· Fachbeitrag · Steuerticker
Neues aus Gesetzgebung und Finanzverwaltung auf den Punkt gebracht
von StB Michael Seifert, Troisdorf
| In unserem „Steuerticker“ weisen wir Sie regelmäßig auf Neuerungen aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung hin, die Sie im Berufsalltag kurzfristig umsetzen sollten. Das in Kürze in Kraft tretende Gesetz zur Elektromobilität sieht erfreuliche Steuervergünstigungen vor, die zu begrüßen sind. Aber auch beim Sachbezug „Jobticket“ gibt es neue Nachrichten aus der Finanzverwaltung, die enorme Breitenwirkung entfalten dürften. |
1. Gesetz zur Elektromobilität: Bundesrat fordert eine Ausweitung der steuerlichen Förderung
Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen. Nach den aktuellen Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamts liegt dieses Ziel jedoch noch in weiter Ferne. Zum 1.1.14 gab es gerade einmal rund 12.000 Elektroautos.
Der Bundesrat hat sich daher für eine Ausweitung der bereits bestehenden Vorteile für Elektrofahrzeuge ausgesprochen (siehe BT-Drs. 18/5864 vom 26.8.15). Inhaltlich sind folgende Neuerungen vorgesehen:
- 1. In einem neuen § 3 Nr. 46 EStG soll ein weiterer Steuerbefreiungstatbestand aufgenommen werden. Steuerfrei sollen danach vom Arbeitgeber gewährte Vorteile sein, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn für das elektrische Aufladen eines privaten Elektrofahrzeugs oder Hybridelektrofahrzeugs erbracht werden. Der Gesetzgeber will hiermit das umweltfreundliche Engagement im Betrieb oder anderswo zugunsten des elektrischen Aufladens fördern. Diese Steuerfreiheit soll für Vorteile anzuwenden sein, die in den Jahren 2015 bis 2019 zufließen (§ 52 Abs. 4 letzter Satz EStG-E). Der Steuerbefreiungstatbestand erstreckt sich nur auf das elektrische Aufladen von „privaten“ Elektrofahrzeugen oder Hybridelektrofahrzeugen.
- Bei Dienstwagen gehören solche Ladekosten zu den Fahrzeuggesamtkosten. Damit umfasst die Ein-Prozent-Regelung auch diese Kosten. Im Gesetzgebungsverfahren sollte dennoch über eine Einbeziehung auch der „betrieblichen“ Elektrofahrzeuge und Hybridelektrofahrzeuge in die Steuerbefreiung diskutiert werden. Existiert eine solche Befreiung nicht, müssten die Ladekosten in die Gesamtkostenberechnung einbezogen werden. Diese Gesamtkosten sind für die Ermittlung der Kostendeckelung bzw. bei Anwendung der Fahrtenbuchregelung maßgeblich (siehe R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 S. 8 und 9 LStR 2015). Der Arbeitgeber kann diese Ladekosten nur mit hohem Bürokratieaufwand ermitteln; der Gesetzgeber sollte den Arbeitgeber von solchen bürokratischen Pflichten befreien.
PRAXISHINWEIS | Noch einen zweiten Punkt gilt es, im Gesetzgebungsverfahren aufzugreifen: Der Arbeitgeber hat im Lohnkonto steuerfreie Bezüge mit Ausnahme der Vorteile i.S.d. § 3 Nr. 45 EStG und der steuerfreien Trinkgelder aufzuzeichnen (siehe § 4 Abs. 2 Nr. 4 LStDV). Vor dem Hintergrund der angestrebten Förderung der Elektromobilität sollte der Gesetzgeber diese neue Befreiungsvorschrift mit einer generellen Befreiung von der Aufzeichnungspflicht im Lohnkonto kombinieren.
- 2. Für die Anschaffung oder Herstellung von Elektrofahrzeugen und Ladevorrichtungen soll eine Sonderabschreibung ermöglicht werden (§ 7e EStG-E). Die Höhe der Sonder-AfA richtet sich nach dem Anschaffungs- oder Herstellungsjahr (2015: 50 %, 2016: 40 %, 2017: 30 % und 2018/2019: 20 %).
