Auswirkungen führen:

     

    • Als Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 EStG (wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG). Genussrechte oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften stehen Anteilen gleich (§ 1 Abs. 1 S. 3 EStG),

     

    • als Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft i.S.d. § 20 Abs. 1 S. 1 EStG (GmbH-Anteile gehören dazu), wobei auch in diesem Falle den Anteilen Genussrechte, ähnlich Beteiligungen und Anwartschaften auf Beteiligungen, gleichstehen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG).

     

    Soweit die in § 20 Abs. 1, 2 und 3 EStG bezeichneten Einkünfte zu den Einkünften aus L+F, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören, sind sie nach § 20 Abs. 8 EStG diesen Einkünften zuzurechnen. Das bedeutet, dass sich nur die Zurechnung ändert, dass es sich aber im eigentlichen Sinne weiter um Kapitaleinkünfte handelt. Es ist z.B. weiterhin der Steuerabzug vorzunehmen (§ 43 Abs. 4 EStG).

     

    Bei der Frage nach dem Verhältnis von § 17 EStG zu § 20 EStG hilft die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG jedoch nicht weiter. In § 17 EStG werden zwar die Einkünfte zu solchen aus Gewerbebetrieb erklärt. Eine Zurechnung zu gewerblichen Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 8 EStG findet aber schon deshalb nicht statt, weil § 17 EStG kein Betriebsvermögen begründet. Die Anteile bleiben weiterhin Privatvermögen (vgl. Eilers/R. Schmidt in H/H/R, § 17 Anm. 35).

     

    Beachten Sie | M.E. ist vorrangig § 17 EStG als lex specialis anzuwenden, da nach der Systematik des EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb den Vorrang vor Einkünften aus Kapitalvermögen haben. Die wesentlichen Unterschiede,

     

    • Einbehaltung der Kapitalertragsteuer für Kapitaleinkünfte auch dann, wenn die Einnahmen in ein Betriebsvermögen fließen,
    • Beschränkung des Abzugs von Werbungskosten bei § 20 EStG; Gewinnermittlung bei § 17 EStG nach allgemeinen Grundsätzen,
    • Anschaffungskosten sind bei Veräußerung von Bezugsrechten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mit 0 EUR anzusetzen, bei § 17 EStG volle Berücksichtigung,

     

    geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.

     

    2.1 Bezugsrecht als Anwartschaft i.S.d. §§ 17, 20 EStG

    Bezugsrechte aus einer Kapitalerhöhung gelten sowohl bei § 17 EStG als auch bei § 20 EStG als Anwartschaften (vgl. BFH 19.4.05, VIII R 68/04, BStBl II 05, 1369). Das Bezugsrecht ist ein von der Substanz des alten Gesellschaftsanteils abgespaltenes Recht. Das gilt auch für den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG (vgl. Harenberg in H/H/R, § 20 Anm. 430).

     

    2.2 Veräußerung von Bezugsrechten

    Veräußerung bedeutet den entgeltlichen Übergang des Bezugsrechts auf einen anderen Rechtsträger. Eine Veräußerung (Verfügung über das Bezugsrecht) liegt nach Auffassung des BFH nicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung einer Gegenleistung mit dem neuen Gesellschafter vor, sondern auch dann, wenn das Bezugsrecht der Altgesellschafter im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen wird bzw. wenn sie über ihr Recht auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung zugunsten eines Dritten verzichten.

     

    MERKE | Eine Verfügung der Altgesellschafter liegt auch dann vor, wenn im Gesellschafterbeschluss bestimmt ist, dass das Bezugsrecht nicht in der Person des Altgesellschafters, sondern originär für die Neugesellschafter entstehen soll (BFH 19.4.05, VIII R 68/04, GmbHR 05, 1369; vgl. auch BFH 13.10.92, VIII R 3/89, BStBl II 93, 477). Denn im wirtschaftlichen Sinne verfüge der Gesellschafter über sein Bezugsrecht, wenn er es lediglich zugunsten Dritter gesellschaftsrechtlich nicht entstehen lässt (BFH 8.4.92, I R 128/88, GmbHR 92, 697).

