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  • · Betriebsvermögen

    Betriebsaufspaltung und Zuordnung von Anteilen zum Sonder-BV bei Bilanzierungskonkurrenzen

    Bild: patternforstock ‒ stock.adobe.com

    von StB Jan Böttcher, LL. M., Nürnberg

    | Der BFH hat in seinem Urteil vom 19.9.24 (IV R 5/20 ) wichtige Aussagen sowohl zur Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung als auch der Zuordnung von Geschäftsanteilen an einer GmbH zum Sonder-BV II eines Besitzpersonenunternehmens getroffen und damit endlich für mehr Rechtssicherheit gesorgt. |

    1. Sachverhalt

    A war ursprünglich alleiniger Kommanditist des Produktionsunternehmens W-GmbH & Co. KG (nachfolgend W-KG), in dessen Betriebsvermögen sich auch die Betriebsgrundstücke befanden. Im Jahr 1994 errichtete A gemeinsam mit seinen Kindern (B, C und D) die G-GmbH, jeder Gesellschafter war an dieser zu 25 % beteiligt. A trat der G-GmbH 50 % seiner Kommanditanteile an der W-KG ab, sodass A unmittelbar nur noch zu 50 % an der W-KG beteiligt war. Ebenfalls im Jahr 1994 errichtete A wiederum gemeinsam mit seinen Kindern (B, C und D) eine Immobilien-GbR (nachfolgend I-GbR). A war an der GbR zu 62,5 %, die Kinder zu je 12,5 % beteiligt, Gesellschafterbeschlüsse wurden mit der Mehrheit der Stimmen gefasst. Diese GbR erwarb die Betriebsgrundstücke der W-KG und verpachtet diese fortan an diese.

     

    Im Jahr 1997 wurde die G-GmbH & atypisch Still gegründet, indem sich die Gesellschafter A, B, C und D mit einer Einlage von jeweils 250.000 DM an der G-GmbH beteiligten; die Anteile an der G-GmbH wurden jeweils zum Teilwert in das Sonder-BV II der atypisch stillen Gesellschafter eingelegt.

     

    Bild: IWW

     

    Im Jahr 2014 wurden dann sämtliche Geschäftsanteile an der G-GmbH an Dritte verkauft und die atypisch stille Gesellschaft aufgelöst. Dem Grunde nach ging es im Streitfall dann um die Höhe des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf der Anteile an der G-GmbH.

     

    Das Finanzamt wollte die Einlage der Geschäftsanteile in das Sonder-BV II der GmbH & atypisch Still, welche zum Teilwert erfolgt war, durch eine Zuordnung zum Sonder-BV II der I-GbR aufgrund einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zur W-KG praktisch aushebeln. Dort sollte die Einlage wiederum zu Anschaffungskosten erfolgt sein, was den der Besteuerung zu unterwerfenden Veräußerungsgewinn entsprechend erhöht hätte.

    2. Entscheidungsgründe

    Der BFH musste nun zum einen in die Historie des Unternehmensverbundes einsteigen und bestätigte im ersten Schritt das Entstehen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zwischen der I-GbR als Besitz- und der W-KG als Betriebsunternehmen. Insbesondere bejahte der BFH aus folgenden Gründen eine hierfür notwendige personelle Verflechtung der Unternehmen:

     

    • Für die Annahme einer personellen Verflechtung ist entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personengruppe bestimmt wird, die auch hinter dem Betriebsunternehmen steht.
    • Dabei ist es unerheblich, ob ein Beteiligter vorhanden ist, der eines der Unternehmen oder beide Unternehmen allein beherrscht. Daraus folgt, dass die Personengruppentheorie auch in den Fällen Anwendung findet, in denen bereits eine Person allein eines der Unternehmen oder beide Unternehmen beherrscht.
    • Die Herrschaft über eine Betriebs-KG muss nicht durch eine unmittelbare Beteiligung ausgeübt werden.

    3. Relevanz für die Praxis

    3.1 Begründung der Betriebsaufspaltung

    Dass die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden kann, ist gefestigte Rechtsprechung (vgl. BFH 28.11.01, X R 50/97, BStBl II 02, 363). Die Besonderheit im Urteilsfall war praktisch die teils unmittelbare Beteiligung an der W-KG durch A und daneben die mittelbare Beteiligung der Besitzgesellschafter A-D über die G-GmbH. Der BFH hatte hier keine Bedenken, diese Beteiligungsstränge zu einer Personengruppe zu vereinigen. Nach den Grundsätzen einer Beherrschungsidentität reicht es zur Begründung einer personellen Verflechtung, dass an dem Betriebs- und Besitzunternehmen eine Personengruppe gemeinsam in der Lage ist, ihren Willen durchzusetzen. Dies kann wie im Urteilssachverhalt auch über die Beherrschung durch die Personengruppe an einer zwischengeschalteten GmbH zum Besitzunternehmen gegeben sein.