PRAXISHINWEIS | Die Bundesregierung hat sich darüber hinaus für eine Stärkung der Nutzung von Zweirädern mit Elektrounterstützung und mit Elektroantrieb zur Verbesserung der betrieblichen Mobilität ausgesprochen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür werden noch geprüft. Wir werden über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens berichten.
2. Aus der Finanzverwaltung
2.1 Job-Ticket für Arbeitnehmer
Stellt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Job-Tickets verbilligt oder unentgeltlich zur Verfügung, liegt grundsätzlich ein geldwerter Vorteil (Sachbezug) vor. Ein geldwerter Vorteil wird jedoch nicht angenommen, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern ein Job-Ticket zu dem mit dem Verkehrsträger vereinbarten Preis überlässt. Ein Sachbezug liegt nur vor, soweit der Arbeitnehmer das Job-Ticket verbilligt oder unentgeltlich erhält (H 8.1 Abs. 1 bis 4 „Job-Ticket“ LStH 2015).
Beachten Sie | Hintergrund für diese positive Rechtsauslegung ist, dass kein Arbeitslohn vorliegt, wenn und soweit ein Preisvorteil auch fremden Dritten üblicherweise im normalen Geschäftsverkehr eingeräumt wird (Jedermannrabatt). Hiervon wird - ohne weitere Prüfung - bei vom Verkehrsträger eingeräumten Rabatt ausgegangen (siehe Geserich, NWB 15, 1610 und Plenker, DB 13, 11/2013, M 9 - „üblicher Preisnachlass i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 1 EStG“).
| ||||||||||||
|
Lösung: Unter der Voraussetzung, dass keine weiteren individuell mit dem Marktpreis zu bewertenden Sachbezüge (i.S.d. § 8 Abs. 2 S. 1 EStG) im Monat gewährt werden, bleibt der geldwerte Vorteil wegen der Anwendung der 44-EUR-Freigrenze lohnsteuerlich und sozialversicherungsrechtlich außer Ansatz (siehe nachfolgende Ausführungen).
2.2 Anwendung der 44-EUR-Freigrenze
Nach § 8 Abs. 2 S. 11 EStG bleiben mit dem Marktpreis bewertete geldwerte Vorteile außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 EUR im Kalendermonat nicht übersteigen (siehe auch R 8.1 Abs. 2 LStR 2015 und BMF 16.5.13, V C 5 - S 2334/07/0011, BStBl I 13, 729).
PRAXISHINWEIS | Damit ist die 44-EUR-Freigrenze auch auf geldwerte Vorteile aus dem Sachbezug „Job-Ticket“ anzuwenden, sofern eine Bewertung mit dem Marktpreis erfolgt. |
Beachten Sie | Für die Feststellung, ob die Freigrenze überschritten wird, sind alle in einem Kalendermonat zufließenden und mit dem Marktpreis zu bewertenden Vorteile - auch sofern sie individuell lohnbesteuert werden - zusammenzurechnen.
PRAXISHINWEIS | Nur die mit dem Marktpreis zu bewertenden Vorteile, die nach §§ 37b und 40 EStG pauschal lohnversteuert werden, bleiben außer Ansatz und verbrauchen folglich die 44-EUR-Freigrenze nicht (R 8.1 Abs. 3 S. 1 und 2 LStR 2015). Gleiches gilt für steuerfreie und nicht lohnsteuerbare Sachzuwendungen. Auch insoweit tritt kein Verbrauch der 44-EUR-Freigrenze ein. |
2.3 Anwendung der Rabattfreibetragsregelung
Der geldwerte Vorteil aus dem Sachbezug „Job-Ticket“ kann bei Arbeitnehmern eines Verkehrsträgers im Rahmen der sog. Rabattfreibetragsregelung (siehe § 8 Abs. 3 EStG) steuerfrei sein. Mittlerweile kann der geldwerte Vorteil selbst dann, wenn die Voraussetzungen der Rabattfreibetragsregelung vorliegen, wahlweise mit dem Marktpreis (§ 8 Abs. 2 EStG) insbesondere ohne Berücksichtigung des Rabattfreibetrags bewertet werden. Dieses Wahlrecht ist sowohl im LSt-Abzugsverfahren als auch im Veranlagungsverfahren anwendbar (BMF 16.5.13, V C 5 - S 2334/07/0011, BStBl I 2013, 729).