     

    Was unter dem Nichtentstehen der Bezugsrechte auf Veranlassung der Gesellschafter zu verstehen ist, wird vom BFH nicht näher erläutert. Hat er für den Ausschluss der Bezugsrechte im Kapitalerhöhungsbeschluss gestimmt, hat er es zugelassen, dass (auch für ihn) Bezugsrechte nicht entstanden sind. Hat er dagegen gestimmt, wird man kaum davon ausgehen, dass er die Nichtentstehung zugelassen hat. Von Bedeutung kann sein Stimmverhalten allenfalls sein, wenn er für den Ausschluss des Bezugsrechts votiert hat. Aber gilt das auch dann, wenn der Ausschluss auch ohne seine Stimme zustande gekommen wäre? Es bleiben viele Fragen offen.

     

    2.3 Gewinn aus der Veräußerung von Bezugsrechten

    Gewinn aus der Veräußerung i.S.d. § 17 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 S. 1 EStG). Für § 20 EStG ist Gewinn (in Wirklichkeit eine Einnahmen-Überschussrechnung, vgl. Harenberg in H/H/R, § 20 Anm. 556; Jochum in K/S/M. § 20 Rn. F 3; allg. M.) der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten (§ 20 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 EStG).

     

    Der „Gewinnbegriffa“ stimmt in beiden Vorschriften überein (§ 20 EStG lehnt sich an § 17 EStG an, vgl. hierzu Jochum in K/S/M, § 20 Rn. F 6). Lediglich beim Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht kann es Unterschiede geben, da für § 20 der Zufluss (§ 11 EStG) maßgebend ist, für § 17 aber der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs. Unterschiede ergeben sich in der Bewertung der Anschaffungskosten. Während sich bei § 17 EStG die Anschaffungskosten des Bezugsrechts aus der Abspaltung vom Stammrecht ergeben, ist bei § 20 EStG der Wert des Bezugsrechts mit 0 EUR anzusetzen (§ 20 Abs. 4a S. 4 EStG).

     

    • Beispiel

    Gesellschafter A verkauft sein Bezugsrecht über 20.000 EUR für 10.000 EUR an N. Die Anschaffungskosten für das Bezugsrecht sollen 3.000 EUR betragen.

     

    Anteile nach § 17
    Anteile i.S.d. § 20

    Erlös aus Verkauf Bezugsrecht

    10.000

    10.000

    abzgl. AK Bezugsrecht

    3.000

    0

    Sonstige mit der Veräußerung zusammenhängende Aufwendungen

     

    1.000

     

    1.000

    Gewinn

    6.000

    9.000

     

     

    2.4 Verdeckte Zuwendung der Gesellschaft an die Gesellschafter als Entgelt für eine Veräußerung

    Die Rechtslage ist eindeutig, wenn der Gesellschafter vom bezugsberechtigten Dritten ein Entgelt erhält. Die Steuerpflicht tritt unter Ansatz der Gegenleistung ein. Erhält der Altgesellschafter zwar vom Dritten direkt keine Gegenleistung, kann eine solche aber dennoch bestehen, wenn der Dritte ein Aufgeld an die Gesellschaft leistet. Die Leistung eines Aufgeldes an die Gesellschaft bedeutet für die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter noch kein Entgelt (vgl. BFH 21.1.99, IV R 27/97, BStBl II 99, 638). Die Zahlung an die Gesellschaft wird erst dann zu einem Entgelt, wenn das Aufgeld in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung an die Altgesellschafter ausgeschüttet wird (BFH 13.10.92, VIII R 3/89, BStBl II 93, 477) oder in anderer Weise zufließt.

     

    PRAXISHINWEIS | Das Aufgeld ist in der Bilanz der GmbH in eine Rücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB) einzustellen und bietet damit die Möglichkeit der Ausschüttung an die Gesellschafter. Der BFH sieht in der Ausschüttung des Agios an die Altgesellschafter nur eine verdeckte Leistung i.S.v. § 42 S. 2 AO direkt an die Gesellschafter (BFH 13.10.92, VIII R 3/89).

