· Fachbeitrag · Viertes Quartal 2018
FG-Rechtsprechung kompakt: Die Top 10 für die Gestaltungsberatung
von RiFG Prof. Dr. Kreft, Dipl.-Finanzwirt, Bielefeld
| Wie gewohnt haben wir auch aus den im vierten Quartal 2018 veröffentlichten FG-Urteilen wieder die besonders praxisrelevanten Entscheidungen auf den Punkt gebracht und mit Hinweisen für die Gestaltungsberatung ergänzt. |
1. Vortragbare Gewerbeverluste: Keine Anwendung der Konzernklausel bei Übertragung von Kommanditanteilen
Bei Gesellschafterwechseln in Mitunternehmerschaften geht bekanntlich die Unternehmeridentität grds. verloren. Dies hat zur Folge, dass damit der auf den Mitunternehmer entfallende vortragbare Fehlbetrag i. S. d. § 10a GewStG untergeht. Dies soll nach Auffassung des FG Düsseldorf auch bei Übertragung eines Kommanditanteils im Rahmen einer Abspaltung so sein. Die Übertragung des Kommanditanteils von einer GmbH auf eine andere GmbH im Rahmen der Abspaltung ist danach als Ausscheiden der einen GmbH und Eintritt der anderen GmbH als neue Gesellschafterin anzusehen. Das FG hat sich in diesem Zusammenhang gegen eine entsprechende Anwendung der Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 5 KStG ausgesprochen (FG Düsseldorf 9.7.18, 2 K 2170/16 F, EFG 18, 1666; Rev. BFH: IV R 29/18).
PRAXISTIPP | Die Beurteilung des Fortbestands oder Untergangs gewerbesteuerlicher Verlustvorträge gemäß § 10a GewStG gehört zu einem der üblichen Brennpunkte bei der Beratung von Personengesellschaften. Einige problematische Konstellationen z. B. hinsichtlich der Unternehmeridentität bei Verschmelzung der Ober- auf die Unterpersonengesellschaft (BFH 12.5.16, IV R 29/13, BFH/NV 16, 1489) oder zur Unternehmensidentität gewerblich geprägter Personengesellschaften (BFH 4.5.17, IV R 2/14, BStBl. II 17, 1138) sind zwar jüngst geklärt worden. Doch neben der anhängigen Revision im Besprechungsfall sind noch zahlreiche weitere Verfahren mit Breitenwirkung anhängig (etwa IV R 59/16, IV R 8/17, III R 35/17, I R 57/17). Hinsichtlich der entsprechenden Anwendung der Konzernklausel sollte man betroffene Steuerbescheide auf jeden Fall offenhalten. |
2. Schwarzer Anzug keine typische Berufskleidung?
Ein schwarzer Anzug, schwarze Blusen und schwarze Pullover, die sich in keiner Weise von dem unterscheiden, was weite Kreise der Bevölkerung als festliche Kleidung zu besonderen Anlässen tragen, sind nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg keine typische Berufskleidung. Dies soll für alle Berufe gelten, mithin auch ‒ und insoweit entgegen dem BFH ‒ für bestimmte Berufsgruppen wie Leichenbestatter, Trauerredner, katholische Geistliche und Oberkellner. Der Umfang der tatsächlichen Privatnutzung der Kleidungsstücke im Einzelfall soll dabei unerheblich sein (FG Berlin-Brandenburg 29.8.18, 3 K 3278/15; Rev. BFH: VIII R 33/18).
