Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Steuerticker

    Neues aus der Finanzverwaltung auf den Punkt gebracht!

    von StB Michael Seifert, Troisdorf

    | In unserem Steuerticker geht es dieses Mal um zwei wichtige Streitfragen, bei denen die Finanzverwaltung eine Kehrtwende vollzogen hat. Neben neuen Aussagen zur Besteuerung von Zinsen auf Rentennachzahlungen gibt es Änderungen zum Entlastungsbetrag bei Alleinerziehenden zu vermelden. |

    1. Neues zur Besteuerung von Zinsen auf Rentennachzahlungen

    Die Finanzverwaltung hat ihre Rechtsauffassung zur Besteuerung von Zinsen auf Rentennachzahlungen überraschend geändert (BMF 4.7.16, IV C 3 - S 2255/15/10001, DStR 16, 1539). Die neue Sichtweise ist für Ihre Mandanten im Regelfall günstiger, weil die Zinsen auf die Rentennachzahlungen nun als Einnahmen aus Kapitalvermögen eingeordnet werden und der Sparer-Pauschbetrag wegen der aktuellen Niedrigzinsphase oft nicht verbraucht sein dürfte.

     

    1.1 Bisherige Sichtweise der Finanzverwaltung

    Bislang ging die Finanzverwaltung davon aus, dass auch Nachzahlungszinsen als „andere Leistungen“ i. S. d. § 22 S. 3 Buchst. a) EStG der Besteuerung als sonstige Einkünfte unterliegen (BMF 19.8.13, BStBl I 13, 1087, Rz. 196; geändert durch BMF 10.1.14, BStBl I 14, 70).

     

    PRAXISHINWEIS | Im Ergebnis wurden die Zinsen auf Rentennachzahlungen bislang bei den sonstigen Einkünften erfasst und mit dem Besteuerungsanteil ohne Anwendung des Sparer-Pauschbetrags und der Abgeltungsteuer versteuert.

     

    1.2 Neue Rechtsauslegung der Finanzverwaltung

    Der BFH hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass von der Deutschen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Rentennachzahlungen gezahlte Zinsen nach § 44 SGB I der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen (BFH 9.6.15, VIII R 18/12). Die Finanzverwaltung ist dem jetzt gefolgt und wendet diese Besteuerungsgrundsätze nun nicht nur auf Zinsen auf Rentennachzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung an, sondern auch auf entsprechende Zinszahlungen von landwirtschaftlichen Alterskassen oder berufsständischen Versorgungseinrichtungen.

     

    1.3 Zeitlicher Anwendungsbereich

    Die Finanzverwaltung wendet die neue Rechtsauslegung allgemein ab dem VZ 2016 an. Für die Veranlagungsjahre vor 2016 wird ein Anwendungswahlrecht zugelassen: Es kann entweder die bisherige Versteuerung angewandt oder eine Erfassung als Kapitaleinkünfte vorgenommen werden. Die allgemeine Anwendung mit Wirkung ab dem VZ 2016 dürfte damit zusammenhängen, dass die Bescheinigungen der gesetzlichen Rentenversicherung erst ab 2016 die Zinsen auf Rentennachzahlungen gesondert ausweisen werden.

     

    • Beispiel 1

    Mandant A bezog seit 2010 von der Deutschen Rentenversicherung eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Mit Bescheid vom 2.11.15 wurde seine Rente rückwirkend neu festgestellt. A erhielt im Jahr 2015 eine Rentennachzahlung sowie hierauf entfallende Zinsen nach § 44 Abs. 1 SGB I von 1.300 EUR. A wird mit Ehefrau B zusammen veranlagt; weitere Zinsen erzielten sie in 2015 nicht.