     

    3. Sonderfall: Überlassung neuer Gesellschaftsanteile bei einer im Betriebsvermögen befindlichen Beteiligung an nahe Angehörige zum Nominalwert

    Die im Folgenden dargestellten Auswirkungen von Anteilen, die im Sonderbetriebsvermögen gehalten werden, gelten in gleicher Weise für die anderen Arten der Zurechnung der Anteile zu einem Betriebsvermögen.

     

    Der BFH hatte bereits in den 90er Jahren folgenden Leitsatz ausgestellt: „Ermöglicht bei einer Betriebsaufspaltung ein Gesellschafter des Besitzunternehmens es seinem Ehegatten, einen Teil der zu seinem Sonderbetriebsvermögen beim Besitzunternehmen gehörenden Anteile an der Betriebs-GmbH gegen Leistung einer Einlage zu übernehmen, die niedriger ist als der Wert der übernommenen Anteile, so liegt eine Entnahme in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der übernommenen Anteile und der geleisteten Einlage vor“ (BFH 16.4.91, VIII R 63/87, BStBl II 91, 832).

     

    3.1 Der Sachverhalt

    An der Besitzgesellschaft waren zwei Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Die Anteile an der Betriebsgesellschaft waren Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter. An der Betriebs-GmbH waren die Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt. Das Stammkapital der Betriebs-GmbH betrug 20.000 DM. Im Zuge einer Kapitalerhöhung wurde es auf 100.000 DM aufgestockt. Zum Bezug der neuen Anteile wurden die Ehefrauen der Gesellschafter für jeweils 10.000 DM zu einem Erwerbspreis von jeweils 10.000 DM zugelassen. An der Betriebs-GmbH waren nach der Kapitalerhöhung beteiligt: die beiden Altgesellschafter mit jeweils 40.000 DM und die beiden Ehefrauen mit jeweils 10.000 DM. Im Betriebsvermögen der Betriebs-GmbH waren stille Reserven von 1.272.200 DM enthalten.

     

    3.2 Die Entscheidung des BFH

    Entscheidend ist, dass die Ehefrauen mit ihrer Beteiligung auch die anteiligen stillen Reserven erworben haben. Da die Anteile der Ehefrauen nicht zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft gehörten, bedeutete das, dass die anteiligen stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ausgeschieden sind. Da dem Ausscheiden keine betriebliche Veranlassung zugrunde lag, handelt es sich um eine Entnahme (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die auf je 10.000 DM Anteile entfallenden stillen Reserven betrugen 127.220 DM, die die Gesellschafter der Besitzgesellschaft zu versteuern hatten.

     

    3.3 Kritik an der Entscheidung des BFH

    Entnahmen sind nicht betrieblich veranlasste Wertabgaben von Wirtschaftsgütern oder Nutzungsüberlassungen (vgl. Werndl in K/S/M, EStG, § 6 Rn. E 120). Stille Reserven stellen weder Wirtschaftsgüter dar, die entnommen werden könnten (es sei denn im Zusammenhang mit einem Wirtschaftsgut; ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor), noch sind sie Gegenstand einer Nutzungsentnahme. Daher ist die Entscheidung des BFH zumindest bedenklich. Es ist auch zu berücksichtigen, dass sich die stillen Reserven in den Anteilen der Ehegatten fortsetzen, sodass § 17 EStG anwendbar wird. Bei einer Veräußerung der Anteile würden die stillen Reserven erneut der Steuerpflicht unterliegen. Dasselbe würde eintreten, wenn § 17 nicht einschlägig wäre. Denn nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG sind auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 steuerpflichtig.

    4. Der Ausschluss einer Kapitalgesellschaft von der Kapitalerhöhung als verdeckte Gewinnausschüttung?

    Es stellt sich die Frage, ob in dem Ausschluss einer GmbH vom Bezugsrecht eine vGA an deren Gesellschafter zu sehen ist?