PRAXISTIPP | Das FG setzt sich damit steuerschärfend über ältere BFH-Rechtsprechung hinweg. Beim schwarzen Anzug eines Leichenbestatters (BFH 30.9.70, I R 33/69, BStBl II 71, 50), dem schwarzem Anzug nebst weißem Hemd und Fliege eines Oberkellners (BFH 4.12.87, VI R 20/85, BFH/NV 88, 703) oder dem Trachtenanzug eines Geschäftsführers eines Lokals im „rustikal-altbayerischen Stil“ (BFH 20.11.79, VI R 143/77, DStR 80, 144) war der BFH weniger streng. Das Thema wird immer streitanfällig bleiben. In folgenden Fällen ist aber unzweifelhaft von typischer Berufskleidung auszugehen: Bergarbeiterkleidung, typische Schutzkleidung wie Helme und Bürokittel, Monteur-Overall, (weiße) Arztkittel, Sicherheitsschuhe, Amtstrachten oder Diensthemden eines Polizisten mit Wappen des Dienstherrn (vgl. etwa Loschelder in: Schmidt, § 9 EStG, Rz. 266). |
3. Begünstigung nicht entnommener Gewinne nach § 34a EStG
Bei Einzelunternehmern und Mitunternehmerschaften wird der nicht entnommene Gewinn auf Antrag ermäßigt besteuert (§ 34a EStG). Die ermäßigte Besteuerung ist nicht endgültig, sondern es erfolgt in späteren Jahren unter bestimmten Voraussetzungen eine Nachversteuerung. Nach § 34a Abs. 1 S. 4 EStG kann der Antrag bis zur Unanfechtbarkeit des ESt-Bescheides für den nächsten VZ ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Das FG Düsseldorf hat aktuell entschieden, dass ein solcher Antrag nur bis zur Bestandskraft der Erstveranlagung des Folgejahrs zurückgenommen werden kann (FG Düsseldorf 8.11.18, 12 K 1250/18 E, F; Rev. zugelassen).
Ob eine wirksame Antragsrücknahme nur bis zur Unanfechtbarkeit der erstmaligen Festsetzung des Folgejahres möglich ist, oder ob auch die durch eine nachträgliche Änderung des unanfechtbaren Bescheides entstandene, nach § 351 AO eingeschränkte Anfechtbarkeit das Recht zur ganzen oder teilweisen Rücknahme des Antrags nach § 34a Abs. 1 EStG für den vorangegangenen VZ eröffnet, ist streitig. Teilweise wird vertreten, dass die eingeschränkte Anfechtbarkeit des Bescheids für das Folgejahr nach Korrekturen genügen soll, um den Antrag nach § 34a Abs. 1 EStG für das Vorjahr ganz oder teilweise zurücknehmen zu können (vgl. Weitemeyer/Schumacher in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34a Rz. B 92; Ratschow in: Blümich, EStG/KStG/GewSt, § 34a EStG Rz. 28 und Ley/Bodden in: Korn, EStG, § 34 a Rz. 57).
PRAXISTIPP | Die Verwaltung hat diese Frage im Anwendungsschreiben vom 11.8.08 (IV C 6 ‒ S 2290 ‒ a /07/10001, BStBl I 08, 838, Tz. 10) bislang offengelassen. Bei Ablehnung des Antrags bleibt der Einspruch. |
4. Enteignung kein privates Veräußerungsgeschäft
Ordnet eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (Stadt) die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück auf sich selbst gegen Zahlung einer Entschädigung an, enteignet sie also den Grundstückseigentümer, ist ein hieraus erzielter Gewinn nach Auffassung des FG Münster nicht steuerpflichtig (FG Münster 28.11.18, 1 K 71/16 E; Rev. BFH: IX R 28/18).
Ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft setzt voraus, dass die Eigentumsübertragung auf eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußernden zurückzuführen ist. Hierzu muss ein auf die Veräußerung gerichteter rechtsgeschäftlicher Wille vorhanden sein. Ein solcher Wille fehlt, wenn ein Grundstück enteignet wird.
PRAXISTIPP | Unbeschadet der Frage, ob eine Veräußerung i. S. d. § 23 EStG eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußernden erfordert, könnte eine Steuerpflicht auch deshalb ausscheiden, weil dem Betroffenen in Bezug auf den durch die Enteignung (bzw. durch die Entschädigung) realisierten Wertzuwachs die Einkünfteerzielungsabsicht fehlt. Diese wird zwar grds. durch die Nichteinhaltung der Haltefristen typisiert. Im Fall einer Enteignung dürfte dies jedoch nicht gelten. |
5. Umsatzsteuerliche Organschaft bei Mehrheitsgesellschafter auch ohne Stimmrechtsmehrheit?
Laut FG Schleswig-Holstein liegt die für die umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung in das Unternehmen des Mehrheitsgesellschafters auch dann vor, wenn der Mehrheitsgesellschafter nur über 50 % der Stimmrechte verfügt und in beiden Gesellschaften dieselbe Person als alleiniger Geschäftsführer tätig ist (FG Schleswig-Holstein 3.7.18, 4 K 35/17; Rev. BFH XI R 16/18).