2.4 Zuflusszeitpunkt
Da sich die 44-EUR-Freigrenze auf den jeweiligen Monat bezieht, ist es von wesentlicher Bedeutung, wann der Sachbezug „Job-Ticket“ zufließt. Das Bayerische Landesamt für Steuern (12.8.15, S 2334.2.1-98/5 St 32, DB 15, 2055) hat in einer Verfügung aktuell auf Folgendes hingewiesen:
Die 44-EUR-Freigrenze ist bei der jeweiligen monatlichen Überlassung einer Monatsmarke oder einer monatlichen Fahrberechtigung für ein Job-Ticket anwendbar, auch wenn das Job-Ticket für einen längeren Zeitraum gilt (R 8.1 Abs. 3 S. 5 LStR 2015). Hiervon sind z.B. umfasst
- Fälle, in denen tatsächlich monatliche Tickets („Monatsmarken“) monatlich ausgehändigt werden, oder
- Tickets, welche an sich für einen längeren Zeitraum gelten, aber jeden Monat (neu) „aktiviert/freigeschaltet“ werden.
Entscheidend für den Zuflusszeitpunkt sind überdies die Tarif- und Nutzungsbestimmungen: Sehen diese für ein Job-Ticket vor, dass die jeweilige monatliche Fahrberechtigung durch die rechtzeitige monatliche Zahlung erworben wird, fließt der geldwerte Vorteil aus dem Sachbezug „Job-Ticket“ monatlich zu - also nicht etwa bei Kauf/Teilnahmeerklärung für den gesamten Gültigkeitszeitraum.
|
Der Arbeitnehmer erhält von seinem Arbeitgeber zum 1.1.15 unentgeltlich eine Fahrkarte für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Strecke zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (siehe § 9 Abs. 4 EStG). Die Karte hat den Aufdruck „gültig bis 31.12.16“. Nach den Tarifbestimmungen des Verkehrsanbieters wird während der Gültigkeitsdauer 1.1.15 bis 31.12.16 die monatliche Fahrberechtigung durch die rechtzeitige monatliche Zahlung erworben. Nach der zutreffenden Berechnung des Arbeitgebers beträgt der geldwerte Vorteil aus dem Sachbezug „Job-Ticket“ monatlich 42 EUR. Weitere mit dem Marktpreis zu bewertende Sachbezüge liegen nicht vor.
Lösung: Die 44-EUR-Freigrenze ist auf den Sachbezug „Job-Ticket“ anwendbar. Da es sich um die monatliche Fahrberechtigung eines Job-Tickets handelt, das für einen längeren Zeitraum gilt (R 8.1 Abs. 3 S. 5 LStR 2015), fließt der geldwerte Vorteil aus dem Sachbezug monatlich zu. Der geldwerte Vorteil übersteigt mit monatlich 42 EUR die 44-EUR-Freigrenze nicht und bleibt damit lohnsteuer- und beitragsfrei. |
Die steuerfreie Arbeitgeberleistung für die Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken (§ 41b Abs. 1 S. 2 Nr. 6 EStG).
|
Wie Beispiel zuvor, allerdings erhält der Arbeitnehmer neben dem Job-Ticket monatlich einen Benzingutschein, der bei einem Dritten einzulösen ist, im Wert von 44 EUR.