     

    • Beispiel

    Die A-GmbH ist zu 20 % an der B-GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter sind A und B mit jeweils 40 %. Das Stammkapital der B-GmbH wird durch Kapitalerhöhungsbeschluss von 100.000 EUR auf 200.000 EUR erhöht. In der Gesellschafterversammlung, in der die Kapitalerhöhung beschlossen wird, wird das anteilige Bezugsrecht der A-GmbH ausgeschlossen. Zur Kapitalerhöhung werden der Sohn des A und die Tochter des B mit jeweils einem Bezugsrecht über 10.000 EUR zugelassen. Die neuen Gesellschafter leisten jeweils den Nennbetrag in bar. In der B-GmbH sind stille Reserven von 100.000 EUR enthalten, sodass auf die Beteiligung der A-GmbH 20.000 EUR entfallen.

     

     

    Eine vGA ist eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht (Abschn. 36 Abs. 1 S. 1 KStR). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist auch dann gegeben, wenn die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zugunsten einer nahe stehenden Person erfolgt (Abschn. 36 Abs. 1 S. 3 KStR).

     

    4.1 Liegt eine Vermögensminderung vor?

    Eine Vermögensminderung setzt eine Verminderung des in der Steuerbilanz zu erfassenden Betriebsvermögens voraus, weil nur unter dieser Voraussetzung der Unterschied i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG berührt wird (BFH 15.12.04, a.a.O.). Daraus folgert der BFH, dass eine Vermögensminderung nicht vorliegen kann, wenn der zu beurteilende Vorgang sich nach den für die Kapitalgesellschaft geltenden Bilanzierungsgrundsätzen in der Steuerbilanz der Gesellschaft nicht auswirkt. Eine solche Vermögensminderung könnte eingetreten sein, wenn auf die Beteiligung der A-GmbH eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden müsste (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Das ist aber nicht der Fall. Der Nominalwert der Beteiligung wird durch den Ausschluss an der Kapitalerhöhung nicht berührt.

     

    MERKE | Die Verminderung der Beteiligungsquote werde, so der BFH (15.12.04, I R 6/04), dadurch ausgeglichen, dass sich die Beteiligung nunmehr auf ein entsprechend höheres Stammkapital der GmbH beziehe. Die Verringerung der Beteiligung der A-GmbH an den stillen Reserven der B-GmbH führe nicht zu einer Auswirkung in der Bilanz der A-GmbH, sodass auch eine Vermögensminderung nicht gegeben sei.

     

    4.2 Liegt eine verhinderte Vermögensmehrung vor?

    Dies würde voraussetzen, dass die GmbH unterlässt, einen sich nach § 4 Abs. 1 EStG auswirkenden Vermögensvorteil zu erlangen. Hier muss man m.E. unterscheiden:

     

    • 1. Das Bezugsrecht ist im Gesellschafterbeschluss über die Kapitalerhöhung nicht ausgeschlossen und
    • 2. das Bezugsrecht der A-GmbH ist ausgeschlossen.

     

    Zu 1.: Eine verhinderte Vermögensmehrung (und damit eine vGA) ist gegeben, wenn die A-GmbH ihre Bezugsrechte objektiv gesehen verwerten könnte. Maßgebend sind, wie der BFH (15.12.04, I R 6/04) betont, die Umstände des Einzelfalls. Entscheidende Gesichtspunkte können sein, ob das Bezugsrecht frei veräußerlich ist (bei einer GmbH i.d.R. nicht), welcher Wert dem Bezugsrecht von einem potenziellen Erwerber beigemessen wird und welche Bedeutung der Erwerber einem (möglichen) Anfechtungsrecht der ausgeschlossenen Gesellschafter (Kauf des Verzichts auf Anfechtung) zumisst. Gibt es keinen Erfolg versprechenden Weg zur Verwertung des Bezugsrechts und gibt es auch keine andere Möglichkeit zur Realisierung der mit der Beteiligung verbundenen stillen Reserven, so ist in der Unterlassung der Teilnahme an der Kapitalerhöhung keine vGA zu sehen.