     

    Lösung: Es besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der Zinsbesteuerung:

     

    a) Versteuerung als sonstige Einkünfte (§ 22 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) EStG):

    1.300 EUR x 60 % (Besteuerungsanteil bei Rentenbeginn 2010) =

    780 EUR

    (tarifliche Besteuerung)

     

     

    b) Versteuerung als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)

    Einnahmen:

    1.300 EUR

    abzüglich Sparer-Pauschbetrag:

    1.602 EUR, max.

    -1.300 EUR

    Einkünfte aus Kapitalvermögen

    0 EUR

     

     

    PRAXISHINWEIS | Das Wahlrecht sollte in diesem Fall zugunsten der Erfassung als Kapitaleinkünfte ausgeübt werden. Da der Sparer-Pauschbetrag nicht überschritten wird, bleiben die Zinserträge faktisch steuerfrei. Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung wären die Zinsen als Teil der Renteneinnahmen mit dem Besteuerungsanteil zu erfassen.

     
    • Fortsetzung Beispiel 1

    Die Rentennachzahlung ist im Zuflussjahr 2015 mit dem Besteuerungsanteil von 60 % zu versteuern. Ferner ist zu beachten, dass auf eine solche Nachzahlung auch die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelungsregelung) zur Anwendung kommen kann, soweit die Rentennachzahlung nicht nur auf den laufenden VZ entfällt (BMF 19.8.13, BStBl I 13, 1087, Rz. 191; R 34.4 Abs. 1 S. 2 EStR). Hiervon ist vorliegend auszugehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Rentennachzahlung ist mit dem Besteuerungsanteil des Jahres des Rentenbeginns zu versteuern. Fraglich ist allerdings, ob die gesamte Rentennachzahlung mit dem Besteuerungsanteil des Rentenbeginnjahres zu erfolgen hat oder ob die Rentennachzahlung in Bezug auf den Teil der Rentennachzahlung, der auf eine laufende regelmäßige Anpassung nach dem Jahr der Ermittlung des Kohortenfreibetrags entfällt, voll versteuert werden muss. Zumindest letzteres vertritt die Finanzverwaltung zur Besteuerung der sog. Mütterrente (siehe FinMin Schleswig-Holstein 9.6.15, VI 303-S 2255-152, Kurzinfo ESt 18/2014).

     

    Aus der Rentennachzahlung ergibt sich eine Folgewirkung in Bezug auf den steuerfreien Teil der Rente: Da bei der Berechnung des steuerfreien Rententeils ursprünglich eine niedrigere Rente zugrunde gelegt wurde und es sich bei der Rentennachzahlung nicht um eine regelmäßige Anpassung handelt, ist der steuerfreie Teil der Rente neu zu berechnen (§ 22 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) S. 6 EStG, BMF 19.8.13, BStBl I 13, 1087, Rz. 232 ff.).

     
    • Beispiel 2

    Wie Beispiel 1, allerdings erzielen A und B im VZ 2015 Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von 1.602 EUR. Hierbei sind die Zinsen auf die Rentennachzahlung noch nicht berücksichtigt.

     

    Lösung: Es besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der Zinsbesteuerung:

     

    a) Versteuerung als sonstige Einkünfte (§ 22 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) EStG):

    1.300 EUR x 60 % (Besteuerungsanteil bei Rentenbeginn 2010) =

    780 EUR

    (tarifliche Besteuerung)

     

     

    b) Versteuerung als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)

    Einnahmen (1.602 EUR + 1.300 EUR =)

    2.902 EUR

    abzüglich Sparer-Pauschbetrag:

    - 1.602 EUR

    Einkünfte aus Kapitalvermögen

    1.300 EUR

    (Abgeltungsteuer oder tarifliche Besteuerung bei Wahl der Günstigerprüfung)

     

     

    PRAXISHINWEIS | Unterstellt man einen persönlichen Steuersatz von 20 %, ergäbe sich bei Variante 1 eine Steuerbelastung von 156 EUR und bei Variante 2 bei Anwendung der Günstigerprüfung von 260 EUR. Hier wäre die Wahl der Besteuerung der Zinsnachzahlung als sonstige Einkünfte somit vorteilhafter.

     
    • Beispiel 3

    Wie Beispiel 2, allerdings wird der Sachverhalt im VZ 2016 verwirklicht.

