· Fachbeitrag · Grunderwerbsteuergesetz
Novellierung oder geringe Gesetzesänderung mit weitreichender Folge infolge des MoPeG?
von Dr. Katrin Dorn und Dr. Morten Dibbert, Möhrle Happ Luther, München/Hamburg
| Das BMF hatte Mitte des Jahres 2023 mit dem Vorschlag zur Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes überrascht. Als Anlässe dafür nannte das Ministerium sowohl das MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.21, MoPeG, BGBl I, 3436) als auch das trotz der Reform in 2021 bestehende Bedürfnis, gewisse Steuergestaltungen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer zu verhindern. Daneben sollte die Grunderwerbsteuer kein Hindernis sinnvoller Umstrukturierungen mehr sein. Zusätzlich sollte es den Ländern ermöglicht werden, die Grunderwerbsteuer flexibler auszugestalten und insbesondere für den (Erst-)Erwerb des Eigenheims einen Freibetrag zu gewähren (dazu ausführlich Dorn/Dibbert, GStB 23, 318 ff.). Nun hat die Bundesregierung für eine weitere Überraschung gesorgt, welche sich in dem Regierungsentwurf für ein Wachstumschancengesetz versteckt. |
1. Hintergrund zum Wachstumschancengesetz
Im Juli 2023 legte das BMF den Referentenentwurf für ein Wachstumschancengesetz vor, welchen die Bundesregierung Ende August 2023 als Regierungsentwurf mit einigen Änderungen beschlossen hatte (zu den Einzelheiten siehe Dorn, iww.de/astw, Abruf-Nr. 49640739). In dem Referentenentwurf selbst waren bereits einige Änderungen der Steuergesetze enthalten, die ihre Ursache in dem Inkrafttreten des MoPeG haben. Der nun vorgelegte Regierungsentwurf enthält erstmalig Änderungen, die das Grunderwerbsteuergesetz betreffen (abrufbar unter www.iww.de/s8648).
2. Notwendigkeit einer Änderung im Grunderwerbsteuergesetz und Inhalt der Neuregelung
Der Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes sieht lediglich Änderungen im Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer in § 23 GrEStG vor. Um der Wirtschaft bezüglich der Auswirkungen des MoPeG auf zum 31.12.23 laufende Nachbehaltensfristen der §§ 5 Abs. 3 S. 1, 6 Abs. 3 S. 2 und 7 Abs. 3 S. 1 GrEStG zumindest Rechtssicherheit zu verschaffen, sieht der Regierungsentwurf eine gesetzliche Klarstellung vor. Dafür regelt § 23 Abs. 25 GrEStG, dass allein der weitgehende Entfall des Gesamthandsvermögens nicht zu einer Verletzung laufender Nachbehaltensfristen führt. Zudem wird klargestellt, dass die derzeit laufenden Nachbehaltensfristen unverändert fortgelten und diese unverändert verletzt werden, wenn sich der Anteil am Gesellschaftsvermögen innerhalb der Nachbehaltensfrist vermindert.
Darüber hinausgehende Änderungen gibt es leider nicht. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird ausgeführt, dass die Erörterungen mit den Ländern in Bezug auf die künftige Ausgestaltung der Steuervergünstigungen und der Ergänzungstatbestände im Bereich der Grunderwerbsteuer noch nicht abgeschlossen sind (vgl. S. 263). Damit dürfte auf die vom BMF angestoßene Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes Bezug genommen werden, welche auch eine Neuausrichtung der bisherigen Steuerbefreiungen in §§ 5, 6 und 6a GrEStG vorsehen würde.
Da es bislang wohl noch keine Einigung auf eine (weitere) große Reform der Grunderwerbsteuer gibt, seien die im Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetz enthaltenen Änderungen notwendig. Diese Änderungen beziehen sich auf die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 und 7 GrEStG. Begründet werden die minimalen Änderungen damit, dass die Steuervergünstigungen der §§ 5 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 3 S. 1 und 7 Abs. 2 GrEStG mit dem Inkrafttreten des MoPeG ab dem 1.1.24 keinen Anwendungsraum mehr haben. Grund dafür ist, dass diese Steuerbefreiungen auf die Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) abzielen, es eine solche jedoch ab dem 1.1.24 nicht mehr gibt. Daher läuft der jeweilige Regelungsinhalt von § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG, § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG sowie § 7 Abs. 2 GrEStG ins Leere.