     

    Zu 2.: Ist das Bezugsrecht im Kapitalerhöhungsbeschluss wirksam ausgeschlossen, so entsteht für die ausgeschlossenen Gesellschafter kein Bezugsrecht (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 21; vgl. auch BFH 15.12.04, I R 6/04). Diese gesellschaftsrechtliche Beurteilung hat Tatbestandswirkung auch für das Steuerrecht. Denn ein nicht entstandenes Bezugsrecht kann auch nicht auf einen anderen übertragen werden und aus der Nichtübertragung kann auch keine vGA hergeleitet werden.

    5. Unterschiedliche Regelung für einbringungsgeborene Anteile und sperrfristverhaftete Anteile

    Einbringungsgeborene Anteile liegen vor, wenn sie aus der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen unter Fortführung der bisherigen Buchwerte (oder einem Wert zwischen Buchwert und Teilwert) vor dem Inkrafttreten des SEStEG stammen. Die Regelung des § 21 UmwStG a.F., die die weitere Behandlung der Anteile regelt, gilt unbefristet fort. Bei einer Veräußerung gilt der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt, als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 EStG (§ 21 Abs. 1 UmwStG). § 17 ist nicht anwendbar.

     

    Sperrfristverhaftete Anteile sind Anteile, die der Steuerpflichtige bei einem Einbringungsvorgang (s.o.) nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 20 UmwStG aufgrund des SEStEG erworben hat (§ 21 UmwStG).

     

    Für die Veräußerung von Bezugsrechten steuerverhafteter Anteile gilt:

     

    5.1 Der Halter veräußert sein Bezugsrecht gegen Entgelt

    Ob ein Verzicht auf ein Bezugsrecht oder eine Veräußerung vorliegt, ist in erster Linie eine Frage der Formulierung, besonders dann, wenn der Verzicht zugunsten einer bestimmten Person (die das Entgelt leistet) erfolgt. In beiden Fällen liegt eine Veräußerung nach § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 6 Nr. 4 und 5, Abs. 2 S. 1 und 6 UmwStG vor (vgl. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 22 Rn. 212). Die Besteuerung des jeweiligen Einbringungsgewinns wird ausgelöst.

     

    5.2 Die Kapitalerhöhung erfolgt ohne Verlagerung der stillen Reserven

    Das ist der Fall, wenn das Aufgeld den anteiligen stillen Reserven entspricht. Steuerliche Auswirkungen ergeben sich nicht. Eine Mitverstrickung nach § 22 Abs. 7 UmwStG tritt für den Erwerber der neuen Anteile nicht ein.

     

    5.3 Die Kapitalerhöhung erfolgt ohne angemessenes Aufgeld - unentgeltlicher Verzicht auf Ausübung des Bezugsrechts

    Nach § 22 Abs. 7 UmwStG gelten bei Verlagerung von stillen Reserven im Wege einer Kapitalerhöhung auf andere Anteile diese als mitverstrickte Anteile i.S.d. § 22 Abs. 1 und 2 UmwStG. Auf den Willen der Beteiligten zur Verlagerung der stillen Reserven kommt es nicht an (vgl. FG München 30.9.97, 16 K 4574/96, EFG 1998, 461; Stangl, a.a.O., § 22 Rn. 212). Die Veräußerung dieser Anteile (Ersatzrealisation) löst einen Einbringungsgewinn aus, soweit diese als mitverstrickt gelten. Maßgebend ist die Sperrfrist für sperrfristverhaftete Anteile - durch die Mitverstrickung wird keine neue Sperrfrist ausgelöst (vgl. Stangl, a.a.O., § 22 Rn. 217). Der Einbringungsgewinn ist auf der Ebene des Einbringenden zu versteuern, ein Gesichtspunkt, der beim Aushandeln des Entgelts zu beachten ist (vgl. Stangl, a.a.O., § 22 Rn. 217).

     

    5.4 Die Altgesellschafter nehmen an der Kapitalerhöhung nicht teil

    Die bloße Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung (aus welchen Gründen auch immer) stellt mangels Entgelt keine Veräußerung dar.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 306 | ID 40199970