     

    PRAXISTIPP | Zu den Fällen der mittelbaren Beherrschung über die „Zwischenschaltung“ einer GmbH zur Besitzgesellschaft siehe BFH 16.9.21 (IV R 7/18, BStBl II 22, 767) und Anwendungsschreiben des BMF vom 21.11.21 (IV C 6 ‒ S 2240/20/10006 :002).

     

    Das offensichtliche Gestaltungsziel der Abschirmung der I-GbR misslang daher, sodass von einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung zwischen der I-GbR als Besitzunternehmen und der W-KG als Betriebsunternehmen auszugehen war. Dieses Ergebnis wäre übrigens auch eingetreten, wenn der Gesellschaftsvertrag der I-GbR eine sog. Einstimmigkeitsabrede vorgesehen hätte.

     

    3.2 Folge: Geschäftsanteile G-GmbH als Sonder-BV II

    Fraglich war nun, ob denn dies auch zur Zuordnung der Geschäftsanteile an der G-GmbH zum Sonder-BV II der Besitzpersonengesellschaft I-GbR führen würde. Ja, entschied der BFH ‒ jedoch unter der Prämisse, dass diese der Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens in der Betriebsgesellschaft (W-KG) dienen. Hierbei erachtet der BFH es als unbeachtlich, dass aufgrund der verbleibenden Beteiligung des A an der Betriebsgesellschaft W-KG diese (allein) über die Beteiligung der G-GmbH nicht beherrscht werden konnte. Lediglich wenn an der G-GmbH selbst wiederum kein beherrschender Einfluss bestanden hätte, würde eine Zuordnung zum Sonder-BV II der Besitzpersonengesellschaft ausscheiden. Es ist davon auszugehen, dass der BFH hier über die Idee der Beherrschungsmehrheit zum selben Ergebnis gelangt wäre, wenn A an der G-GmbH gar nicht beteiligt gewesen wäre. Auch in diesen Fällen hätte die Personengruppe A‒D gemeinsam sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen beherrscht.

     

    3.3 Auflösung Bilanzierungskonkurrenz

    Damit war jedoch noch nicht entschieden, wie die Bilanzierungskonkurrenz hinsichtlich der Zuordnung der Geschäftsanteile der G-GmbH zum Sonder-BV II der atypisch stillen Beteiligung (siehe hierzu: Böttcher, GStB 19, 375) aufzulösen sei. Die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg 16.12.19, 1 K 2182/18) sah dahin gehend noch einen „qualitativen Vorrang“ der Zuordnung der Anteile zur atypisch stillen Gesellschaft. Nicht so der BFH: Es gelte das „Windhund-Prinzip“ und mithin eine Zuordnung nach zeitlichen Kriterien. Da das Sonder-BV II zur I-GbR bereits im Jahr 1994 begründet wurde, erfolge durch die nachgelagerte Begründung einer atypisch stillen Beteiligung an der G-GmbH keine Änderung der Zuordnung zum (Sonder-)Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft.

     

    3.4 Praxisfolgen

    Die steuerliche Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 1996 erkannte die Verpachtung der I-GbR noch als nicht gewerblich an und stellte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest. Erst in einer nachfolgenden Außenprüfung für den Veranlagungszeitraum 1997 wurde diese Auffassung revidiert. Das Urteil des BFH zeigt daher nicht nur auf, wie akribisch in mehrgliedrigen Konstellationen das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung insbesondere im Vorfeld von Veräußerungen, Umstrukturierungen aber auch Nachfolgegestaltungen abgeprüft werden muss, sondern auch, dass das Vertrauen auf ein „Nichterkennen“ entsprechender Beherrschungsstrukturen seitens der Finanzämter keine gestalterische Grundlage bietet. Mit dem Konstrukt der Beherrschungsidentität bei mittelbarer Beteiligung hat der BFH in der obigen Entscheidung die sog. Personengruppentheorie um ein weiteres Puzzleteilchen ergänzt, welche die gezielte Abschirmung einer personellen Verflechtung in der Praxis weiter erschweren dürfte.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2025 | Seite 78 | ID 50307745