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  • · Fachbeitrag · Europäischer Gerichtshof

    EuGH verneint Vorsteuerabzug einer GmbH aus Strafverteidigerkosten für ihren Geschäftsführer

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Begeht der Geschäftsführer einer Gesellschaft Straftaten, um dieser dringend benötigte Aufträge zu besorgen, so sind seine Taten zweifelsfrei „betrieblich verursacht“. Ob der GmbH aus den für ihren Geschäftsführer getragenen Strafverteidigungskosten aber auch ein Vorsteuerabzug zusteht, hielt der BFH für fraglich. Der EuGH hat den Vorsteuerabzug nun unter Verweis auf das vorrangige Ziel der Strafverteidigung, persönliche (private) Sanktionen vom Geschäftsführer abzuwenden, verneint (EuGH 21.2.13, C-104/12, Abruf-Nr. 130793).

     

    Sachverhalt

    Bei der X-GmbH (X) war G als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer tätig und unterhielt daneben ein mit der GmbH durch Geschäftsbeziehungen verbundenes Einzelunternehmen, das als umsatzsteuerlicher Organträger der GmbH fungierte. Im Zusammenhang mit einem von der X ausgeführten Bauauftrag wurde gegen Geschäftsführer G und den Prokuristen P ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eröffnet, die GmbH habe im Zuge der Ausschreibung durch Bestechungshandlungen vertrauliche Informationen über Angebote von Konkurrenten erhalten. Beide Strafverfahren wurden letztlich gegen Geldzahlungen gemäß § 153a StPO eingestellt. G und P hatten sich in den Verfahren anwaltlich vertreten lassen.

     

    Die Honorarvereinbarungen benannten als Auftraggeber sowohl die GmbH als auch den jeweiligen Beschuldigten (G bzw. P). Die Rechtsanwälte adressierten ihre Honorarrechnung jedoch nur an die X-GmbH, die daraus den Vorsteuerabzug geltend machte. Das FA versagte den Abzug mit der Begründung, die Anwälte hätten sowohl an die X, als auch an den jeweiligen Beschuldigten geleistet, ohne dass getrennte Rechnungen ausgestellt worden seien. Zum anderen stehe dem Vorsteuerabzug der X bereits entgegen, dass die Strafverteidigungskosten den Privatbereich von G bzw. P beträfen. Nach erfolglosem Einspruch hatte das FG der Klage unter Verweis auf den „betrieblichen Umsatzbezug“ der Straftaten stattgegeben, was der BFH in der Revision jedoch für fraglich hielt und daher die Frage dem EuGH vorlegte.

     

    Anmerkungen

    Der BFH hatte für problematisch gehalten, inwiefern das private Motiv der Strafverteidigung (Vermeidung persönlicher Sanktionen für G bzw. P) die fraglos auch bestehende unternehmerische Motivation (Interesse der X an einer Nichtverurteilung von G und P zur Vermeidung wirtschaftlicher Beeinträchtigungen und dem Verlust der Reputation) verdränge. Zudem hielt der BFH es im zweiten Schritt für problematisch, dass die Strafverteidigung sowohl von der X-GmbH, als auch von den Beschuldigten beauftragt worden sei (Leistungsbeauftragungsgemeinschaft) aber die Rechnungen der Anwälte nur an die X gerichtet waren.

     

    Nach Einschätzung des BFH hatte die Anwaltsleistung - unabhängig von ihrer Zielrichtung auf Vermeidung persönlicher Sanktionen für G und P - ihren „ausschließlichen Entstehungsgrund in der unternehmerischen Tätigkeit“ der X, da sie „ohne die steuerpflichtigen Umsätze der GmbH nicht bezogen worden wären“. Der EuGH macht jedoch klar, dass er diese Überlegungen des BFH für ein falsches Systemverständnis hält. Die Vorsteuerprüfung habe vielmehr nach einem mehrstufigen Schema zu erfolgen:

     

    • 1.Direkte Umsatzzuordnung: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die jeweilige Eingangsleistung einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem oder mehreren konkret bestimmbaren Ausgangsumsätzen aufweist. Dabei solle nicht auf die subjektive Intention der Beteiligten, sondern auf den objektiven Inhalt und Bezug abgestellt werden. Auch soll es nicht bereits schädlich sein, dass die Verfolgung der steuerpflichtigen Tätigkeit nicht den ausschließlichen Entstehungsgrund“ darstellt, sondern von weiteren Motiven flankiert wird.

     

    • Einen solchen direkten und unmittelbaren Zusammenhang verneinte der EuGH vorliegend: Die Anwaltsleistungen hätten direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen von G und P gedient, denn die Strafverfolgungsmaßnahmen seien nur gegen G und P persönlich - nicht jedoch gegen die GmbH - gerichtet gewesen (Rz. 30). Das Ermittlungsverfahren habe sich ausdrücklich auf G und P beschränkt, „obwohl solche Maßnahmen auch gegen die GmbH rechtlich möglich gewesen wären“.