PRAXISTIPP | Gegen das Urteil hat das FG Kiel die Revision zugelassen, da vom V. und vom XI. Senat des BFH abweichende Auffassungen zu den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung vertreten werden. Dem Organträger muss danach auch die Mehrheit der Stimmrechte zustehen, damit er seinen Willen in der Organgesellschaft durch Mehrheitsbeschluss durchsetzen kann (BFH 15.12.16, V R 14/16, BStBl II 17, 600; BFH 19.1.16, XI R 38/12). |
6. Rabatte beim Pkw-Kauf kein steuerpflichtiger Arbeitslohn
Gewährt ein Autohersteller den Arbeitnehmern eines verbundenen Unternehmens dieselben Rabatte beim Autokauf wie seinen eigenen Mitarbeitern (Werksangehörigenprogramm), so stellt sich die Frage, ob die erhaltenen Vorteile zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. Das FG Köln hat dies aktuell verneint. Danach stellen weder der gewährte Rabatt noch der Verzicht auf die Überführungskosten Arbeitslohn dar (FG Köln 11.10.18, 7 K 2053/17; Rev. BFH: VI R 53/18).
Das FG hat darauf abgestellt, dass der Autobauer die Rabatte in erster Linie im eigenwirtschaftlichen Verkaufsinteresse und nicht für die Arbeitsleistung der Steuerpflichtigen gewährt habe. Der Hersteller erschließe sich bei den Mitarbeitern des Zulieferbetriebs eine leicht zugängliche Kundengruppe, die er durch gezielte Marketingmaßnahmen anspreche, um damit seinen Umsatz zu steigern.
PRAXISTIPP | Mit seinem Urteil stellt sich das FG Köln gegen den „Rabatterlass“ des BMF (20.1.15, IV C 5 - S 2360/12/10002, BStBl I 15, 143). Nach Auffassung der Verwaltung sollen Preisvorteile, die Arbeitnehmern von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen eingeräumt werden, ebenso regelmäßig Arbeitslohn sein, wie Vorteile, die einem eigenen Arbeitnehmer gewährt werden. Da also mit Widerständen der FÄ zu rechnen ist, müssen betroffene Steuerbescheide offengehalten werden. |
7. Kindergeld bei längerem ausländischem Schulbesuch
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (BFH 23.6.15, III R 38/14) behält ein Kind während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Ausbildung (z. B. Auslandsstudium) seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Diese Grundsätze sollen auch dann gelten, wenn ein Elternteil mit dem Kind im Ausland lebt und nur der andere Elternteil dauerhaft in der deutschen Wohnung (FG Berlin-Brandenburg 4.7.18, 3 K 3220/17; Rev. BFH III R 46/18).
Im Streitfall stritten die Kindesmutter (Klägerin) und die Familienkasse um die Kindergeldberechtigung bei längerem ausländischem Schulbesuch der Kinder. Die Mutter hielt sich mit den Kindern in Pakistan auf. Mutter und Kinder kamen in den dreimonatigen Sommerferien regelmäßig zusammen nach Deutschland, wo sich der Vater und der ältere Bruder aufhielten. Streitpunkt war die Frage, ob die Kinder noch ihren Wohnsitz in Deutschland hatten oder ob es sich nur noch um Besuchsaufenthalte handelte.