3. Auswirkungen auf die Praxis
Die Klarstellung hinsichtlich der laufenden Nachbehaltensfristen durch die geplante Einfügung von § 23 Abs. 25 GrEStG-neu ist ausdrücklich zu begrüßen. Allein das Inkrafttreten der Regelungen des MoPeG führt somit nicht zu einem Verstoß gegen bereits laufende Nachbehaltensfristen. Etwas anderes wäre auch höchst fragwürdig gewesen, da die Steuerpflichtigen selbst keine Handlung vorgenommen haben.
Äußerst problematisch und sehr unbefriedigend für die Praxis sind die Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs. Die Bundesregierung vertritt offensichtlich die Auffassung, dass das MoPeG weitreichende Folgen für die Behandlung von Personengesellschaften bei der Grunderwerbsteuer hat. Die Steuerbefreiungen der §§ 5 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 3 S. 1 sowie 7 Abs. 2 GrEStG sollen in der derzeit gültigen Fassung ab dem 1.1.24 ins Leere laufen. Dies würde bedeuten, dass für Vorgänge, für die bei Verwirklichung bis zum 31.12.23 eine Steuerbefreiung gewährt würde, keine Steuerbefreiung mehr gewährt wird, wenn diese ab dem 1.1.24 verwirklicht werden. Damit würden grundlegende Steuerbefreiungen, die bislang das Grunderwerbsteuergesetz geprägt haben, entfallen. Die Transparenz der Personengesellschaft für grunderwerbsteuerliche Zwecke würde damit entfallen.
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A überträgt aus seinem Eigentum ein Grundstück auf die A-KG, an welcher er zu 100 % beteiligt ist.
Nach bisherigem Recht konnte diese Übertragung nach § 5 Abs. 2 GrEStG entsprechend der Beteiligung des bisherigen Eigentümers an der Gesamthand steuerfrei erfolgen, d. h. hier i. H. v. 100 %, da A insoweit an der A-KG beteiligt ist. |
Diese Steuerbefreiung wurde auch insoweit als sachgerecht angesehen, da die Mitberechtigung an dem Grundstück entsprechend der Beteiligung unverändert blieb. Die Steuerbefreiung wurde unter einer Nachbehaltensfrist von inzwischen zehn Jahren gewährt (vgl. § 5 Abs. 3 GrEStG). Nach dem im Regierungsentwurf enthaltenen Verständnis würde diese Steuerbefreiung nicht mehr gewährt, weil die Regelung mit dem Inkrafttreten des MoPeG ins Leere läuft. |
Im Ergebnis würden damit Personen- und Kapitalgesellschaften gleichbehandelt werden. In beiden Fällen würde keine Steuerbefreiung nach den genannten Regelungen greifen. Dies gilt dann auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG und wohl auch im Zusammenspiel mit den personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG. Denn bereits bislang war es so, dass für eine Übertragung des Grundstücks aus dem Alleineigentum des Gesellschafters einer GmbH auf eine Kapitalgesellschaft, an welcher dieser beteiligt war, keine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG gewährt wurde. Insoweit zeigten sich die Rechtsformunterschiede sehr deutlich. Unter anderem diesen Unterschieden sollte mit der Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes begegnet werden. Allerdings in der Gestalt, dass nunmehr auch Kapitalgesellschaften transparent betrachtet werden sollten (vgl. dazu Dorn/Dibbert, GStB 23, 318).
FAZIT | Der Regierungsentwurf enthält im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer für die Steuerpflichtigen eine unerfreuliche Überraschung, da darin die Auffassung vertreten wird, dass für Übertragungen ab dem 1.1.24 die Steuerbefreiungen der §§ 5 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 3 S. 1 sowie 7 Abs. 2 GrEStG keine Anwendung mehr finden. Dass damit ein wesentlicher Rechtsformunterschied zwischen Übertragungen auf Personen- und auf Kapitalgesellschaften beseitigt wird, dürfte kaum trösten, da nunmehr in beiden Fällen keine Steuerbefreiung mehr gewährt wird. Es wäre sicherlich auch eine andere Lösung denkbar gewesen, z. B. dass das Wort „Gesamthand“ durch das Wort „Personengesellschaft“ oder gleich „Gesellschaft“ ersetzt worden wäre. Es bleibt zu hoffen, dass diese Auslegung die Notwendigkeit für eine Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes vorantreibt.
Durch die Begründung des Regierungsentwurfs des Wachstumschancengesetzes wurde leider sehr viel Unsicherheit hervorgerufen. Sofern möglich, sollten bereits geplante Transaktionen mit einer „Gesamthand“ noch vor Jahresende umgesetzt werden, jedenfalls wenn das Wachstumschancengesetz in dieser Fassung tatsächlich verabschiedet werden sollte. Derzeit ist geplant, dass der Bundestag das Gesetz am 10.11.23 verabschiedet und der Bundesrat am 15.12.23 zustimmt. |