Sowohl der geldwerte Vorteil aus dem Benzingutschein als auch der geldwerte Vorteil aus dem Job-Ticket fließen dem Arbeitnehmer monatlich zu. Der geldwerte Vorteil aus dem bei einem Dritten einzulösenden Gutschein fließt im Übrigen jeweils mit Hingabe des Gutscheins zu. Der tatsächliche Einlösungszeitpunkt ist für die Bestimmung des Zuflusses unerheblich (R 38.2 Abs. 3 S. 1 LStR 2015). Ob die 44-EUR-Freigrenze eingehalten ist, bestimmt sich nach der Summe der mit dem Marktpreis bewerteten geldwerten Vorteile. |
Diese ist hier auf den ersten Blick überschritten, sodass beide geldwerten Vorteile individuell nach den Merkmalen der ELStAM-Daten (z.B. Steuerklasse III) zu versteuern und zu verbeitragen sind.
Eine Gestaltungsmöglichkeit verbleibt aber: Bei Prüfung der 44-EUR-Freigrenze bleiben die z.B. nach § 40 EStG pauschalierten geldwerten Vorteile außer Ansatz. Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuer mit einem festen Pauschalsteuersatz von 15 % für Sachbezüge in Form der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte versteuern, sofern der ansonsten als Werbungskosten abziehbare Betrag nicht überschritten wird. Der geldwerte Vorteil aus dem „Job-Ticket“ kann in voller Höhe pauschal lohnversteuert abgerechnet werden (siehe auch BMF 31.10.13, BStBl I 13, 1376 unter Rz. 5.2). Die pauschal besteuerte Arbeitgeberleistung für die Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig zu vermerken (§ 41b Abs. 1 S. 2 Nr. 7 EStG).
Durch die auf den Sachbezug „Job-Ticket“ angewandte Lohnsteuerpauschalierung bleibt dieser Sachbezug bei der Prüfung, ob die 44-EUR-Freigrenze eingehalten ist, außer Ansatz. Es liegt nur noch der Sachbezug „Benzingutschein“ vor; dieser überschreitet die 44-EUR-Freigrenze nicht. Damit bleibt dieser Sachbezug steuer- und beitragsfrei (siehe § 1 Abs. 1 Nr. 3 SvEV). Zur Frage der Aufzeichnung des geldwerten Vorteils auf der Lohnsteuerbescheinigung als steuerfreie Arbeitgeberleistung für die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte siehe Seifert in: GStB 14, 23. |
Weiterführender Hinweis
- Zum Zuflusszeitpunkt beim Jobticket bei monatlicher Abbuchung/Zahlung des Entgelts: Beachten Sie die andere Auffassung der OFD Münster (OFD NRW 24.11.14, Kurzinfo LSt 7/2014, unter Zufluss des Sachbezugs „Jobticket“
3. BFH: Kein Abzug der Sozialversicherungsaufwendungen bei Ermittlung der Einkünfte und Bezüge
Der BFH hat sich jüngst zur Ermittlung der als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Unterhaltsleistungen geäußert (BFH 18.6.15, VI R 45/13, Abruf-Nr. 179260). Danach sind bei der Ermittlung der abziehbaren Unterhaltsleistungen nach Änderung des § 33a Abs. 1 EStG durch das BürgEntlG KV (16.7.09, BGBl I 09, 1959) die anrechenbaren Einkünfte der unterhaltenen Person nicht (mehr) um die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie um die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für Leistungen, die über das sozialhilferechtliche Niveau der Krankenversorgung hinausgehen, zu mindern.
PRAXISHINWEIS | Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist das Ergebnis dieses Urteils problematisch, denn der Unterhaltshöchstbetrag soll die privaten, existenzsichernden Aufwendungen nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips steuerlich berücksichtigen. Diesem Normzweck widerspricht es m.E., die anrechenbaren Einkünfte des Unterhaltsempfängers nicht um die zwangsläufig anfallenden Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu mindern. Es bleibt abzuwarten, ob das BVerfG in dieser Frage angerufen wird. |