PRAXISTIPP | Welche Kriterien für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes gelten, wenn ein Elternteil mit dem Kind im Ausland lebt, ist bislang nicht geklärt. Da mit Widerstand der Familienkassen zu rechnen ist, sind Einspruch und ggf. Klage gegen Ablehnungs- oder Rückforderungsbescheide geboten. |
8. Umsatzsteuer: Holding kauft Leistungen für Töchter ein
Stellt eine Muttergesellschaft ihren Tochtergesellschaften Dienstleistungen zur Verfügung, die sie ihrerseits bei Dritten einkauft, erbringt die Holding nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg Leistungen an ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt im Wege der Dienstleistungskommission i. S. d. § 3 Abs. 11 UStG. Sie ist damit unternehmerisch tätig, ohne dass es darauf ankommt, ob sie die Aufwendungen für die Drittleistungen um einen Gemeinkostenzuschlag, Gewinnaufschlag oder Ähnliches erhöht. Eine solche Holdinggesellschaft, die mit entgeltlichen Leistungen an ihre Töchter an deren Verwaltung teilnimmt, kann danach den Vorsteuerabzug aus sämtlichen Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Verwaltung der Tochtergesellschaften geltend machen (FG Berlin-Brandenburg 13.6.18, 7 K 7227/15, EFG 18, 1300; Rev. BFH: XI R 24/18).
PRAXISTIPP | Die steuerliche Praxis sollte unbedingt beachten, dass es umsatzsteuerlich für den Vorsteuerabzug auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs ankommt und später allenfalls Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG vorkommen können. Demnach ist eine zeitnahe Dokumentation der Verwendungsabsicht (vor allem in Form einer umsatzsteuerbaren Weiterbelastung) gerade in Beteiligungsstrukturen stets vorzunehmen (so Prätzler, jurisPR-SteuerR 39/2018, Anm. 6). |
9. Ausübung des Wahlrechts nach § 7g Abs. 2 S. 2 EStG
Das FG Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass das Wahlrecht für eine Gewinnminderung nach § 7g Abs. 2 S. 2 EStG nicht außerbilanziell, sondern in der Steuerbilanz oder einer Anpassungsrechnung gemäß § 60 Abs. 2 S. 1 EStDV ausgeübt werden muss. Eine Änderung der einmal getroffenen Wahl ist danach nach Einreichung der Steuerbilanz beim FA nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 EStG (Bilanzänderung) möglich (FG Mecklenburg-Vorpommern 21.2.18, 3 K 329/15, EFG 18, 1272; Rev. BFH XI R 12/18).
PRAXISTIPP | Die Rechtsfrage hat unmittelbare Bedeutung für bilanzierende Steuerpflichtige. Irrtümer bei Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts lösen hier keine Änderungsmöglichkeit gemäß § 129 AO aus. Erfolgt die Gewinnermittlung dagegen nach § 4 Abs. 3 EStG, erfasst der Steuerpflichtige die nach § 7g Abs. 2 S. 2 EStG gewinnmindernd herabgesetzten AK/HK der Wirtschaftsgüter in seinem nach § 4 Abs. 3 S. 5 EStG zu führenden Verzeichnis und übt hier sein Wahlrecht aus. Da die Regelungen über die Bilanzänderung bei der EinnahmenÜberschuss-Rechnung keine Anwendung finden, ist die Änderung des Wahlrechts hier möglich, solange die Veranlagung noch geändert werden kann (vgl. Anm. Pfützenreuter, EFG 18, 1272). |
10. Gewährung des GewSt-Freibetrags nach Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft
Einer GmbH, die im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter aufnimmt, ist der Freibetrag von 24.500 EUR für Zeiträume vor der Aufnahme nicht zu gewähren. Da sich der Freibetrag, der für Personengesellschaften, nicht aber für Kapitalgesellschaften gelte, auf den jeweils sachlich steuerpflichtigen Gewerbebetrieb beziehe, sei eine getrennte Beurteilung für Zeiträume vor und nach Begründung der Mitunternehmerschaft vorzunehmen (FG Münster 18.10.18, 10 K 4079/16 G; Rev. BFH III R 68/18).
PRAXISTIPP | Das FG Münster hat die Revision zugelassen, da ein Streitfall mit der vorliegenden Problemstellung bei einer unterjährigen Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft höchstrichterlich bisher nicht entschieden worden ist. In vergleichbaren Konstellationen, in denen der gewerbesteuerliche Freibetrag bei zeitanteiliger Betrachtung nicht ausgeschöpft wird, ist somit Einspruch geboten. |