     

    Die Zinsen auf die Rentennachzahlung sind zwingend bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen. Das bis zum VZ 2015 eingeräumte Wahlrecht kommt ab dem VZ 2016 nicht mehr zur Anwendung.

     

    2. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende: Keine zeitanteilige Gewährung im Heiratsjahr möglich

    Alleinstehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag zusteht.

     

    In Fällen der getrennten oder der besonderen Veranlagung (bis einschließlich VZ 2012) bzw. der Einzelveranlagung (ab VZ 2013) ist im Jahr der Eheschließung eine zeitanteilige Berücksichtigung ausgeschlossen - so die Auffassung der Finanzverwaltung (siehe BMF 29.10.04, BStBl I 04, 1042).

     

    Der BFH hat demgegenüber entgegen der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen im Jahr der Eheschließung bei Wahl der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG a. F. eine zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrags möglich ist (BFH 5.11.15, III R 17/14, BFH/NV 16, 548).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Finanzverwaltung hat mittlerweile beschlossen, diese positive BFH-Entscheidung in allen offenen Fällen anzuwenden; allerdings nur, wenn die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung nach § 26c EStG a. F. gewählt wird. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BStBl I 11, 986) wurden die Veranlagungsarten für Ehegatten aber mit Wirkung ab dem VZ 2013 auf die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und die Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) beschränkt. Damit hat die an sich positive BFH-Rechtsprechung auf die Rechtslage ab dem VZ 2013 sowie auf die getrennte Veranlagung (bis 2012) keine Auswirkung (FinMin Schleswig-Holstein 8.7.16, Kurzinfo ESt 5/2016).

     
    • Beispiel 1

    Die Mandanten S und T führen bis Ende November 2016 eine Fernbeziehung. Ab Dezember 2016 unterhalten die frisch vermählten Eheleute eine gemeinsame Wohnung in München. Zuvor hatte der Ehemann berufsbedingt seinen Erstwohnsitz in Berlin und seine nunmehr angetraute Ehefrau hatte ihren Wohnsitz in Traunstein zusammen mit einem minderjährigen Kind aus einer Vorbeziehung. Für den VZ 2016 wird von den Ehegatten die Einzelveranlagung gewählt.

     

    Bei Wahl der Einzelveranlagung von Ehegatten scheidet der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende - selbst für den Zeitraum von Januar bis November 2016 - aus, weil die Mandanten mit der Heirat die Voraussetzungen für das Splittingverfahren erfüllen.

     
    • Beispiel 2

    Die Mandanten A (Ehemann) und B (Ehefrau) trennen sich in 2016. A und B lebten bis Ende Juni 2016 in einer gemeinsamen Wohnung in Augsburg. Ab Juli 2016 lebte B zusammen mit der minderjährigen Tochter in Ingolstadt.

     

    Für das Trennungsjahr 2016 scheidet die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende ebenfalls aus, weil die Anwendung des Splittingverfahrens möglich ist.

     
    • Beispiel 3

    Die Mandanten P (Ehemann) und L (Ehefrau) sind seit Jahren glücklich verheiratet. Am 18.7.16 stirbt P. L lebt seither gemeinsam mit der minderjährigen Tochter und dem minderjährigen Sohn in einer in Bamberg belegenen Wohnung.

     

    Für das Todesjahr (und das dem Todesjahr folgende Jahr) wird zwar der Splittingtarif gewährt. Damit scheidet grundsätzlich die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende aus. Nach § 24b Abs. 3 S. 1 EStG wird aber für Verwitwete - unabhängig vom Splitting - ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ab dem Todesmonat gewährt.

     

    Entlastungsbetrag für den VZ 2016:

    Erstes Kind:

    1.908 EUR x 6 Monate / 12 Monate* =

    954,00 EUR

    Zweites Kind:

    240 EUR x 6 Monate / 12 Monate* =

    120,00 EUR

    Summe:

    1.074,00 EUR

     

     

    * zeitanteilig gem. § 24b Abs. 4 EStG

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2016 | Seite 310 | ID 44179650