     

    • PRAXISHINWEIS | Dieser Zusatz irritiert und kann m.E. nur einem Missverständnis des EuGH geschuldet sein, denn nach deutschem Recht sind juristische Personen nicht „strafrechtsfähig“, sodass bei Rechtsverletzungen durch unternehmerisches Handeln die „persönliche Bestrafung“ gleichwohl nicht auf das Unternehmen selbst, sondern auf seine Organe und verantwortlichen Mitarbeiter abzielt. M.E. kann daher aus der Nichteröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die GmbH noch nicht der Umkehrschluss auf den fehlenden unternehmerischen Bezug gezogen werden.

       
    • 2.Zuordnung zum Gesamtunternehmen: Fehlt der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu konkreten Einzelumsätzen, so kann sich die Vorsteuerabziehbarkeit gleichwohl aus einem Bezug des betroffenen Eingangsumsatzes zur „gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens“ ergeben. Dies setzt voraus, dass die Kosten der Eingangsleistung zu den unternehmerischen Allgemeinkosten gehören und als solche Preisbestandteil der unternehmerischen Umsätze werden.

     

    • Der BFH hatte diesen Allgemeinzusammenhang im Vorlageverfahren bejaht, da es ohne die unternehmerische Tätigkeit der GmbH überhaupt nicht zur Verfehlung ihrer Vertreter und in der Folge zur Strafverteidigung gekommen wäre. Dem EuGH reicht diese simple Grundfolgenlogik aber noch nicht aus; er hält dies auf Ebene der Prüfstufe „Zuordnung zum Gesamtunternehmen“ unter Verweis auf die EuGH-Entscheidung „Investrand BV“ (EuGH 8.2.07, C-435/05) nur für den ersten Teilschritt der notwendigen Prüfung:

     

    • Hypothetisch zu prüfen sei zwar in der Tat vorab, ob die Eingangsleistung auch dann entstanden wäre, wenn der Steuerpflichtige „überhaupt keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte“. Dies könne zwar vorliegend zugunsten der GmbH verneint werden, aber daraus ergebe sich noch nicht die Vorsteuerabzugsberechtigung aus den Anwaltskosten. Denn im zweiten Teilschritt bedürfe es gleichwohl eines „direkten und unmittelbaren Kausalzusammenhangs zur gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit“ der GmbH - und dieser sei, da die Strafverfolgung offenkundig jeglichen rechtlichen Zusammenhang zur GmbH vermissen lasse, nicht gegeben. Dabei hielt der EuGH ausdrücklich auch eine rechtliche Verpflichtung von juristischen Personen zur Übernahme von Strafverteidigungskosten ihrer Organe für vorsteuerirrelevant.

     

    Praxishinweise

    Am vorstehenden Prüfungsschema des EuGH wird sich der Vorsteuerabzug von Unternehmen auch in der deutschen Besteuerungspraxis künftig messen lassen müssen. Für Leistungsbezüge, die Gesellschaften für ihre Organe und rechtsgeschäftlichen Vertreter in Auftrag geben und die entsprechenden Kosten übernehmen, wird der Vorsteuerabzug regelmäßig am „direkten und unmittelbaren Kausalzusammenhang zur gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit“ scheitern, soweit die Maßnahme in erster Linie einen persönlichen Bezug zum Vertreter aufweist (vgl. hierzu bereits BFH 8.9.10, XI R 31/08).

     

    MERKE | Während für Strafverfahrens- und -verteidigungskosten in der Ertragsteuer ein Kostenabzug selbst bei vorsätzlich begangenen Straftaten möglich bleibt, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen wurde (vgl. BFH 21.6.89, X R 20/99 u. BFH 20.09.89, X R 43/86), bleibt ihnen umsatzsteuerlich der Vorsteuerabzug nunmehr eindeutig versagt.

     

    Zu der im Vorlageverfahren vom BFH noch für deutlich problematischer gehaltenen zweiten Frage - Beauftragung der Anwaltsleistungen jeweils durch eine Mehrheit von Personen (GmbH und Beschuldigter) - musste der EuGH in seinem Urteil nun nicht mehr Stellung beziehen. Dies ist bedauerlich, denn in diesen Fällen fehlt der Anwendungspraxis nun weiterhin die rechtssichere Klärung, ob bei einer „Leistungsbeauftragungsgemeinschaft“ hinsichtlich der späteren Rechnungslegung - und des daraus ggf. folgernden Vorsteuerabzugs - eine abweichende Verteilungsquote (z.B. in Abhängigkeit von der Entgeltstragung) möglich sein könnte.

     

    Hinweis | Die bisherige Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei gemeinschaftlichem Leistungsbezug (vgl. BFH 1.10.98, V R 31/98; BFH 6.10.05, V R 40/01; BFH 3.11.05, V R 53/03) spricht dabei aber m.E. gegen eine von den Beteiligten beliebig gestaltbare - von der Bezugsbeteiligungsquote abweichende und z.B. an der Zahlungsquote orientierte - Vorsteuerverteilung.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 146 | ID 38314050